Kein Stadtbär mehr in Berlin
m vergangenen Jahr mussten Berliner Tierschützer einen herben Rückschlag nach dem anderen hinnehmen. Seit Jahren war die Kritik am Berliner Bärenzwinger, in dem zuletzt noch die beiden Bärinnen Maxi und Schnute gelebt hatten, immer lauter geworden. In dem Betonbau in Berlin-Mitte hatten die Bären jeweils nur 8,5 bzw. 11 m2 in den Innengehegen des Zwingers zur Verfügung, in die sie die meiste Zeit eingesperrt waren – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Während der Arbeitszeit der beiden Tierpflegerinnen durften die Bären immerhin auch die zuletzt erweiterte Betonplattform im Außenbereich benutzen.
Zwar hatte der klamme Berliner Bezirk in den letzten Jahren viel Geld in eine Umgestaltung der Anlage gesteckt (zusätzlich zu den laufenden jährlichen Kosten von etwa 100.000 Euro kostete die Anpassung an die Vorgaben des geänderten Säugetiergutachtens rund 20.000 Euro). Während soziale Einrichtungen geschlossen wurden, Sportstätten nicht renoviert und Spielplätze nicht gebaut werden konnten, wollte man am Betrieb des Zwingers unbedingt festhalten. Der Bärenzwinger, der 1939 eröffnet wurde, war den verantwortlichen Politikern als Prestige-Objekt offenbar zu wichtig.
Doch eine Betoninsel mit kleinem Badeteich und Findlingen zur Ablenkung der Tiere kann eine artgerechte Haltung so großer Säugetiere niemals auch nur annähernd ermöglichen. Während ein ausgewachsener Braunbär in freier Wildbahn ein Gebiet von bis zu 20.000 Hektar durchstreift, schwimmt und weite Strecken zurücklegt, blieben den Berliner Bären mit gerade einmal 500 m2 Gesamtfläche nur ein winziger Bruchteil dieses Lebensraums. So wundert es nicht, dass Maxi und ihre Tochter Schnute Verhaltensauffälligkeiten zeigten, wie sie typisch für Tiere in Gefangenschaft sind.
Immer wieder boten verschiedene Organisationen eine Übernahme der Tiere an, um sie in einem Bärenpark unterzubringen und ihnen wenigstens einen Lebensabend in artgerechter Umgebung bieten zu können. Doch aus unerklärlichen Gründen beharrte der zuständige Stadtrat von Berlin-Mitte auf den Bärenzwinger als Wappen von Berlin – die Bären mussten bleiben. Als im Jahr 2013 Schnutes Tochter Maxi im Alter von 27 Jahren starb, wunderte sich niemand wirklich. Doch anstatt diesen überdeutlichen Fingerzeig des Schicksals ernst zu nehmen (unter artgerechten Bedingungen untergebrachte Bären können problemlos 50 Jahre und älter werden), Bärin Schnute in fachkundige Hände von Spezialisten zu geben und sie endlich in einen Bärenpark umzusiedeln, musste Schnute alleine in ihrem Gefängnis ausharren. Eine Umsiedelung sei ihr nicht mehr zuzumuten, so der Amtsveterinär; eine für den Umzug nötige Narkose hätte seinen Angaben nach enorme Risiken für die Gesundheit des Tieres dargestellt. Eine Narkose jedoch wäre nach Ansicht verschiedener Experten gar nicht nötig gewesen, hätte man die Bärin langsam an die Transportbox gewöhnt. Als daraufhin Stimmen laut wurden, die eine Einschläferung der Bärin forderten, attestierte ein erneutes medizinisches Gutachten allerdings überraschend einen dem Alter entsprechend guten Gesundheitszustand: Bärin Schnute hatte mit 34 Jahren das Durchschnittsalter von frei lebenden Bären bereits überschritten.
Schnute lebte mit zwei ausgekugelten Hüftgelenken
Im Oktober 2015 schließlich folgte dann doch die Entscheidung: Die Bärin wurde eingeschläfert, um ihr die Schmerzen einer Arthrose zu ersparen. Wie eine anschließende Obduktion ergab, hatte Schnute nicht nur unter Arthrose gelitten, sondern hatte offenbar unbemerkt mit zwei ausgekugelten Hüftgelenken leben müssen, die ihr wohl starke Schmerzen sowie eine sehr unnatürliche Haltung und Fortbewegung aufgezwungen hatten. Außerdem litt die Bärin unter einer ebenfalls unbemerkten Herzinsuffizienz – höchstwahrscheinlich eine weitere Folge der nicht artgerechten Haltungsbedingungen. Der weitere Verbleib der letzten Stadtbärin ist ungewiss, immerhin soll sie nicht ausgestopft werden wie ihr Artgenosse, der Eisbär Knut. Der einzige Grund zur Freude für Tierschützer und -freunde ist die Ankündigung des Stadtrats Carsten Spallek, den Bärenzwinger nach dem Tod der letzten Bären nicht mehr zu besetzen. So existieren bereits Pläne, die Anlage nahe des märkischen Museums in eine Ausstellungsfläche zu verwandeln. Auch ein Mahnmal oder eine Gedenkstätte für die Berliner Bären sind wohl denkbar und werden vor allem von Tierfreunden gefordert. Mit dem Tod der letzten Berliner Bären hat eine unrühmliche Tradition ihr Ende gefunden. Die lebenden Wappentiere sind nun Geschichte. Wir sind gespannt, wie Berlin seiner letzten Bären gedenken wird, und hoffen, dass sich auch in Zukunft mit der Schließung der Zwingeranlage am Bewusstsein der Verantwortlichen nichts mehr ändern wird.