Die meisten Verbraucher stellen sich beim Gedanken an Kaninchen wohl muntere Tiere vor, die über üppige grüne Wiesen hoppeln, Männchen machen, Tunnel graben und sich wohlfühlen. Kaninchenfleisch jedoch, was in Deutschland und Europa verkauft wird, kommt nicht von idyllischen Bauernhöfen. Woher es wirklich stammt, bleibt für den Verbraucher meist verborgen.
Bildaufnahmen, die seit einigen Jahren in Deutschland entstanden, zeigen deutlich, wie es zugeht in Kaninchenmastbetrieben. Unter katastrophalen Bedingungen wird hier Kaninchenfleisch produziert: Die Industrialisierung hat vor der Kaninchenmast nicht haltgemacht; in dunklen Hallen werden Mastkaninchen in engen Drahtgitterkäfigen gehalten, Tageslicht kriegen die Tiere selten zu sehen. Unter den Käfigreihen türmen sich Berge aus Futterresten, Kot und Schmutz, der beißende Gestank von Ammoniak liegt in der Luft. Viele Tiere sind krank oder verletzt, bis zu 50 % sterben noch vor Ende der Mastperiode an den Folgen der tierquälerischen Haltung. Nachdem Österreich und die Schweiz die Käfighaltung längst verboten haben (und in der Schweiz Kaninchenfleisch aus deutscher Käfigmast nur mit dem Warnhinweis „aus in der Schweiz nicht zugelassener Haltungsform“ verkauft werden darf), bewegt sich nun auch in Deutschland endlich etwas: Im August wurde die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um einen Abschnitt zur Haltung von Kaninchen ergänzt. Sie regelt nun die Mindestgröße und Beschaffenheit des Bodens der „Haltungseinrichtung“, schreibt Rückzugsmöglichkeiten vor und stellt erstmals auch Mindestvorgaben für die Betreuung und Pflege der Tiere auf, die über die allgemeinen Vorgaben des Tierschutzgesetzes hinausgehen. So dürfen Mastkaninchen nicht mehr isoliert gehalten werden, jedem Tier müssen mindestens 1500 cm2 und außerdem eine Rückzugsfläche von mindestens 30 x 50 cm zur Verfügung stehen. Allerdings ist die Käfighaltung nicht explizit verboten – und dies ist aus Tierschutzsicht nicht hinnehmbar. Auch hätten wir uns eine Freilandhaltung als verbindliche gesetzliche Regelung gewünscht, denn ein Leben auf Gitterböden kann nicht artgerecht sein. Auch wenn es eigentlich selbstverständlich sein sollte, so ist dennoch positiv zu bewerten, dass jedem Tier neben ständigem Zugang zu Wasser auch Raufutter wie Stroh oder Heu und geeignetes Nagematerial verfügbar sein muss. Ein entscheidender Punkt der Verordnung: Erstmals sind nun Grenzwerte für den Gehalt von Ammoniak und Kohlendioxid in der Luft vorgesehen, für deren Einhaltung eine tägliche Entfernung der Ausscheidungen der Tiere nötig und vorgeschrieben ist. Auch an die Sachkunde des Mästers werden erstmals Anforderungen gestellt, eine theoretische und praktische Prüfung soll diese belegen. Zukünftig müssen Mäster mindestens zweimal pro Tag Kontrollen durchführen und diese auch dokumentieren, eine ständige tierärztliche Betreuung muss sichergestellt sein. Insbesondere die Sterblichkeitsquote muss genau dokumentiert werden, ab einem Wert von 10 % sind nach tierärztlicher Feststellung der Ursache „Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Mastkaninchen“ durchzuführen.
Insgesamt soll die Verordnung nicht nur dem Tierschutz Rechnung tragen, sondern auch für mehr Transparenz und bessere Kontrollmöglichkeiten der Betriebe durch die Behörden sorgen. Sie ist damit eine – wenn auch späte – klare Reaktion auf etliche Skandale in der Vergangenheit. Immer wieder hatten Tierschützer auf die skandalösen Missstände in der Kaninchenmast hingewiesen; das Tierschutzbündnis „Kaninchenmast, nein danke“ hatte das Thema wiederholt in die Medien gebracht. Regelmäßig sorgte dies für die Auslistung von Kaninchenfleisch in den großen Supermärkten und Discountern. Auch wenn zu begrüßen ist, dass mit der neuen Verordnung Haltungsbedingungen für Mastkaninchen erstmals gesetzlich vorgegeben sind, werden wir die Entwicklung der Kaninchenmast in Deutschland weiter kritisch beobachten – und Missstände öffentlich machen. Die Verordnung trat im August in Kraft und gilt ab sofort als Grundlage zur Genehmigung neuer Betriebe. Für alle bestehenden Betriebe gilt allerdings eine fünfjährige, in bestimmten Fällen sogar zehnjährige Übergangsfrist. Als Fazit bleibt nur zu sagen, die Politik hat es offenbar gut gemeint – ist dann aber offenbar am Widerstand der Kaninchenfleisch- Lobbyisten gescheitert, was jetzt gesetzlich gilt, hilft den meisten Kaninchen nicht, und solange eine Käfighaltung erlaubt ist, wird es Protest von Tierschützern geben – zu Recht!