aktion tier Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen

Sensationeller Erfolg im Wiederansiedlungsprojekt

Eine der seltensten Tierarten in Europa lebt am niedersächsischen Steinhuder Meer und – so viel ist seit einigen Tagen sicher – pflanzt sich dort auch erfolgreich fort: der Europäische Nerz.

Europäischer Nerz
Bernhard Volmer: Der Europäische Nerz ist gut an seiner weißen Färbung rund um Nase und Maul zu erkennen. Vor rund 90 Jahren starb die Tierart in Deutschland aus. Foto: © B. Volmer

Die Sensation im Artenschutz ist damit perfekt. Im Jahr 2010 startete ein lange vorbereitetes Wiederansiedlungsprojekt, um den Europäischen Nerz am Steinhuder Meer wieder heimisch zu machen. Die kleine Marderart starb etwa 1925 in Deutschland aus, Gründe dafür waren vor allem die Vernichtung der Lebensräume der an Sumpf- und Gewässerbiotope angepassten Art und die direkte Verfolgung als Pelztier. Mit finanzieller Unterstützung des Landesumweltministeriums beauftragte die Region Hannover als Projektträger die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM e. V.) mit der Wiederansiedlung der lange verschwundenen Art an Niedersachsens größten See, denn hier entstanden nach Aufgabe der Nutzung in seeufernahen Flächen und durch zahlreiche Naturschutzmaßnahmen wieder ideale Lebensbedingungen für den Sumpfbewohner. Neben dem Verein EuroNerz ist auch die Wildtierund Artenschutzstation von Anfang an als Projektpartner beteiligt. Die Wildtierstation hat die tiermedizinische Betreuung des Projektes übernommen, und es werden Nerze für die Wiederansiedlung gezüchtet. Außerdem können Besucher in einem Schaugehege Nerze beobachten, was in der freien Wildbahn nur äußerst selten gelingt.

Dass die ausgewilderten Nerze sich im Projektgebiet wohl fühlen, belegen zahlreiche Beobachtungen, die vor allem mit Hilfe kleiner Sender gelangen, mit denen ein Teil der Nerze markiert ist. „Aber das i-Tüpfelchen fehlte noch“, so Projektkoordinatorin Eva Lüers und meint damit ein Foto, dass eine Reproduktion der in freier Wildbahn schwer zu beobachtende Nerze belegt. Dieses Foto gelang nun, genauer gesagt, es gelangen gleich mehrere. Die Bilder zeigen eine Nerzfähe, die nach und nach mindestens drei noch unselbstständige Jungtiere im Maul zu einem neuen Versteck transportiert. „Die Wurfhöhle kannten wir schon, mieden das Gebiet jedoch großräumig, um das Nerzweibchen nicht zu stören“, so die Landschaftsökologin, „aber wir konnten davon ausgehen, dass die Jungtiere kurz über lang in ein anderes Versteck umgebettet werden, wie es für Nerze typisch ist“. Die Chance nutzte die Wissenschaftlerin und stellte an verschiedenen Stellen Fotofallen auf – mit dem genannten Erfolg. Bei den Fotos handelt es sich um die ersten aus Deutschland überhaupt, die in Freiland gezeugte und geborene Nerze zeigen.

Europäischer Nerz
Die Nerzfähe läuft durch die Fotofalle. Erkennbar ist, dass sie ein Jungtier im Maul transportiert. Foto: © ÖSSM Archiv

Der Europäische Nerz steht weltweit kurz vor dem Aussterben. Von dem einst riesigen Verbreitungsgebiet zwischen Ural und Pyrenäen sind nur noch Bruchstücke übrig geblieben. Und auch hier sind die Tiere gefährdet. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN stuft die Tierart deswegen als „weltweit vom Aussterben bedroht“ ein. Deswegen ist es von größter Bedeutung, die Tierart in ihren heutigen Lebensräumen zu erhalten und ihnen durch Wiederansiedlungen dort eine Chance zu geben, wo Lebensräume wieder entstanden sind. Ob das Projekt am Steinhuder Meer ein Erfolg wird, ist derzeit noch nicht absehbar, der nun gelungene Reproduktionsnachweis zeigt aber, dass die Chancen gut stehen.

Dr. Florian Brandes

Stationsleiter, Fachtierarzt für Wildtiere und Artenschutz