Hauskaninchen | Ratgeber Tiermedizin

Die Sternenguckerkrankheit

Lieblich hört sie sich an, diese leider sehr häufig auftretende Krankheit der Kaninchen. Doch in der Realität ist sie alles andere als schnuckelig. Auslöser ist ein Krankheitserreger mit dem schwer auszusprechenden Namen Encephalitozoon cuniculi, der Einfachheit halber in der Folge EC genannt. Genauso schwer, wie die Aussprache des Namens, ist es, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Die Therapie geht über Wochen und verläuft oft unbefriedigend. Experten schätzen, dass bis zu 40% aller Tiere in Deutschland mit EC infiziert sind.

Kaninchen mit Sternenguckerkrankheit
Kaninchen mit Sternenguckerkrankheit zeigen oft eine unnatürliche Versteifung des Halses, wodurch ihr Kopf ständig nach oben gerichtet ist. Die Krankheit kann zu einem Mangel an Koordination führen, und einige Kaninchen machen unkontrollierte und schnelle Augenbewegungen (Nystagmus). Die Tiere können ängstlicher, nervöser oder desorientiert wirken und sich möglicherweise zurückziehen. Foto: © Dr. Tina Hölscher, aktion tier

Der Name rührt von der verdrehten Kopfhaltung, die betroffene Tiere zeigen. Die Kaninchen scheinen gen Himmel zu blicken und nach Sternen zu suchen. Diese Schiefhaltung ist das am häufigsten anzutreffende Symptom. Ursache dafür ist, dass der Krankheitserreger, ein parasitärer Einzeller, vor allem die Zellen des Nervensystems und hier vor allem die des Gehirns befällt. Darüber hinaus siedelt er sich aber auch in den Nieren und anderen Organen an.

Außerhalb der Wirtszellen nimmt er die Form einer Spore an. Das kann man sich als eine Art widerstandsfähiges Samenkorn vorstellen, das in der Lage ist, so lange in der Umgebung zu überleben, bis es von einem neuen Wirtstier aufgenommen wird und dort in dessen Zellen eindringt. Ins Freie gelangt der Parasit wiederum über den Absatz von Urin. Anstecken tun sich also bis dato gesunde Tiere über den Kontakt an den Ausscheidungen infizierter Kaninchen. Außerhalb des Tierkörpers bleibt der Erreger in unseren Gefilden über Wochen infektiös.

Doch wie erkenne ich nun, ob mein Kaninchen an EC erkrankt ist?

Neben der charakteristischen Kopfschiefhaltung kommen auch Lähmungserscheinungen der Hintergliedmaßen, Störungen des Bewegungsablaufes oder auch Augenentzündungen vor. Schielen, Augenzittern, vermehrter Durst, Orientierungslosigkeit und stumpfes Fell können weitere Anzeichen sein. Am eindeutigsten lässt sich die akute Krankheit durch den direkten Erregernachweis diagnostizieren. Dies erfolgt mittels einer Untersuchung des Urins oder des befallenen Gewebes. Letzteres ist naturgemäß problematisch. Schließlich kann man vom Gehirn schwerlich ein kleines Stück entnehmen.

Blutuntersuchungen decken zwar auf, ob das Tier in der Vergangenheit Kontakt mit dem Erreger hatte, aber sie sind nicht in der Lage, den Krankheitskeim an sich nachzuweisen. Somit kann man mit Hilfe des Blutes auch nicht eindeutig sagen, ob die aktuellen Symptome von einer in diesem konkreten Moment ablaufenden Infektion herrühren. Momentan ist zudem ein Schnelltest für die Blutuntersuchung in der Endphase der Entwicklung, doch ab wann dieser in der Praxis verfügbar ist, ist nicht bekannt.

Eine Encephalitozoonose ist sehr ansteckend. Erkrankt ein Tier einer Gruppe, sollte man es trotzdem nicht trennen, da die Partnertiere dann sowieso schon infiziert sind. Allerdings bricht nicht bei jedem Tier die Krankheit auch zwingend aus. Vor allem schwächere oder ältere Tiere sowie Kaninchen mit Vorerkrankungen sind die, die echte Symptome zeigen. Das bedeutet aber, dass man in eine derartige Gruppe auch nur neue Tiere dazu setzen sollte, die durch eine Blutuntersuchung ohnehin schon positiv auf den Erreger getestet wurden. Hier macht die Blutuntersuchung also Sinn. So verhindert man, dass gesunde Tiere sich mit dem Erreger infizieren. Umgekehrt, hat man einen gesunden ECfreien Bestand, sollte keinesfalls ein Kaninchen, das EC-Träger ist, hinzugesetzt werden. Folglich muss jedes Kaninchen zuerst auf EC getestet werden, bevor man es in irgendeine Gruppe setzt!

Besteht ein Verdacht, heißt es, möglichst schnell mit einer Therapie beginnen.

Je früher diese eingeleitet wird, umso größer ist die Chance auf weitgehende Heilung. Therapiert wird mit einer Paste, die täglich verabreicht wird. In schlimmen Fällen kann es notwendig sein, zusätzlich ein Antibiotikum zu geben. Darüber hinaus ist eine stressarme Umgebung und liebevolle Fürsorge ein wichtiger Pfeiler der Behandlung. Alles, was das Immunsystem stärkt, ist erlaubt. Isoliert werden sollte das betroffene Tier wie gesagt auf keinen Fall. Das würde das Unwohlsein nur verstärken und damit die Heilungschancen verringern.

Die genaue Ursache der Sternenguckerkrankheit bei Kaninchen ist nicht vollständig verstanden. Es wird vermutet, dass es sich um eine neurologische Erkrankung handelt, die durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden kann. Es wird angenommen, dass bestimmte Rassen oder genetische Linien anfälliger für die Entwicklung der Sternenguckerkrankheit sein können. Bestimmte virale oder bakterielle Infektionen können das Nervensystem beeinflussen und zu neurologischen Störungen führen, einschließlich der Sternenguckerkrankheit. Auch Kopfverletzungen oder andere traumatische Ereignisse können zu Schäden im Gehirn führen und die Entwicklung der Krankheit begünstigen. Externe Faktoren wie toxische Substanzen, Futtermittelunverträglichkeiten oder Mangelernährung können das Nervensystem beeinträchtigen und zur Entstehung der Krankheit beitragen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass es sich bei der Erkrankung um eine Zoonose handelt. Sie ist also auf den Menschen übertragbar.

Jedoch sind hier nur Personen mit einem eingeschränkten Immunsystem gefährdet. Hierzu gehören Patienten, die gerade eine Chemotherapie durchmachen, mit HIV infiziert sind oder auch sehr alte, gebrechliche Menschen. Es ist ratsam, Kontakte zwischen diesem Personenkreis und infizierten Kaninchen zu unterbinden. Bleibt zu hoffen, dass die Medizin voranschreitet und ein Kraut findet, das diesem Erreger endgültig den Garaus machen kann.