Haushunde

Hunde retten

Vielleicht geht es nur mir so. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein immer höherer Anteil an Hundebesitzern sein Tier nicht etwa schnöde und profan aus einem Tierheim adoptiert hat, sondern dieses von den Betreffenden „gerettet“ wurde. Zumindest wird dieser Begriff meines Erachtens nach immer häufiger in der Darstellung gewählt, sollte man sich für die Herkunft des Tieres interessieren.

Die fortwährende Vermehrung der Hunde in den Brennpunkten des Tierleids sorgt immer weiter für Nachschub auch in deutschen Tierheimen. Foto: N01Z / Lizenz: CC0 1.0 Universell CC0 1.0

Auf nähere Nachfrage wird dann die Geschichte des Hundes als die eines Straßenhundes aus Süd- oder Osteuropa erzählt, der aus katastrophalen Lebensumständen oder gar in letzter Minute aus einer Tötungsstation errettet wurde und dann von wohlmeinenden Menschen seinen Weg nach Deutschland antreten konnte. Nunmehr hat das Tier ein neues Zuhause gefunden und wurde, logisch, damit „errettet“. 

Nun hat man in der Regel keine Möglichkeit, den tatsächlichen Weg dieses Hundes in das gelobte Land zu überprüfen. Auch wird jeder, der jemals in den Ländern des ehemaligen Ostblocks gewesen ist, der Schilderung der dortigen unzumutbaren Zustände voll und ganz zustimmen. Dennoch kann ich mich zumindest des Eindrucks nicht erwehren, dass entweder sich die Anzahl der aus dem Ausland kommenden Hunde deutlich erhöht hat oder aber sich die Vermittlung eines Hundes deutlich dadurch erleichtert, wenn diesem eine entsprechend traurige Geschichte mit auf den Weg gegeben wird. Oder aber vielleicht sogar beides…

Beginnt man sich mit dem Thema Auslandstierschutz zu befassen, bekommt man sehr schnell das Bild eines völlig unübersichtlichen und offenbar unkoordinierten Handelns überwiegend westeuropäischer Tierschutzvereine. Wobei selbst diese Einschätzung unzutreffend ist, da man in vielen Fällen nicht einmal abgrenzen kann, ob es sich um einen Verein, eine Privatinitiative oder aber gar um Hundehändler handelt. Einig sind sich die Betreffenden nur in der Schilderung untragbarer Zustände, aus denen heraus die Tiere „gerettet“ werden müssen.

 Mir persönlich ist nur eine Handvoll von Projekten bekannt, deren Wirken darauf abzielt, die Zustände vor Ort nachhaltig zu verändern. Meistens geht es lediglich um die Verbringung der Tiere von Süd-/Osteuropa nach Nord-/Westeuropa, um diese dort an neue Besitzer zu vermitteln. Kastrationsaktionen vor Ort, Verhandlungen mit Politikern vor Ort oder andere, im Ursprungslang wirkende Aktivitäten sind zumeist nicht zu finden. Kritik zumeist auch nicht, denn letztlich wird auch hierzulande die Sichtweise eines sinnvollen Tierschutzes in der Versorgung einer möglichst großen Anzahl von Tieren gesehen und immer wieder aufs Neue dargestellt.

Veränderungen erlangt man dadurch nicht. Die fortwährende Vermehrung der Hunde in den Brennpunkten des Tierleids sorgt im Gegenteil immer weiter für Nachschub auch in deutschen Tierheimen. Gänzlich traurig ist man darüber nicht, denn auf diesem Wege kann der Nachfrage aus der Bevölkerung nach dem zumeist gewünschten „Hundetypus“ auch entsprochen werden. Und gleichzeitig kann man den neuen Besitzer ein besonders gutes Gefühl vermitteln, da man nicht nur einen Tierheimhund übernommen hat, sondern zudem auch noch eine lebensrettende Handlung vorgenommen hat.

Zu negativ gesehen?

Möglicherweise, aber dennoch durch eine Vielzahl von Beispielen zu belegen. Offenbar machte sich auch die Bundesregierung Gedanken über die wachsende Anzahl von Hunden aus dem Ausland, den in den Änderungen zu §11 TierSchG findet sich aktuell eine Ergänzung dergestalt, dass Tierschutzvereine zukünftig eine separate Erlaubnis für die Einfuhr von Hunden aus dem Ausland benötigen, sofern sie diese zum Zwecke der „Abgabe gegen Entgelt“ importieren. Dabei ist nicht nur ein Verkauf der Tiere gemeint, sondern auch die in den meisten Fällen übliche Abgabegebühr, die bei Adoption eines Hundes aus einem Tierheim fällig wird. Somit müssen betroffene Tierschutzvereine bei ihrem zuständigen Veterinäramt eine entsprechende Genehmigung beantragen. Diese Verordnung kann meines Erachtens nur vor dem Hintergrund betrachtet werden, die wachsende Anzahl von Hunden aus dem Ausland durch staatliche Aufsicht kontrollieren und reglementieren zu wollen.

Ob das der richtige Weg ist?

Das wird sich in der Praxis zeigen. Da die Regelung erst am 13.07.2013 in Kraft getreten ist, bleibt abzuwarten, wie diese von den Veterinärämtern umgesetzt werden wird. Betroffene sind auf jeden Fall diejenigen Einrichtungen, die ein Tierheim oder ähnliches Projekt betreiben, im Besitz der bislang erforderlichen Genehmigungen sind und auch ansonsten ihren Anforderungen hinsichtlich der bestehenden Gesetzeslage nachgekommen sind. Aber sind die auch das Problem?

Meines Erachtens eher nicht. Denn bei aller kontroverser Diskussion über dieses Thema wird ein großer Teil dieser Hunde eben nicht über Vereine nach Deutschland gebracht, die hier auch über ein entsprechendes Tierheim verfügen. Unzählige Privatinitiativen, Kleinstvereine oder gar dubiose Händler transportieren die Hunde ohne eine Zwischenstation direkt an die Interessenten. Herkunft der Tiere, ordnungsgemäße Papiere oder Umstände des teilweise langen Transportes nach Deutschland bleiben dabei eher im Dunklen. Diese Klientel entzieht sich sämtliches Kontrollmöglichkeiten des Staates und wird daher auch nicht von der neuen Genehmigungsverfügung erfasst. 

Das Internet macht es möglich.

Und so findet eine Vermittlung häufig ohne die inzwischen bei seriösen Tierschutzvereinen übliche Vorgehensweise statt. Vorherige Platzkontrollen oder Frage nach der Geeignetheit des Halters sind in Anbetracht der vermeintlich dringenden Hilfestellung für das Tier eher hinderlich. Der Appell an die Emotionen verfehlt in den meisten Fällen seine Wirkung nicht und hinterlässt beim neuen Halter das wohlige Gefühl, an der Rettung des Tieres einen entscheidenden Anteil gehabt zu haben.

Menschlich verständlich, allerdings in Anbetracht der Situation der Straßenhunde in den Ursprungsländern nicht hilfreich im Sinne einer nachhaltigen Lösung. Somit kann der Appell wiederum nicht an die Emotion, sondern nur an die Vernunft erfolgen: Nicht jedes Tier aus dem Ausland ist automatisch aus einer Tötungsstation errettet worden und nicht jede Vermittlung nach Deutschland dient ausschließlich tierschützerischen Erwägungen. Also Augen auf und Fragen stellen, auch wenn dabei sich die vermeintliche Rettung des Hundes in allerletzter Sekunde in Luft auflösen könnte. Das Tier wird es Ihnen trotzdem danken!

Holger Knieling

Geschäftsführer von aktion tier e.V.