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PMU – Hormonpräparate aus Stutenurin

Medikamente zur Hormontherapie wie Premarin (in Deutschland auch u.a. als Presomen verkauft) werden von rund einer Million Frauen eingenommen, um Beschwerden der Wechseljahre entgegenzuwirken oder diese zu verhindern; sie sind die am häufigsten verschriebenen Östrogenpräparate. Diese Medikamente sollen Schlafstörungen, Hitzewallungen und depressive Stimmungsschwankungen unterdrücken sowie Osteoporose vorbeugen, in dem der natürliche Rückgang der weiblichen Hormone am Ende der fruchtbaren Jahre einer Frau durch sogenannte konjugierte Östrogene künstlich ausgeglichen wird.

Pferd im Stall
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Diese Östrogene stammen nach Herstellerangaben aus „natürlichen Quellen“. Dass hinter dieser Bezeichnung, ähnlich wie bei den „natürlichen Aromen“ in der Lebensmittelindustrie, aber etwas ganz anderes steckt als viele Nutzer und Patienten ahnen, verschweigen die Pharmahersteller aus gutem Grund: Pregnant mare´s urine, abgekürzt PMU oder auf deutsch: Urin von trächtigen Stuten liefert den Grundstoff zur Gewinnung des Wirkstoffes. Für viele Verbraucher und Patienten unvorstellbar – auf riesigen Farmen in den USA, Kanada, aber auch in China werden Stuten zu Tausenden in engen Boxen (sogenannten Ständern) gehalten, um aus ihrem Urin ein nachgefragtes Medikament zu gewinnen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Trächtigkeit der Stuten. Besonders hoch ist die Konzentration des Hormons im Urin ab dem dritten Monat. Um diese noch weiter zu erhöhen, wird der Zugang zu Trinkwasser regelmäßig eingeschränkt. Für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten wird der Urin der Tiere dann mit einer speziellen Apparatur aufgefangen, die an eine Melkmaschine erinnert. Während dieser Zeit sind die Tiere in der Regel angebunden und können sich kaum bewegen. Die Ständerhaltung ist für Lauftiere wie Pferde eine Qual, denn mehr als höchstens ein oder zwei Schritte Bewegungsspielraum haben sie nicht, ein seitliches Ablegen und Ruhen ist nicht möglich. Vor allem die Beine und Gelenke leiden darunter, weshalb die Anbindehaltung in Deutschland verboten ist und auch die Anforderungen an Pferdeboxen zur dauerhaften Haltung immer strenger werden.

Mit Pferdeurin lassen sich gute Geschäfte machen, rund 4-5 Dollar kostet ein Liter. Und so hat die Pferdezucht für die Gewinnung von Stutenurin teilweise Formen angenommen, die wir aus der Milchindustrie kennen – mit all ihren Folgen für die werdenden Tiermütter und ihren Nachwuchs. Um den wertvollen, hormonhaltigen Urin zu gewinnen, müssen die Stuten fast durchgängig trächtig sein, nur wenige Wochen nach einer Geburt werden sie schon wieder neu besamt. Unzählige Fohlen werden dabei als „Ausschuss“ produziert. Viel zu jung werden diese von den Müttern getrennt; einige werden als Reit- oder Arbeitspferde verkauft. Andere müssen in die Fußstapfen ihrer Mütter treten, die meisten jedoch werden nie erwachsen, ihre erste und letzte Reise führt in den Schlachthof.

Erst als Mediziner vor rund 20 Jahren gefährliche Nebenwirkungen bei der Hormontherapie aufzeigten, schien die Nachfrage einzubrechen. Premarin, so wurde 2002 bekannt, erhöht das Risiko für Krebs, Schlaganfälle und Herzinfarkte erheblich. Insbesondere das Brust- und Gebärmutterkrebsrisiko steigt mit der Einnahme von PMU-Präparaten, weshalb bei der Einnahme auch weitere Hormone zur Minderung der negativen Eigenschaften verschrieben werden. Seit Bekanntwerden dieser Forschungsergebnisse ist die Zahl der US-amerikanischen und kanadischen PMU-Farmen – zuvor die Hochburgen der Stutenurinproduktion – stark gesunken. Noch vor wenigen Jahren gab es nach Angaben von amerikanischen Tierschützern mehr als 75.000 PMU-Stuten allein in den USA. Heute ist der Bestand wohl auf unter ein Zehntel geschrumpft. Allerdings ist diese Entwicklung nicht nur der sinkenden Nachfrage geschuldet. Zeitgleich wurde die Produktion an Standorte ausgelagert, die von weniger strengen Vorschriften profitieren. So berichten Tierschutzorganisationen aus Osteuropa und Asien, vor allem China, schon länger von teils riesigen Stutenzuchtanlagen mit Zehntausenden Pferden. Ob aber in den USA, Kanada oder China – mit der „Gewinnung“ des Stutenurins für die Pharmaindustrie ist immer Tierquälerei verbunden. Wer diese nicht unterstützen möchte, sollte daher Medikamente auf PMU-Basis unbedingt meiden und bei der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden lieber auf pflanzliche Wirkstoffe als auf konjugierte Östrogene setzen.

Jan Peifer