Tierschutzfälle mit Hunden

Hund lebt vier Jahre in Schweinestall

Otto ist ein übermittelgroßer, stämmiger Hund mit einem breiten Kopf und kurzem, hellen Fell. Seine braunen Augen schauen friedlich und ein bisschen ängstlich. Er ist Besuch offensichtlich nicht gewohnt.

Hund Otto in seinem Gefängnis. Foto: aktion tier, Ursula Bauer

Otto erwartet wohl auch nicht mehr, dass irgendetwas Spannendes in seinem Leben passiert. Zumindest zeigt er wenig Interesse an uns. Nach einem nur angedeuteten Wedeln dreht er sich um und legt sich auf eine verdreckte Matratze. Mit einem Seufzer sinkt der schwere Kopf auf die Unterlage, wenige Zentimeter entfernt von mehreren Kothaufen.

Der Anfang

Ende Juni letzten Jahres erhielten wir eine erste Mail zu Otto von einem aktion tier Mitglied. Die junge Frau schrieb, dass ihre Eltern auf ihrem nicht mehr bewirtschafteten Bauernhof in einem kleinen Dorf im Landkreis Wittenberg in SachsenAnhalt leben. Sie selbst wäre schon vor längerer Zeit ausgezogen. Und regt sich jedes Mal über Otto auf, der immer in einem kleinen Schweinestall eingesperrt ist. Der große Vierbeiner gehört einem Paar, das mit seinen vier Kindern als Mieter mit auf dem Resthof wohnt. Nachdem er Ende 2015 angeschafft wurde, hätte man Otto anfangs noch zu regelmäßigen Gassirunden aus seinem Gefängnis geholt. Im Laufe der Zeit sei das jedoch eingestellt worden und die Familie würde sogar regelmäßig in Urlaub fahren, ohne das Tier zu versorgen. Da kaum noch saubergemacht wird, sei der Stall meisten stark verdreckt.

Angezeigt hätten unser Mitglied und ihre Mutter die katastrophale Tierhaltung schon mehrfach beim Veterinäramt und die Beamten hätten auch kontrolliert. Allerdings seien die Zustände nach einer kurzen Besserung bald wieder so schlimm wie vorher gewesen.

aktion tier schaltet sich ein

Wir leiten die Schilderungen unseres Mitglieds mit den schrecklichen Beweisfotos an das Veterinäramt weiter, in der Hoffnung, dass nun, wo sich ein großer Tierschutzverein einklinkt, Nägel mit Köpfen gemacht werden. Falsch gedacht. Das Amt erklärt, Kontrollen durchgeführt und keine Mängel festgestellt zu haben. Und wenn doch, würden entsprechende Auflagen erteilt. Die scheinen die Hundebesitzer jedoch wenig zu kümmern. Zumindest zeigen die regelmäßigen Fotos und Nachrichten unseres Mitglieds immer die gleiche Situation: kein Futter, alles voll mit Kot, dazwischen ein frustrierter Otto mit hängendem Kopf.

Kontrolle vor Ort

Schließlich haben wir genug von dem Hin und Her und fahren selbst nach K. Was wir vorfinden, übertrifft alle schlimmen Vorahnungen. Der ehemalige Schweinestall hat nur eine schmale, vergitterte und mit einem Hängeschloss gesicherte Tür, durch die Tageslicht kommt. Es zieht durch alle Ritzen. Drinnen ist es weitestgehend dunkel, kalt, und der Gestank ist bestialisch. Denn der Betonboden ist mit Kothaufen und Urinflecken übersäht. In der Ecke liegt eine alte, kaputte und ebenfalls verkotete Matratze. Daneben steht eine für den großen Otto zu kleine und daher nutzlose Hundehütte aus Holz. In einem Plastikeimer ist ein Rest Wasser, der Fressnapf ist leer. Am liebsten würden wir den ruhigen, traurigen Hund gleich mitnehmen. Aber das dürfen wir nicht. Wer Menschen anprangert, die gegen geltendes Tischschutzrecht verstoßen, muss sich selbst an Regeln halten. Mehr als Fotos und Videos zu erstellen sowie die Zeugen befragen, geht daher im Moment nicht.

Wir sind hier nicht im Wilden Westen

Zurück in Berlin telefonieren wir mit der zuständigen Amtstierärztin. Unsere Fotos hat sie vorher erhalten. Das Gespräch ist unbefriedigend, da die Frau ständig wiederholt, dass man hier nicht im Wilden Westen sei und daher nicht sofort losstürme, wenn jemand einen Fall von schlechter Tierhaltung meldet. Außerdem würde man sich von uns nicht unter Druck setzen lassen. Dann kommt noch ein langes Palaver über die Tierhalter, über die man nichts Schlechtes sagen könne, und man müsse denen auch glauben, dass sie mit Otto spazieren gehen. Was unsere Zeugen sagen wäre dagegen, aus was für Gründen auch immer, nicht sehr glaubwürdig. Wir fragen uns ernsthaft: Auf wessen Seite steht diese Beamtin, die eigentlich Tierquälerei verhindern soll? Dann sichert man uns am Ende aber doch noch zu, in den nächsten Tagen rauszufahren um, falls es so aussieht wie auf unseren Fotos, ein Bußgeld zu verhängen und neue Auflagen zu erteilen. Erst wenn die nicht erfüllt würden, könne man über eine Fortnahme nachdenken. Lahmer Osten statt Wilder Westen!

Genervt von dieser Mischung aus Unwillen, Überheblichkeit und Desinteresse veröffentlichen wir die ganze Geschichte mit Fotos in den sozialen Medien. Innerhalb weniger Stunden haben sie ca. 9.500 Menschen gelesen, es gibt massenweise Kommentare und Fragen. Die Menschen sind von Ottos Schicksal erschüttert, was heutzutage bei der allgemeinen Flut an Geschichten und Bildern schon etwas heißen will.

Amtliche Fortnahme

Nach §16a Absatz 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) kann ein Tier seinem Halter fortgenommen und anderweitig (meist im lokalen Tierheim) untergebracht werden. Die Fortnahme eines Tieres ist eine verwaltungsrechtliche Maßnahme und wird durch das zuständige Veterinäramt angeordnet. Sie setzt voraus, dass ein beamteter Tierarzt feststellt, dass das Tier nicht entsprechend der Anforderungen des §2 TierSchG gehalten wird (erhebliche Vernachlässigung und/oder daraus resultierende schwerwiegende Verhaltensstörungen). Für den Halter bedeutet die Fortnahme, dass er den unmittelbaren Besitz an seinem Tier aufgibt, nicht aber sein Eigentum. Er wird also nicht enteignet, sondern kann über das Tier einfach nicht mehr verfügen. Wenn die Gründe für die Fortnahme innerhalb einer bestimmten Frist wegfallen (die Haltungsbedingungen also entsprechend des §2 TierSchG sind), kann er das Tier zurückerhalten. Ist der Halter nicht in der Lage, eine Haltung entsprechend §2 TierSchG sicher zu stellen, darf die Behörde das Tier veräußern, verschenken oder dem Tierheim zur Vermittlung überlassen. Eine Fortnahme von Amts wegen kann durch Widerspruch und Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden.

    Otto ist weg

    Nach einer ziemlich schlaflosen Nacht mit Gedanken an den einsamen Otto, der in seinem zugigen Loch friert, erhalten wir am nächsten Tag einen Anruf von unserem Mitglied. Otto wurde von der Amtstierärztin und einem Mitarbeiter des lokalen Tierheims abgeholt. Das Tierheim in Wittenberge bestätigt uns dann auch die Aufnahme des Hundes.

    Was für eine Überraschung nach dem Telefonat am Tag zuvor. Allerdings wurde Otto den Besitzern nur von Amts wegen fortgenommen (siehe Kasten auf der vorherigen Seite). Diese haben nun die Möglichkeit, die Haltung zu verbessern und könnten den Hund dann theoretisch zurückbekommen. Kein schöner Gedanke. Der finstere Schweinestall ist auch mit sauberem Boden kein Ort, an dem ein Tier leben sollte. In den sozialen Netzwerken gehen die Diskussionen inzwischen weiter, und es ist anzunehmen, dass sich viele denken können, welches Veterinäramt zuständig ist. Vielleicht haben neben unserer Kontrolle und Anzeige auch diverse Anrufe mit dazu beigetragen, dass sich die Behörde dann doch zum Handeln entschlossen hat.

    Im Laufe der nächsten Tage erhalten wir die Information, dass die Besitzer freiwillig auf ihren Vierbeiner verzichtet haben. Angeblich hätten sie Morddrohungen erhalten. Von unserer Seite aus wurden niemals Namen oder Adressen genannt. Das gebietet der Datenschutz.

    Otto ist auf jeden Fall in Sicherheit und wurde inzwischen in ein gutes Zuhause vermittelt.

    Wir haben die Besitzer des Resthofes dringend gebeten, ihren Mietern gegenüber ein Tierhalteverbot auszusprechen, was auch umgehend erledigt wurde. Somit muss zumindest in diesem Schweinestall nie mehr ein Hund leiden.

    Tierschutzgesetz

    § 2 Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

    1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
    2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
    3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

    Ursula Bauer

    Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.