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Gifttiere in Plattenbausiedlung

Gemeinsam mit Marko Hafenberg haben wir sechs Giftschlangen aus einer Wohnung im sächsischen Oberlungwitz geholt. Nachdem der Tierhalter Frank B. verstorben war, hatten sich die Angehörigen um Hilfe gebeten.

Schildkobra (Aspidelaps scutatus) in Angriffshaltung. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Ende März 2015 haben wir gemeinsam mit dem Terrarientier-Experten Marko Hafenberg sechs Giftschlangen aus einer Wohnung in einer Plattenbausiedlung im sächsischen Oberlungwitz geholt. Nachdem der Tierhalter Frank B. verstorben war, hatten sich die Angehörigen an aktion tier-Meissen gewandt, nachdem sie vergeblich verschiedene Ämter um Hilfe gebeten hatten.

Die kleine, unordentliche Wohnung des Verstorbenen war mit einem großen Aquarium und zahlreichen Terrarien in unterschiedlichen Größen vollgestellt. Die sechs Giftschlangen lagen in ihren Glaskästen – aber für welche Tiere waren die übrigen Behältnisse? Die Angehörigen erzählten, dass auch noch insgesamt 60 Skorpione und Vogelspinnen sowie eine ebenfalls mit Giftdrüsen ausgestattete Krustenechse in der Wohnung gelebt hatten. Diese Tiere hatte die Nichte des Halters jedoch bereits vermittelt. Das Faible des Halters für Gifttiere im Kopf, inspizierten wir vorsichtig die Wohnung und schnell war klar, dass sich hier ein stilles Drama abgespielt hatte. Frank B. lebte sehr zurückgezogen und hatte auch niemanden darüber informiert, dass er im Krankenhaus ist, wo er schließlich verstarb. Daher waren die Tiere lange unversorgt geblieben. Wir fanden drei tote und vertrocknete Vogelspinnen in ihren verdreckten Terrarien. Zwei giftige Dickschwanzskorpione waren in ihrem Glaskasten verhungert und verdurstet. Auch die als Futtertiere gehaltenen Mäuse, Heuschrecken und Schaben mussten sterben, da ihnen niemand zu fressen und zu trinken gegeben hatte. Was uns jedoch am meisten beunruhigte waren drei giftige Wüstenskorpione, denen die Flucht gelungen war. Die inzwischen gestorbenen Skorpione lagen auf dem Dach eines Terrariums und in einem Zwischenraum zwischen zwei Behältern.

Die Terrarien entsprachen in keiner Weise den Anforderungen an eine artgerechte und vor allem sichere Gifttierhaltung. Sie waren verdreckt und meist zu klein, weder ordnungsgemäß abgedichtet noch abschließbar. Da wir nicht sicher sein konnten, nicht doch noch auf ein lebendes, freilaufendes Tier zu stoßen, gingen wir äußerst wachsam vor. Marko Hafenberg, der sich auf Terrarientiere spezialisiert hat und in Brandenburg die Reptilienauffangstation „Terrarium Brandenburg“ betreibt, ist auch im Umgang mit giftigen Tieren geübt. Er stellte fest, dass es sich bei den Schlangen in der Wohnung um drei Seitenwinder-Klapperschlangen (Crotalus cerastes), eine Texas Klapperschlange (Crotalus atrox), eine Schildkobra (Aspidelaps lubricus) und eine Todesotter (Acanthophis laevis) handelt. Der Biss aller vier Schlangenarten ist potenziell lebensgefährlich. Hinzu kam, dass die Tiere offenbar nicht an Menschen gewöhnt waren und sich sehr aufgeregt und angriffslustig verhielten. Marko Hafenberg war jedoch entsprechend vorbereitet, zog Schutzkleidung an, legte sein Werkzeug bereit und fing alle sechs Schlangen dann ruhig und vorsichtig ein. Die Tiere wurden einzeln in Transportboxen oder Säcke gesetzt, die zusätzlich gesichert wurden. Die Schlangen wurden in der Auffangstation von Marko Hafenberg in sicheren Quarantäneterrarien untergebracht, wo die teilweise abgemagerten und dehydrierten Tiere erst einmal aufgepäppelt werden mussten.

Frank B. besaß offensichtlich keine Unterlagen zu diesen sechs Schlangen. Dafür fanden wir in seiner Wohnung Herkunftsbestätigungen und Bescheinigungen über weitere 34 Giftschlangen, darunter Arten wie Monokelkobra, Speikobra, Hornviper und Brillenschlange. Der Verbleib dieser Tiere ist bis heute unklar.

Angesichts dieses neuerlichen Falls nicht sachgerechter Gifttierhaltung weist aktion tier wieder einmal auf die dringende Notwendigkeit einer bundesweiten Gefahrtierverordnung hin. Bisher handeln hier die Länder nach eigenem Gusto. In mehreren Bundesländern, darunter Sachsen, gibt es keine Verordnung, welche die private Haltung gefährlicher Wildtiere regelt. Somit kann in Sachsen jedermann Giftschlangen und andere gefährliche Tiere halten, ohne eine entsprechende Sachkunde oder die Sicherheit der Unterbringungen nachweisen zu müssen.

Eine bundesweite Gefahrtierverordnung wäre von Nöten

Dabei stellen Haltungen wie die in Oberlungwitz nicht nur eine Gefahr für den Halter dar, der in der Vergangenheit bereits mehrfach selbst von seinen Giftschlangen gebissen wurde. Auch die Nachbarn und somit die Allgemeinheit ist potenziell in Gefahr. Niemand hat das Recht, andere Menschen zu gefährden oder in Angst und Schrecken zu versetzen, so wie es hier der Fall war. Außerdem sollte man immer für das eigene Handeln die volle Verantwortung übernehmen. Zu einer umsichtigen Tierhaltung gehört auch, für den Fall vorzusorgen, dass man sich selbst nicht mehr um seine Tiere kümmern kann. Da Frank B. dies nicht getan hatte, mussten mal wieder völlig Unbeteiligte, in diesem Fall aktion tier und Marko Hafenberg, als Problemlöser einspringen. Etwas Gutes hat das Ganze dennoch: Aufgrund des Medienrummels sind Behördenvertreter und Lokalpolitiker aufgeweckt worden. Wir hoffen, dass man sich nun in Sachsen an eine entsprechende Gefahrtierverordnung macht, damit sich so ein Fall wie in Oberlungwitz nicht wiederholt.

Video: Gifttiere in Plattenbausiedlung

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.

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