Pressemitteilung

Das Gadhimai-Festival 2014

Das größte Tieropfer-Festival der Welt, das Gadhimai-Festival im nepalesischen Bariyarpur, beruht auf einer 900-jährigen Legende: Gadhi Mai, die Göttin der Kraft, soll zur Besänftigung ein Menschenopfer gefordert haben. Die Menschen weigerten sich – und opferten stattdessen fünf Tropfen Blut, zudem fünf Tiere: einen Büffel, einen Hahn, eine Ratte, eine Taube und eine Ziege. Dieses Ritual eröffnet bis heute alle fünf Jahre das blutige Schlachtfest im Distrikt Bara, nahe der Grenze zwischen Nepal und Indien.

Viele Tiere kommen trotz Verbot zu Opferzwecken aus Indien. Foto: © Kai Horstmann

An zwei Tagen Ende November wurden über 100.000 Tiere geschlachtet, wie Mangal Chaudhary, oberster Priester des Tempels in Bariyarpur, einer Nachrichtenagentur berichtete. Geopfert werden nur männliche, unkastrierte Tiere – vor allem Büffel. Mit der Schlachtung von 6.000 Büffeln nahezu gleichzeitig wurde das große Schlachten, welches den Höhepunkt einer einmonatigen Feier bildet, auch im vergangenen Jahr eingeleitet. Zehntausende Ziegen, Schweine, Lämmer und Geflügel wurden anschließend geopfert. Ein eigens abgestecktes und umzäuntes Feld lieferte die Kulisse eines Schlachtfeldes im wahrsten Wortsinne: Wie Augenzeugen berichten, sind die wenigsten der etwa 300 mit der Schlachtung beschäftigten Männer in der Lage, die Tiere zumindest fachgerecht zu töten. Bis zu 25 Hiebe mit der Machete wurden mitgezählt – um die Tiere bewegungsunfähig zu machen, wurden ihnen Zeugenberichten zufolge häufig erst die Hinterbeine abgeschlagen, anschließend der Kopf abgehackt oder die Kehle aufgeschlitzt. Bis zu den Knöcheln reichte das Blut auf dem mit Tierkörpern übersäten Feld – dennoch habe eine Stimmung wie beim Karneval geherrscht, berichteten Teilnehmer.

Besonders perfide an der barbarischen Tradition: Trotz weltweiter Kritik beharrt Nepals Regierung mit der Begründung der Ausübung von religiöser Freiheit des Einzelnen auf der Beibehaltung des Opferfestes – doch Tieropfer sind eigentlich wie jede Gewalttat insbesondere im orthodoxen Hinduismus verpönt. Nicht nur von Tierschützern, auch von Wissenschaft und Politik müssen sich die Obrigkeiten vorwerfen lassen, die Religion als Vorwand zu missbrauchen. Es gibt keine offiziellen Zahlen, doch wird geschätzt, dass das Festival 2014 von drei bis fünf Millionen Menschen besucht wurde. Etwa 70 % der Besucher kamen dabei aus dem benachbarten Indien, wo Tieropfer verboten sind. Auch die Ausfuhr von Tieren zu Opferzwecken ist hier untersagt, tausende Tiere konnten schon auf dem Weg nach Nepal sichergestellt werden. Dennoch brachten auch im vergangenen Jahr etliche Tausend Teilnehmer ihre Opfertiere aus Indien mit, um bei den Göttern mit ihnen um Beistand zu bitten. Nachdem 2009 nach weltweiter Berichterstattung internationaler Protest laut geworden war, hatten die Behörden wohl aus Angst vor negativen Schlagzeilen in Sorge um den Profit, den die Millionen Besucher der armen Gegend bringen sollen, Bild- und Videoaufnahmen 2014 verboten. Der Tourismus anlässlich des Festes ist der jährliche Höhepunkt für das kleine Bariyarpur, welches nur rund 1.000 Haushalte mit insgesamt etwa 7.000 Einwohnern zählt. Deshalb setzen insbesondere Tierschützer, aber auch oppositionelle Politiker in Indien und Nepal auf eine zielstrebige Öffentlichkeitsarbeit, um ein Umdenken zu erreichen.

Im Wiederspruch zum friedliebenden Hinduismus

Es ist zwar nur ein kleiner Erfolg, aber immerhin: Nachdem 2009 noch über 300.000 (möglicherweise sogar noch weitaus mehr) Tiere anlässlich des Festivals geopfert wurden, waren es 2014 „nur“ noch etwa 100.000. Nichtsdestotrotz darf nicht vergessen werden, dass das Gadhimai- Festival zwar das größte seiner Art ist, längst jedoch nicht der einzige Ort, an dem in Nepal Tiere geopfert werden. So werden etwa an der berühmten Dakshinkali-Grube südlich von Kathmandu das ganze Jahr über jede Woche Hunderte Ziegen, Schweine und Hühner geopfert, um das Wohlwollen der Göttin Kali zu erlangen. Über 400.000 Pilger und Besucher werden hier jährlich gezählt, der Wallfahrtsort fehlt wohl in keinem Reiseführer. Sicher werden Verbote von Tieropfern ebenso schwer durchsetzbar sein wie die Kontrolle ihrer Einhaltung. Sehr viel mehr Aussicht auf Erfolg sollte die Aufklärung haben, insbesondere unter Bezug auf die so friedliebende Religion des Hinduismus, die Vegetarismus und Gewaltverzicht als Zeichen von Reinheit verehrt. Für Tierschutzorganisationen weltweit ist sie die stärkste Waffe, das nächste Festival 2019 zu verhindern.

Jan Peifer