Wildtierauffangstation Rastede

Erfolgreiche Rehabilitation eines Seeadlers

Ein Spaziergänger beobachtete am 9. Mai letzten Jahres zwischen Bremerhaven und Cuxhaven einen Revierkampf zweier Seeadler. Während zunächst alles normal schien, kollidierte einer der Seeadler plötzlich mit einem Rotorblatt einer Windkraftanlage und stürzte verletzt zu Boden. Der aufmerksame Beobachter setzte sich daraufhin umgehend mit der Projektgruppe Seeadlerschutz sowie mit uns in Verbindung. Am Unfallort konnte der Seeadler direkt aufgefunden, geborgen und sicher zu uns gebracht werden, wo er umgehend betreut wurde.

Der Seeadler während seiner Rehabilitation in der Wildtierstation Rastede
Der Seeadler während seiner Rehabilitation in der Wildtierstation Rastede. Der Flügel weist eine normale Haltung auf, und der Seeadler beginnt sich zu erholen. Foto: aktion tier – Wildtierstation Rastede

Nach erster Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich um ein männliches Tier von etwa fünf Jahren handelte. Da das feste Revierpaar des Gebietes zuvor bereits gesichtet werden konnte, wurde deutlich, dass es sich hierbei um ein revierfremdes Tier handelte. Auffällig war der rechte Flügel, der deutlich vom Körper abgeneigt war, jedoch keine offenen Verletzungen aufwies. Auf direktem Weg wurde der Seeadler dann zu dem fachkundigen Tierarzt Dr. Wilken in seine tierärztliche Praxis in Ofen gebracht, damit eine Untersuchung stattfinden, sowie ein Röntgenbild angefertigt werden konnte. Auf dem Röntgenbild waren dann eine Fraktur der Elle und Speiche, sowie eine zusätzliche Fissur an der Elle zu erkennen. Aufgrund der Nähe der Verletzung zum Handwurzelgelenk wurde die Prognose als schlecht eingestuft mit der Befürchtung, dass der Vogel lebenslänglich flugunfähig bleiben würde und somit gegebenenfalls euthanasiert werden müsse. Nach weiterer ausführlicher Anamnese und Beratung entschlossen wir uns gemeinsam mit Dr. Wilken, eine sofortige Operation durchzuführen. Die Speiche wurde dabei mit einer sogenannten Marknagelung unterstützt und der Bruch an der Elle mit einer Knochenplatte überbrückt. Die Fissur wurde so belassen, da diese durch Ruhigstellung der Schwinge von allein ausheilen kann. Die Operation dauerte insgesamt 2,5 Stunden und verlief komplikationslos.

Bereits wenige Tage nach der Operation wurde sichtbar, dass es die richtige Entscheidung war. Das Tier zeigte deutlich Lebenswillen, tolerierte das Futter, und die neue Stabilität des Flügels machte sich durch eine nun wieder physiologische Haltung am Körper des Tieres bemerkbar. Schon sechs Wochen nach der Operation zeigte eine erneute Röntgenaufnahme, dass der Bruch schön verheilt war, sodass der Marknagel operativ entfernt werden konnte. Die Platte, die an sieben Stellen mit dem Knochen verschraubt ist, konnte im Flügel belassen werden, da sie mit einem Gewicht von nur rund fünf Gramm das Fliegen nicht beeinflussen würde.

Nach erfolgreicher Mauser und dem Anbringen eines solarbetriebenen GPS-Senders, konnte der Seeadler am 05.11.2020 in Dangast am Jadebusen dann wieder in die Freiheit entlassen werden.

Streckenverlauf bis 06.01.2021
Streckenverlauf bis 06.01.2021 – Die blauen Linien auf der Karte zeigen den Streckenverlauf des Seeadlers der ersten Wochen in Freiheit. Durch die Umprogrammierung des Senders sind teilweise nur noch kleinere Streckenabschnitte zu sehen. Foto: Google Maps

Dieser Standort wurde bewusst gewählt, da dort bislang keine Revierbesetzung vorliegt, das Deichvorland mit etwas Baumbestand ein ideales Habitat für den Seeadler darstellt und außerdem ein ausreichender Beutebestand an Fisch und Wassergeflügel besteht. Der erste Flug in freier Wildbahn verlief noch sehr flach, und der Seeadler gewann kaum an Höhe, sodass dieser zunächst auf dem Deich zwischenlandete. Nach etwa einer Stunde bewegte sich der Seeadler weiter zu den Salzwiesen, wo er die Nacht auf einem drei Meter hohen Holzpfahl verbrachte. Es war deutlich zu sehen, dass sich die Muskulatur, allen voran die Flugmuskulatur, in den Monaten während der Rehabilitation abgebaut hat und nun erst einmal wieder aufgebaut werden muss.

Anhand der GPS-Daten war nun erfreulicherweise zu beobachten, dass die Flugstrecken täglich etwas länger wurden. Der Seeadler nahm zunächst eine Flugroute in Richtung nord-osten am Jadebusen entlang. Er verweilte dann längere Zeit bei Schwei und Sehestedt, bevor er weiter nach Nordenham und Burhave, über die Weser bis zum Landkreis Cuxhaven zog. Die letzte Meldung zeigt nun eine Rückkehr zum Jadebusen an. Um Strom zu sparen und die Lebensdauer des Senders zu verlängern, wurde das Signal umprogrammiert, sodass es nur noch einmal am Tag sendet. Dadurch lassen sich nur noch kleinere Bewegungsmuster erkennen, jedoch ist jede Bewegung für uns ein positives Lebenszeichen.

Leider gibt es auch hier Tiere, die einen solchen Unfall nicht überstehen. Ein weiteres, ähnliches Schicksal erreicht uns Ende Februar dieses Jahres, als wir einen Anruf aus den Niederlanden bekamen. Dort wurden 2019 vier junge Seeadler beringt und besendert. Leider konnten bei einem Tier anhand der GPS-Daten keine Bewegungen mehr nachvollzogen werden, weshalb wir gebeten wurden, die Umgebung des letzten Standortes genauer zu untersuchen. In diesem Fall konnte leider nur noch der zweigeteilte Kadaver des Tieres unter einer Windkraftanlage geborgen werden.

Ob der Seeadler dieses Gebiet letztendlich als sein Revier anerkennt und dort eventuell sogar mit einem Weibchen zusammen brüten wird, wird sich erst im kommenden Jahr zeigen. Wir freuen uns sehr über die erfolgreiche Auswilderung und die immer neuen Fortschritte, die der Seeadler tagtäglich macht.

Seeadler gehören zu den größten Greifvögeln Mitteleuropas und erreichen eine Körperlänge von 74 bis 92 Zentimetern und eine Flügelspannweite von 193 bis 244 Zentimetern. Die IUCN (International Union for Conservation of Nature) hat den Seeadler bis 1993 als „gefährdet“ geführt, 1994 wurde die Art wegen der Bestandszunahmen auf „gering gefährdet“ und 2005 auf „nicht gefährdet“ heruntergestuft. In einigen Bundesländern ist der Seeadler seit 2015 allerdings als „stark gefährdet“ eingestuft worden.

Ein Hinweis von Alexandra Pfitzmann Todesgefahr durch Windkraftanlagen

In Deutschland gibt es etwa 30.000 Windkraftanlagen. Wenn es um das Erreichen der gesetzten Klimaschutzziele geht, müssten noch sehr viel mehr gebaut werden. Fatal ist, dass leider sehr viele Vögel mit den für sie nicht berechenbaren Rotorblättern der Anlagen kollidieren.

Hier sind es vor allem die Greifvögel, die gefährdet sind, da sie beim Flug meist nach unten, auf der Suche nach Beute, sehen. Eine zentrale Datensammlung der Vogelschutzwarte im Land Brandenburg ergab folgende Zahlen: Von 2002-2017 wurden ca. 500 Mäusebussarde und ca. 400 Rotmilane gezählt, die tot unterhalb von Windkraftanlagen gefunden wurden. Schlimm vor allem, weil der Rotmilan zu den besonders schützenswerten Vögeln gehört. Neben diesen Kollisionsopfern gab es zwischen 2002-2017 insgesamt 3550 gezählte Kollisionsopfer aller Vogel-Arten. Auch Adler und Störche. Es ist anzunehmen, dass es noch sehr viel mehr tote Vögel gab (und gibt), da sicherlich nicht alle toten Tiere gefunden und gezählt werden konnten.

Um diese immense Gefahr für Vögel anzuwenden, wurden mittlerweile sogenannte Schutzzonen eingerichtet. Somit müssen bei jeder Beantragung einer Baugenehmigung einer Windkraftanlage auch die Vögel berücksichtigt werden. Es muss geprüft werden, wie weit ein Vogelhorst (Nest) von der gewünschten Baustelle entfernt ist, ob es Brutplätze in der Nähe gibt. Zudem werden alle Vögel (und übrigens auch Fledermäuse) der Region gezählt. Das sogenannte Helgoländer Papier, herausgegeben von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW), regelt wie weit ein Horst von einem Windrad entfernt sein darf. Für die meisten Vogelarten liegt der Mindestabstand bei 1.000 Metern und mehr zu einem Horst