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Die Ferkelfabrik

Die Aufklärung über Fleischproduktion und Massentierhaltung ist nicht nur vielen Tierschützern ein Herzensthema. Doch obwohl ihr mittlerweile allgemein ein schlechter Ruf sicher ist, nimmt die industrielle Massentierhaltung immer größere Ausmaße an. Der Grund dafür ist die gleichbleibend hohe Nachfrage nach Fleisch.

Foto: © Jan Peifer

Ob als Schnitzelbrötchen, Schinken auf der Pizza, Speck in Convenience-Produkten wie Bratkartoffeln oder Sauerkraut, als Minisalami-Taschensnack oder Fast Food an jeder Tankstelle, Bäckerei und Imbissbude – Fleisch ist in unserer Gesellschaft zum billigen, stets und überall verfügbaren Rohstoff geworden. Die Zeiten des Sonntagsbratens als Höhepunkt der Woche sind längst vorbei, Fleisch hat seine Wertschätzung verloren.

Noch höher als die Nachfrage ist das Angebot: Rund 60 Millionen Schweine sterben jedes Jahr allein in Deutschland für die Lust auf Fleisch. Knapp ein Drittel, so wird geschätzt, landet direkt im Müll. Jedes fünfte Schwein stirbt schon vor der Schlachtung an den Folgen der Haltungsbedingungen. Darüber hinaus wird nur etwa die Hälfte eines jeden geschlachteten Tieres überhaupt verarbeitet. Selbst das über den Handel verkaufte Fleisch wird zum Teil noch vom Konsumenten weggeworfen; mehr als vier Kilogramm pro Kopf und Jahr landen in der Mülltonne. Doch Fleisch wird immer weiter produziert, ohne Rücksicht auf Verluste. Viele Verbraucher haben keine Idee davon, dass Tiere für ihren Konsum leiden. Enge, überfüllte und dunkle Ställe ohne Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten bestimmen den Alltag vieler Nutztiere, so auch von Schweinen. Aber damit nicht genug: Nicht nur die Haltungsbedingungen werden optimiert, die Zuchtanlagen werden immer größer und die Tierbestände höher, auch die Tiere selbst müssen immer mehr liefern.

Moderne Zuchtsauen in der konventionellen Haltung verbringen die Hälfte ihres Lebens nahezu bewegungsunfähig in sogenannten Kastenständen.

Offiziell werden die Schweine fixiert, um sie vor Verletzungen etwa bei Rangkämpfen zu schützen, doch tatsächlich dienen die Kastenstände einzig dazu, möglichst viele Schweine auf möglichst wenig Platz unterzubringen, ohne dass sie sich gegenseitig in die Quere kommen können. Ihre einzige Aufgabe ist es, Ferkel zur Welt zu bringen. Während ein „normaler“ Wurf eine Größe von etwa 2 bis 8 Ferkeln hat, bringen Zuchtsauen nicht selten mehr als 10 Jungtiere zur Welt. Häufig kommen Ferkel dabei schon tot zur Welt, viele überleben die ersten Tage und Wochen nicht. Sogenannte Kümmerlinge, die zu schwach sind, um einen Saugplatz an den Zitzen der Mutter zu erkämpfen, verletzte oder missgebildete Ferkel sind von Anfang an zum Sterben verurteilt. Entweder sie verhungern oder sie werden aussortiert und getötet, manche lebend in der Kadavertonne entsorgt. Es gibt zwar Vorschriften, wie mit nicht (über-)lebensfähigen Tieren umgegangen werden muss, dafür, wie diese ohne Stress und Leid (falls das überhaupt möglich ist) getötet werden sollen, doch finden diese in der Praxis oft keine Anwendung. Nach einer fachgerechten Betäubung müssen Tiere in solchen Fällen mit einem Kehlen Schnitt getötet werden, doch die Wirklichkeit in den Ställen sieht anders aus.

Einen Tierarzt sehen die todgeweihten Ferkel schon aus Zeit- und Kostengründen nicht, sie werden mit Hämmern erschlagen oder an den Hinterläufen gepackt und ihr Kopf mit Schwung auf dem Betonboden der Stallflure zertrümmert. Immer wieder werden solche Vorfälle von Tierschützern mit versteckten Kameras dokumentiert, auch ehemalige Mitarbeiter von Schweinezuchtanlagen haben sich nach Ausstrahlung von entsprechenden Aufnahmen an Redaktionen gewendet und diese Praxis bestätigt. Diese Tötung von Schweinen ist illegal und ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, der mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren bestraft werden kann, entsprechende Verfahren jedoch werden fast immer eingestellt.

Auch wenn Bauernverbände und Lobbyisten stets von bedauerlichen Einzelfällen sprechen – offensichtlich handelt es sich bei diesem brutalen Vorgehen um eine gängige Maßnahme, die bundesweit Anwendung findet. Die jüngsten dokumentierten Fälle aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen liefern deutliche Belege.

Besonders pikant: Selbst in Ställen von Agrarfunktionären, die eigentlich als Vorzeigebetriebe gelten sollen, wurde das gesetzeswidrige Töten von Ferkeln schon gefilmt. Dies zeigt, dass der raue Umgang mit Zuchtferkeln zum System der Massentierhaltung gehört. So gibt es für verantwortungsbewusste Konsumenten nur einen Weg: Wer den schonungslosen Umgang mit Tieren nicht unterstützen möchte, darf die moderne Tierhaltungsindustrie nicht mit seinem Kauf finanzieren. Nur mit einem konsequenten Verzicht auf Fleisch kann die Nachfrage gesenkt und so der überbordenden Produktion Einhalt geboten werden.

Jan Peifer