Säugetiere | Tierschutzfälle mit Wildtieren

Berliner Bärenbündnis

Geschichte ohne Happy End: Im Berliner Bezirk Mitte lebten mehrere Bären als lebendes Wahrzeichen in einem kleinen Gefängnis, Berliner Bärenzwinger genannt.

Mit dem Tod des letzten Berliner Bären im Oktober 2015 hat eine unrühmliche Tradition ihr Ende gefunden: der Bärenzwinger soll nicht neu besetzt werden. Foto: © Kai Horstmann

Kein Stadtbär mehr in Berlin

m vergangenen Jahr mussten Berliner Tierschützer einen herben Rückschlag nach dem anderen hinnehmen. Seit Jahren war die Kritik am Berliner Bärenzwinger, in dem zuletzt noch die beiden Bärinnen Maxi und Schnute gelebt hatten, immer lauter geworden. In dem Betonbau in Berlin-Mitte hatten die Bären jeweils nur 8,5 bzw. 11 m2 in den Innengehegen des Zwingers zur Verfügung, in die sie die meiste Zeit eingesperrt waren – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Während der Arbeitszeit der beiden Tierpflegerinnen durften die Bären immerhin auch die zuletzt erweiterte Betonplattform im Außenbereich benutzen.

Zwar hatte der klamme Berliner Bezirk in den letzten Jahren viel Geld in eine Umgestaltung der Anlage gesteckt (zusätzlich zu den laufenden jährlichen Kosten von etwa 100.000 Euro kostete die Anpassung an die Vorgaben des geänderten Säugetiergutachtens rund 20.000 Euro). Während soziale Einrichtungen geschlossen wurden, Sportstätten nicht renoviert und Spielplätze nicht gebaut werden konnten, wollte man am Betrieb des Zwingers unbedingt festhalten. Der Bärenzwinger, der 1939 eröffnet wurde, war den verantwortlichen Politikern als Prestige-Objekt offenbar zu wichtig.

Doch eine Betoninsel mit kleinem Badeteich und Findlingen zur Ablenkung der Tiere kann eine artgerechte Haltung so großer Säugetiere niemals auch nur annähernd ermöglichen. Während ein ausgewachsener Braunbär in freier Wildbahn ein Gebiet von bis zu 20.000 Hektar durchstreift, schwimmt und weite Strecken zurücklegt, blieben den Berliner Bären mit gerade einmal 500 m2 Gesamtfläche nur ein winziger Bruchteil dieses Lebensraums. So wundert es nicht, dass Maxi und ihre Tochter Schnute Verhaltensauffälligkeiten zeigten, wie sie typisch für Tiere in Gefangenschaft sind.

Immer wieder boten verschiedene Organisationen eine Übernahme der Tiere an, um sie in einem Bärenpark unterzubringen und ihnen wenigstens einen Lebensabend in artgerechter Umgebung bieten zu können. Doch aus unerklärlichen Gründen beharrte der zuständige Stadtrat von Berlin-Mitte auf den Bärenzwinger als Wappen von Berlin – die Bären mussten bleiben. Als im Jahr 2013 Schnutes Tochter Maxi im Alter von 27 Jahren starb, wunderte sich niemand wirklich. Doch anstatt diesen überdeutlichen Fingerzeig des Schicksals ernst zu nehmen (unter artgerechten Bedingungen untergebrachte Bären können problemlos 50 Jahre und älter werden), Bärin Schnute in fachkundige Hände von Spezialisten zu geben und sie endlich in einen Bärenpark umzusiedeln, musste Schnute alleine in ihrem Gefängnis ausharren. Eine Umsiedelung sei ihr nicht mehr zuzumuten, so der Amtsveterinär; eine für den Umzug nötige Narkose hätte seinen Angaben nach enorme Risiken für die Gesundheit des Tieres dargestellt. Eine Narkose jedoch wäre nach Ansicht verschiedener Experten gar nicht nötig gewesen, hätte man die Bärin langsam an die Transportbox gewöhnt. Als daraufhin Stimmen laut wurden, die eine Einschläferung der Bärin forderten, attestierte ein erneutes medizinisches Gutachten allerdings überraschend einen dem Alter entsprechend guten Gesundheitszustand: Bärin Schnute hatte mit 34 Jahren das Durchschnittsalter von frei lebenden Bären bereits überschritten.

Schnute lebte mit zwei ausgekugelten Hüftgelenken

Im Oktober 2015 schließlich folgte dann doch die Entscheidung: Die Bärin wurde eingeschläfert, um ihr die Schmerzen einer Arthrose zu ersparen. Wie eine anschließende Obduktion ergab, hatte Schnute nicht nur unter Arthrose gelitten, sondern hatte offenbar unbemerkt mit zwei ausgekugelten Hüftgelenken leben müssen, die ihr wohl starke Schmerzen sowie eine sehr unnatürliche Haltung und Fortbewegung aufgezwungen hatten. Außerdem litt die Bärin unter einer ebenfalls unbemerkten Herzinsuffizienz – höchstwahrscheinlich eine weitere Folge der nicht artgerechten Haltungsbedingungen. Der weitere Verbleib der letzten Stadtbärin ist ungewiss, immerhin soll sie nicht ausgestopft werden wie ihr Artgenosse, der Eisbär Knut. Der einzige Grund zur Freude für Tierschützer und -freunde ist die Ankündigung des Stadtrats Carsten Spallek, den Bärenzwinger nach dem Tod der letzten Bären nicht mehr zu besetzen. So existieren bereits Pläne, die Anlage nahe des märkischen Museums in eine Ausstellungsfläche zu verwandeln. Auch ein Mahnmal oder eine Gedenkstätte für die Berliner Bären sind wohl denkbar und werden vor allem von Tierfreunden gefordert. Mit dem Tod der letzten Berliner Bären hat eine unrühmliche Tradition ihr Ende gefunden. Die lebenden Wappentiere sind nun Geschichte. Wir sind gespannt, wie Berlin seiner letzten Bären gedenken wird, und hoffen, dass sich auch in Zukunft mit der Schließung der Zwingeranlage am Bewusstsein der Verantwortlichen nichts mehr ändern wird.

Am "Bärenbündnis" beteiligte Organisationen

  • aktion tier – menschen für tiere e.V.
  • Albert Schweizer Stiftung
  • animal public e.V.
  • Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.
  • Deutsches Tierschutzbüro e.V.
  • Tasso e.V.

Berlin, 14. Oktober 2015 Schnute ist tot

Am vergangenen Sonntag wurde Bärin Schnute eingeschläfert. In der Pressemitteilung Nr. 481/2015 vom 12.10.2015 des Bezirksamtes Berlin-Mitte heißt es: "Die chronisch-degenerativen Erkrankungen des Gelenkapparates und der stark retardierte Allgemeinzustand waren nicht mehr therapierbar und ließen aus tierschutzrechtlicher Sicht nur das Einschläfern der Braunbärin „Schnute“ zu."

Zusammen mit anderen Tierschutzorganisationen hatte aktion tier sich jahrelang vergeblich darum bemüht, dass die Bären aus ihrem viel zu kleinen Gefängnis in einen artgerechteren Bärenpark umziehen dürfen. Nachdem auch Bärin Maxi verstorben war, lebte Schnute bis zu ihrem Tod alleine im sogenannten "Berliner Bärenzwinger". Sie wurde 34 Jahre alt.

Jan Peifer, Dezember 2013 Über das Berliner Bärenbündnis

Als 1939 der Bärenzwinger im Berliner Bezirk Mitte eröffnet wurde, wurde er mit fünf Bären besetzt. Vier von ihnen überlebten den Krieg nicht, doch folgten immer neue Tiere. Auch heute ist der Bär das berühmte Wappenzeichen von Berlin, doch was viele nicht wissen: Noch immer, fast 70 Jahre nach der Einweihung, wird die Zwingeranlage genutzt. Heute lebt Braunbärin Schnute alleine hier, ihre Tochter Maxi ist vor wenigen Monaten gestorben. Ihr Tod war für das Berliner Bären- bündnis (an dem sich auch aktion tier beteiligt) und viele Tierschützer ein großer Schock: Monatelang haben wir gemeinsam für eine Schließung des Zwingers gekämpft. 

Tierschützer vom Berliner Bärenbündnis haben über 20.000 Unterschriften gesammelt und dem zuständigen Bürgermeister überreicht, mit vielen medienwirksamen Aktionen haben Tierschutzaktivisten die Öffentlichkeit auf die vergessenen Bären aufmerksam gemacht und dabei große Unterstützung erfahren. Obwohl gleich mehrere Auffangstationen im In- und Ausland eine Aufnahme der Bären angeboten hatten, waren die Verantwortlichen lange nicht bereit, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Erst als bekannt wurde, dass für den Betrieb der Zwingeranlage jährlich über 90.000 Euro ausgegeben werden müssen, schien sich angesichts der klammen Haushaltslage des Bezirks etwas zu bewegen. Nachdem sich der Bezirk jahrelang gesträubt hatte, wurde nun die Transportfähigkeit der Tiere geprüft – mit negativem Ergebnis. Die wirtschaftliche Lage des Berliner Bezirks war so angespannt, dass soziale Einrichtungen geschlossen wurden, Sportstätten nicht renoviert und Spielplätze nicht gebaut werden konnten – am Betrieb der Zwingeranlage aber wollte man dennoch festhalten. Die Begründung der Veterinäre: Eine für den Umzug nötige Narkose hätte enorme Risiken für die Gesundheit der Tiere dargestellt. Eine Narkose jedoch wäre nach Ansicht verschiedener Experten gar nicht nötig gewesen, hätte man die Bären langsam an die Transportboxen gewöhnt.