Animal Hoarding | Tierschutzfälle mit Kleintieren

Fall Frank S.

Auf einem kleinen Balkon im Berliner Bezirk Lichtenberg stapeln sich Käfige voll mit Kaninchen. aktion tier Mitarbeiter tarnen sich als Kaufinteressenten.

Kaninchen auf dem Balkon
Im Animal Hoarding Fall Frank S. wurden 122 Kaninchen auf einem Berliner Balkon zusammengepfercht. Foto: aktion tier e.V.

"Horror-Balkonien" für 122 Kaninchen: Wo normalerweise Geranien und Liegestühle stehen, stapelte Frank S. Kaninchenkäfige. Zuletzt hielt der Hartz IV-Empfänger 122 Kaninchen auf seinem Balkon im neunten Stock eines Hochhauses in Berlin Lichtenberg. Zustände, die uns an Massentierhaltung erinnerten. Die 47 ausgewachsenen Zwergkaninchen mussten sich teilweise zu sechst einen Käfig teilen, der für max. zwei Tiere geeignet wäre. Schon allein die ausschließliche Käfighaltung ohne regelmäßigen Auslauf ist erwiesener-maßen nicht tiergerecht. Die zusammen-gepferchten Hoppler konnten sich in ihren Gefängnissen kaum bewegen, hatten weder Rückzugs- noch Beschäftigungsmöglichkeiten. Aufgrund der Enge und frustrierenden Langeweile kam es auch immer wieder zu blutigen Beißereien. Ein Teil der Kaninchen war außerdem stark abgemagert, verfilzt, verletzt oder krank. Auch die Sauberkeit der Käfige ließ zu wünschen übrig, keines der Tiere war geimpft oder kastriert.

Frank S. sperrte immer mehrere Weibchen mit einem Kaninchenbock zusammen, sodass sich die Tiere ständig vermehrten. Zuletzt hatten sich bei „Kaninchen-Frank“, wie sich der Tierhalter selbst nennt, 75 Kaninchenbabys angesammelt. Vor allem trächtige Weibchen und Kaninchen mit Jungen sollten immer einen ruhigen Bereich nur für sich haben. Mit sechs anderen Artgenossen in einem Käfig zusammengepfercht entwickelten die Kaninchenmütter jedoch regelmäßig stressbedingte Verhaltensstörungen, bissen ihrem Nachwuchs Ohren und Schwänze ab oder fraßen die Babys ganz auf. Statt den Tieren einen größeren, ruhigen Lebensbereich zu bieten, wo sie ihre Jungen aufziehen können, nahm der erwerbslose Elektriker die Kaninchenbabys kurz nach der Geburt fort und deponierte sie in einer Schublade unter seinem Sofa. Hier war es dunkel, sodass die Tierbabys meistens schliefen. Einmal am Tag nahm er sich der Reihe nach alle Kaninchenmütter aus den Käfigen, drehte sie auf den Rücken und setzte ihnen acht Babys zum Trinken an die Zitzen. Die Kaninchenbabys wurden also bewusst zu Waisen gemacht, denen die Betreuung durch ihre eigene Tiermutter verwehrt wurde. Auf der anderen Seite wurden die Kaninchenmüttern zur Ernährung von fremden Jungen gezwungen, was aus freien Stücken nie erfolgen würde. Durch diese tierschutzwidrige und absolut unnatürliche Vorgehensweise wurden die Jungtiere ungewöhnlich zahm und konnten besser verkauft werden.

Statt den Tieren einen größeren, ruhigen Lebensbereich zu bieten, wo sie ihre Jungen aufziehen können, nahm der erwerbslose Elektriker die Kaninchenbabys kurz nach der Geburt fort und deponierte sie in einer Schublade unter seinem Sofa. Hier war es dunkel, sodass die Tierbabys meistens schliefen. Einmal am Tag nahm er sich der Reihe nach alle Kaninchenmütter aus den Käfigen, drehte sie auf den Rücken und setzte ihnen acht Babys zum Trinken an die Zitzen. Die Kaninchenbabys wurden also bewusst zu Waisen gemacht, denen die Betreuung durch ihre eigene Tiermutter verwehrt wurde. Auf der anderen Seite wurden die Kaninchenmüttern zur Ernährung von fremden Jungen gezwungen, was aus freien Stücken nie erfolgen würde. Durch diese tierschutzwidrige und absolut unnatürliche Vorgehensweise wurden die Jungtiere ungewöhnlich zahm und konnten besser verkauft werden.

Jährlich wurden ca. 1000 Kaninchen gezüchtet

Kaninchen sind äußerst fruchtbar. Ein Weibchen kann bis zu zehn Mal pro Jahr durchschnittlich fünf Junge pro Wurf gebären. Bereits nach ca. zehn Wochen sind die Jungtiere geschlechtsreif und könne sich ebenfalls vermehren. Es ist davon auszugehen, dass Frank S. jährlich weit über 1.000 Kaninchenbabys nachgezüchtet hat. Tiernachwuchs, den niemand braucht. Denn der Bedarf an jungen Kaninchen ist in Deutschland mehr als gedeckt, unsere Tierheime sind übervoll. Außerdem ist eine Kaninchenzucht bei mehr als 100 Jungtieren pro Jahr als Heimtiere gemäß Tierschutzgesetz automatisch gewerbsmäßig, also genehmigungspflichtig. Da Herr S. über keine Genehmigung verfügte, war seine Massenzucht illegal. Die vielen Kaninchenbabys wurden entweder für sechs Euro pro Stück an Zoohandlungen oder für bis zu 30 Euro an Privatpersonen verkauft. Regelmäßig tauchte Frank S. mit seinen Kaninchenbabys auch in Parks oder sogar auf dem Alexanderplatz in Berlin auf, wo aktion tier dann auch auf den Mann aufmerksam wurde. Passanten sollten die Tiere im Vorbeigehen kaufen oder wurden zu einer Geldspende aufgefordert. Dabei ist sowohl der Straßenverkauf von Tieren als auch deren Zurschaustellung mit der Absicht, Geld einzunehmen, in Deutschland verboten. Entsprechend wurde „Kaninchen-Frank“ dann auch das Betteln mit den Tieren untersagt.

Uns interessierte von Anfang an, woher die vielen Kaninchenbabys kamen und wie die Tiere zu Hause gehalten wurden. Als Kaufinteressenten getarnt verschafften wir uns Zugang zur Wohnung von Frank S. und konnten so das ganze Kaninchenelend auf dem Balkon dokumentieren. Bei 28 Grad im Schatten kauerten die gestressten Tiere in ihren kleinen Gefängnissen oder lagen, japsend nach Luft, auf der Seite. Als dämmerungsaktive Höhlenbewohner vertragen Kaninchen Hitze nur schlecht, ab 25 Grad besteht die Gefahr der Überhitzung. Wir waren schockiert, machten Fotos und Videoauszeichnungen. Außerdem kauften wir als Beweis für den illegalen Tierhandel zwei Kaninchenbabys. Einen total verfilzten erwachsenen Kaninchenbock bekamen wir als „Geschenk“ dazu.

Auch die menschliche Tragödie kam ans Licht

Der 45-jährige Frank S. erzählte uns auch seine persönliche Geschichte. Wie er vor einigen Jahren angeblich unverschuldet arbeitslos wurde, in ein tiefes Loch fiel, zu Trinken begann. Die Töchter wünschten sich Kaninchen, aber die beiden in der Zoohandlung gekauften Tiere waren keine Weibchen, sondern ein Pärchen. Der Nachwuchs wurde behalten, vermehrte sich munter, weitere Kaninchen wurden aufgenommen und so waren es am Ende 122 Tiere. Um den Bestand einigermaßen im Rahmen zu halten, mussten die Babys schließlich verkauft werden – das Geschäft mit den Tieren begann. Aber die Geschichte von Frank S. handelt auch von hohen Schulden, diversen Konflikten mit dem Gesetz und einer zerbrochenen Liebesbeziehung. Eine menschliche Tragödie, berufliches und privates Scheitern. Da boten die Tiere eine vermeintliche Zukunftsperspektive, Beschäftigung, ein gewisses Einkommen und ein Entrinnen aus der unerträglichen Bedeutungslosigkeit. Als „Kaninchen-Frank“ war man wer, war wichtig, wurde angerufen, hatte Termine. Vor allem die durch die Kaninchenbabys hervorgerufene Aufmerksamkeit bei den regelrecht inszenierten Aufritten in der Öffentlichkeit muss Frank S. sehr gefallen haben. Bei allem Verständnis für die menschliche Komponente des Dramas ging es uns jedoch in erster Linie um die Kaninchen, denen der Tiersammler ohne vernünftigen Grund Schmerzen und Leiden zugefügt hat.

Vor allem hinsichtlich der ständig steigenden Temperaturen musste den Balkon-Kaninchen schnell geholfen werden. Wir nahmen Kontakt mit dem zuständigen Veterinäramt auf. Dort war Kaninchen-Frank kein Unbekannter. Dass sich der Tierhalter offensichtlich nicht an die bereits erteilten Auflagen hielt, veranlasste den Amtstierarzt zu einer schnellen und konsequenten Aktion: Noch am gleichen Tag wurde der gesamte Kaninchenbestand beschlagnahmt und durch den amtlichen Tierfang in die Berliner Tiersammelstelle gebracht. Frank S. war zum Glück einsichtig und kooperativ, zeigte dem Amtstierarzt auch die in einer Kammer sowie in der Schublade im Sofa versteckten Kaninchenbabys, sodass tatsächlich alle Tiere problemlos abtransportiert werden konnten. „Kaninchen-Frank“ erhielt ein Tierhalteverbot für fünf Jahre mit Androhung eines Bußgeldes von 25.000 Euro bei Zuwiderhandlung. Das hat gewirkt.

Einige Wochen nach der Räumung haben wir Frank S. erneut besucht. Die Käfige sowie sämtliches Zubehör sind verschwunden, der Balkon ist komplett renoviert und mit Sitzmöbeln und Pflanzen ausgestattet. Nach dem ersten Schock über die Wegnahme der Tiere ist „Kaninchen- Frank“ erleichtert, dass er nun nicht mehr täglich die vielen Tiere versorgen und Futter beschaffen muss. Die von uns provozierte „Radikallösung“ gefällt ihm besser als die durch das Veterinäramt ursprünglich verfügte Reduzierung des Tierbestands auf 18 Kaninchen. Frank S. sagt selbst, dass er mit 18 nicht kastrierten Tieren in einem Jahr doch wieder über 100 Kaninchen haben würde. Er bedankte sich sogar ausdrücklich bei aktion tier und betonte, dass er das Tierhalteverbot unbedingt einhalten wird sowie seine, wie er sagt, zweite Chance im Leben nutzen möchte. Nochmal von vorne anfangen, ohne Tiere, dafür mit einer geregelten Arbeit, die auch schon in Aussicht steht. Und endlich nutzt „Kaninchen-Frank“ seinen Balkon wie alle anderen: als Oase der Erholung.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.