Nachhaltig leben und einkaufen

Pferdefleisch auf dem Teller

Mit verdächtiger Lasagne fing alles an, dann breitete er sich immer weiter aus: Zu Beginn des Jahres nahm ein europaweiter Lebensmittelskandal in bisher unbekanntem Maße seinen Anfang, dessen Ende noch immer nicht absehbar ist. Mittlerweile gibt es bereits erste Konsequenzen. Was war passiert? Von Januar bis Februar waren bei Kontrollen in Großbritannien und Irland falsch deklarierte Hackfleischprodukte aufgefallen, die statt des angegebenen Rindfleischs Pferdefleisch enthielten.

Für Aufsehen sorgte der Fund aus zwei Gründen: Experten vermuteten Medikamente im Fleisch, die für den Menschen gefährlich sein könnten. Da die Wahrscheinlichkeit bestand, es könne sich um das Fleisch auch von ehemaligen Sportpferden handeln, lag zudem der Verdacht auf leistungsfördernde Substanzen nahe. Auch unabhängig von verbotenen Dopingmitteln bekommen viele Pferde ein bestimmtes Rheumamittel, das in einzelnen Fleischproben schließlich auch gefunden werden sollte. Für einen Großteil der Verbraucher aber war aus einem anderen Grund das Entsetzen groß: Pferdefleisch fällt für viele unter ein Nahrungstabu. In Großbritannien und auch sonst im englischsprachigen Raum ist dieses Tabu weiter verbreitet als in Kontinentaleuropa, doch auch hierzulande mögen sich viele nicht vorstellen, Fleisch vom Pferd zu essen. Historische Gründe spielen eine wichtige Rolle, aber vor allem die Popularität des Pferdes als Haus- und Freizeittier dürften dafür verantwortlich sein. Der Schock über den Etikettenschwindel war dementsprechend groß. Produkte aus Pferdefleisch waren zwar auch bisher schon in Deutschland erhältlich, hatten aber nicht so große Bedeutung und Marktanteile wie etwa in Frankreich oder Italien. Doch nun wurde Pferdefleisch in Hackfleischprodukten fast aller großen Supermarktketten gefunden, außerdem auch in Dönerspießen in verschiedenen Städten und sogar in den bei vielen Kunden eines schwedischen Möbelhauses beliebten hauseigenen „Köttbullar“- Frikadellen in einer tschechischen Filiale. Das Ausmaß der Verzweigung des Skandals lässt sich noch immer nicht erahnen, sowohl britische als auch französische, außerdem skandinavische und osteuropäische Betriebe sind offenbar in den illegalen Fleischhandel verwickelt.

Die Bundesregierung reagierte mit einem „nationalen Aktionsplan“, die Europäische Union mit der Anordnung von mehr als 2000 Kontrollen. Alle verdächtigen Produkte wurden mittlerweile aus dem Handel genommen, viele allerdings dürften schon verkauft worden sein. Das zuständige Ministerium hat eine Übersicht der verdächtigen Lebensmittel zur Verfügung gestellt. Auffällig: Die Liste der Funde in Nordrhein- Westfalen und Baden-Württemberg ist besonders lang. Mit vergünstigten oder erlassenen Einfuhrzöllen, hohen Subventionen und Investitionen werden nicht nur grenzübergreifende Handelsbeziehungen ermöglicht, sondern offensichtlich auch die Voraussetzungen für einen fast sicheren, da nicht aufzuklärenden Betrug am Konsumenten geschaffen. Dazu kommt, dass es bis heute an verbindlichen Vorschriften zur genauen Herkunftsdeklaration (nicht nur, aber besonders) bei Fleischprodukten mangelt. Alle entsprechenden Vorstöße aus und außerhalb der Politik wurden stets von Lobbyisten der Fleischindustrie abgewehrt. Marketing und Werbung täuschen so manipulativ die von der Natur entfremdeten Großstadtkunden über die Herkunft ihres Fleisches aus der Massentierproduktion hinweg, dass jüngst sogar die Verbraucherzentrale intervenierte. Die Hoffnung, dass über die Herkunft und Zusammensetzung eines Produktes gut informierte Käufer sich ihrer Verantwortung bewusst werden, ist letztlich der Antrieb aller Verbraucheraufklärung. Auch für die Eindämmung der industriellen Massentierhaltung wäre solch ein Umdenken ein riesiger Gewinn. In Einzelfällen deutet sich eine Veränderung an, so führte etwa die Einführung des Eierstempels erst zum Einbruch des Marktes mit Käfigeiern, schließlich zum Verbot der Legebatterien durch das Bundesverfassungsgericht. Bis aber eine ähnliche, vielleicht noch stärkere Kennzeichnungspflicht auch für den Fleischhandel gilt, ist jedoch der Verzicht auf Fleisch und Fleischprodukte die sicherste Lösung, an keinem weiteren Skandal ungefragt und ungewollt beteiligt zu werden.

Discounter Aldi: Mehr Transparenz für Fleischprodukte

Dezember 2014. Wohl in Reaktion auf den „Pferdefleischskandal“ kündigte der Discounter Aldi an, eine erhöhte Transparenz von verarbeitetem Fleisch, etwa in Konserven oder Fertigprodukten zu schaffen. Danach sollen Verbraucher sich mittels eines QR-Codes oder direkt auf der Verpackung über die Herkunft, den Ort der Schlachtung sowie der Verarbeitung informieren können. Zunächst sei dieser Schritt nur für ausgewählte Produkte geplant, solle aber auf Fleisch- und Wurstwaren im Angebot ausgeweitet werden, teilte eine Sprecherin mit. Die Rückverfolgbarkeit der Produkte wurde von Aldi als Novum im Lebensmitteleinzelhandel angekündigt; die Verbraucherzentrale Hamburg begrüßt den Schritt.

Jan Peifer