Artenschutz | Zirkus ohne Wildtiere

Wildtiere gehören in die Wildnis

Für viele große und kleine Kinder und Zuschauer ist ein Zirkus ohne Löwen, Tiger, Elefanten und andere Wildtiere in der Manege eine traurige Vorstellung – wenn man den Aussagen und der Werbung vieler Zirkusunternehmen Glauben schenkt. Dabei sieht die Wirklichkeit längst anders aus, denn laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des ZDF lehnen rund zwei Drittel der Bevölkerung die Wildtierhaltung im Zirkus ab.

Hinter Gittern sollte kein (Wild-)Tier leben müssen
Ein gesetzliches Verbot der Wildtierhaltung im Zirkus ist längst überfällig. Foto: © Jan Peifer

Wildtiere im Zirkus sorgen seit Jahren für Skandale und Unmut, nicht nur bei Tierschützern. Denn die artgerechte Haltung von Wildtieren ist im Zirkus nicht möglich, zusätzlich leiden sie unter Zwang und Gewalt der Dressur. Immer wieder gelangen Bilder und auch Gutachten an die Öffentlichkeit, die dies belegen. Viele Tiere weisen in der Gefangenschaft gravierende Verhaltensstörungen auf, die auf die nicht artgerechte Haltung und Unterbringung zurückzuführen sind. Insbesondere für Wildfänge, also Tiere, die nicht aus Zuchtprogrammen stammen, sind diese Bedingungen eine Qual.

In fast jedem Zirkus zu beobachten sind Tiere, die Stereotypien aufzeigen. Dies sind zwanghaft wiederholte, sinnlose Verhaltensweisen: Tiger, die vor dem Gitter unablässig auf und ab gehen, Elefanten, die mit dem Kopf „weben“ oder auch Tiere, die sich ständig im Kreis drehen. Nicht selten kommt es auch zu Vorfällen mit ausgerissenen, teils aggressiven Tieren, die auch Menschen angreifen: So tötete 2015 ein Zirkuselefant in Baden-Württemberg einen Spaziergänger, 2016 sorgten ausgebrochene Elefanten in Berlin für Aufsehen. Löwen, Tiger, Elefanten und Co. im Zirkus sind nicht zeitgemäß, darum fordern Tierschützer schon lange ein generelles Verbot von Wildtieren in deutschen Zirkussen.

Damit sind sie nicht alleine – in fast 20 europäischen Ländern gibt es bereits ein teilweises oder vollständiges Verbot, u.a. in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Dänemark, Österreich, Griechenland oder Bulgarien. Auch der deutsche Bundesrat hat sich bereits mehrfach für ein solches Verbot ausgesprochen. Da die Bundesregierung bislang jedoch tatenlos blieb, hat er diese nun nach 2003 und 2011 zum dritten Mal aufgefordert, endlich ein Verbot bestimmter Tierarten im Zirkus auszusprechen. Damit war die Länderkammer einem Vorstoß aus Hessen gefolgt. Fast alle wichtigen deutschen Parteien unterstützen ein Wildtierverbot – lediglich die CDU sträubt sich beharrlich, die Umsetzung zu realisieren. Weil die Entscheidung auf Bundesebene seit Jahren verzögert wird, haben viele Städte und Kommunen unterdessen einen eigenen Weg gefunden, Zirkusse mit Wildtieren nicht mehr willkommen zu heißen. So haben schon mehr als 50 deutsche Städte und Gemeinden entschieden, keinen Raum für Zirkusse mit Wildtieren im Programm mehr zur Verfügung zu stellen. U.a. in Köln, Düsseldorf, München, Stuttgart, Hannover und Schwerin sowie mehreren Bezirken Berlins sind Zirkusbetriebe mit Wildtieren gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt geduldet.

Über 50 Städte geben Zirkussen mit Wildtieren keine Standfläche mehr.

Große, aber vor allem kleine Zirkusunternehmen, die oft seit Generationen als Familienunternehmen existieren, wehren sich vehement gegen die Vorwürfe von Tierschützern. Die Misshandlungen, Verhaltensstörungen und weitere Missstände werden immer wieder dokumentiert, aber die Verantwortlichen sehen nur einzelne „schwarze Schafe“. Sie fürchten um ihre Existenz, und in der Tat ist die Zukunft vor allem der in deutschen Zirkusbetrieben lebenden Wildtiere im Falle eines generellen Verbots ungewiss. Einige von ihnen (z.B. Bären) könnten in Auffangstationen untergebracht werden, Elefanten könnten in Zoos ein Zuhause finden, doch leben Schätzungen zufolge in deutschen Zirkussen noch mehr als 200 Raubkatzen, für deren Unterbringung die Unternehmen dann verantwortlich gemacht werden könnten. Es wundert daher nicht, dass die Schausteller auch vor Gerichtsprozessen nicht zurückschrecken, die Tierschützer mundtot machen sollen.

Allerdings sind auch vor dem Hintergrund des letzten Bundesratsentschlusses zum Thema die Gerichte sensibilisiert, und so entschied erst im letzten Jahr ein Berliner Gericht, dass sich ein großer Zirkusbetrieb den öffentlichen Vorwurf gefallen lassen muss, er würde Tiere quälen – die wegen Verleumdung und übler Nachrede angeklagten Tierschützer wurden freigesprochen. Gleichzeitig gehen viele Zirkusunternehmen mit dem Trend und verzichten bereits vollständig oder zumindest größtenteils auf Tiere. Zu den bekanntesten zählen sicher der Cirque du Soleil oder der Zirkus Flic Flac, doch hat sich unter der Bezeichnung Cirque nouveau (frz. „neuer Zirkus“) bereits eine ganz neue Generation von Unternehmen dem „zeitgenössischen Zirkus“ (ohne Tiere) verschrieben. Dennoch hoffen wir, dass auch die Bundesregierung nun ein Zeichen setzt und Wildtiere im Zirkus endlich generell verbietet.

Jan Peifer