Wildvögel

Die Spechtschmiede

Als wir im März unser Berliner Eichhörnchenseil kontrollierten fiel mir auf, dass am Boden unter der Robinie, an der das eine Seilende befestigt war, zahlreiche Fichten- und Douglasienzapfen lagen. Wer hatte die hier hergetragen und zu welchem Zweck?

Specht
Der Buntspecht hat einen Zapfen in seine Schmiede geklemmt. Foto: © Daniel Kühler

Bei näherer Untersuchung der Robinie entdeckte ich dann, dass an mehreren Stellen Zapfen in die Rinde gesteckt worden waren. Das sah lustig aus, wie eine Dekoration. Aber in der Natur hat alles seinen Sinn und auch in diesem Fall war klar, was hinter dieser vermeintlichen `Installation` steckte. Ein Tier hatte die Zapfen in den Spalten der Baumrinde verkeilt, um besser an die Samen heranzukommen. Genauer gesagt ein Vogel. Unsere Robine wird als sogenannte Schmiede genutzt.

Eine Schmiede ist in der Tierkunde eine natürliche Stelle wie beispielsweise ein Stein oder eine extra zurechtgemachte Örtlichkeit wie etwa ein Spalt in einem Baumstamm, an der Vögel Nahrung einklemmen, die nicht ohne weiteres gefressen werden kann und daher erste bearbeitet werden muss. Dabei fungiert der Untergrund wie ein Amboss und der Vogelschnabel ist der Hammer.

Verschiedene Vogelarten zeigen diese intelligente Art, sich Nahrung zu erschließen. Der Buntspecht ist wohl der eifrigste Schmied - daher spricht man von Spechtschmiede. Normalerweise fressen Buntspechte (Dendrocopos major) vorrangig tierische Kost. In der kalten Jahreszeit, wenn Käfer, Schnecken und Würmer in ihren Verstecken Winterruhe halten, stellt der Vogel seine Ernährung auf Beeren, Nüsse und Samen um. Um Nüsse zu knacken und an die Samen in den Zapfen von Nadelbäumen zu gelangen, trägt er die widerspenstige Beute im Schnabel zu seiner Schmiede. Oft hacken Buntspechte dafür extra ein Klemmloch in einen Ast oder einen Baumstamm. Der alte Zapfen wird entfernt, der neue in die Schmiede gestopft und mit dem Schnabel so lange bearbeitet, bis der Specht die Samen mit der Zunge herausziehen kann. Geeignete Schmieden wie unsere Robinie mit dem Eichhörnchenseil werden gerne immer wieder benutzt. Daher die vielen Zapfen am Boden.

Dank an den Fotografen Daniel Kühler

Daniel Kühler ist zwar passionierter Vogel-Fotograf, ihm gelingen jedoch auch fantastische Natur- und Landschaftsaufnahmen. Der Schweizer hat viel Geduld, wenn er seine Lieblingstiere fotografieren möchte und ist zu Recht stolz darauf, dass alle seine Aufnahmen in freier Natur entstanden sind. Er macht es sich nicht leicht, lockt die Tiere nicht mit Futter an, sondern wartet, beobachtet und drückt dann im richtigen Augenblick den Auslöser seiner Kamera.

Weitere Informationen und viele schöne Bilder finden Sie unter danielkuehler.ch. Wir danken Herrn Kühler herzlich, dass er uns die beiden seltenen Fotos von einem Buntspecht beim Benutzen seiner Schmiede kostenlos zur Verfügung gestellt hat!

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.