Hauspferde

Rodeos in Deutschland

Rodeoveranstaltungen gehören in den USA zur Traditionspflege. Beim Wildpferdreiten, Kälberfangen und Bullenringen soll der schweren Arbeit der Cowboys gehuldigt werden. Die Events sind beliebt und gut besucht, und so sahen Schausteller auch in Deutschland hier eine Nische: Rodeos, ursprünglich aus Südamerika stammend, zählen in Europa zum importierten Kulturgut ohne längere Geschichte. Mit Countrymusik, Squaredance und Barbecue werden seit ca. 40 Jahren zunächst vor allem von Angehörigen der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte und deren Familien Rodeos veranstaltet und besucht, abgehalten von nur wenigen Veranstaltern. Mittlerweile ist das Publikum deutlich gemischter und nicht mehr auf Amerikaner beschränkt.

Rodeo in Deutschland
Oft künstlich "wild gemacht": Rodeopferde in Deutschland. Foto: © Jan Peifer

Zwar werden auch in den USA Rodeos von Tierschützern kritisiert, in Deutschland jedoch ist das Thema hoch umstritten. Seit 2005 wird auf Grundlage eines Gutachtens der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) versucht, den Streitfall zwischen Veranstaltern und Tierschützern einzudämmen, jedoch sorgte dieses Vorhaben für nur noch mehr Verwirrung, denn noch immer gibt es für Rodeos keine einheitlichen Vorschriften in den deutschen Bundesländern.

Wir versuchen, uns selbst ein Bild zu machen, und sind im Frühling zum zweiten Mal zu Besuch auf einer Veranstaltung im hessischen Griesheim, dem ersten großen Rodeo der Saison. Gezeigt werden hier „Bare back riding“, das Reiten von „wilden“ Pferden (dt.: reiten auf blankem Rücken, also ohne Sattel), „Saddle bronc riding“, das Reiten von „wilden“ Pferden mit Sattel und auch die wohl bekannteste Disziplin, das „Bullenreiten“. Veranstaltungen wie diese dürfen nur durchgeführt werden, wenn der Unternehmer eine Genehmigung nach § 11 des Tierschutzgesetzes vorweisen kann. Nicht von ungefähr stammte die vorliegende Erlaubnis vom Veterinäramt im hessischen Darmstadt-Dieburg.

Fürs Publikum künstlich „wild“ gemacht

Unsere erste Beobachtung: Die „wilden“ Pferde stehen vor Beginn des Rodeos friedlich zusammen und lassen sich streicheln; der Veranstalter wirbt offen damit, die Tiere jahrelang für seine Events einzusetzen. Ganz offensichtlich handelt es sich hier also keineswegs um wilde Pferde. Damit die Tiere trotzdem bei jeder Veranstaltung „wie wild“ buckeln und den Reiter abwerfen, müssen sie künstlich wild gemacht werden. In aller Regel wird das durch den Einsatz des Flankengurtes oder sogenannten „Flanks“ erreicht. Dieser wird um die Flanken des Tieres geschnallt und in der Startbox, der „Chute“ fest angezogen. Durch das unangenehme Gefühl gereizt, zeigt das Pferd das gewünschte Buckeln, vielmehr also eine Abwehrreaktion als ein Zeichen von Ungestüm und Wildheit. Doch war dieser Gurt nicht verboten? Seit 2005/2006 hatten die Tierschutzbeauftragten der Länder aufgrund des Gutachtens der TVT neben Rodeosporen auch den Flank mittels Erlass untersagt, ebenso wurde das Bullenreiten verboten, welches auch in Griesheim gezeigt wurde. Da Hessen jedoch als einziges Bundesland den Entschluss nicht mitträgt, erklärt sich der Sitz des veranstaltenden Unternehmens – hier dürfen die Rodeos in der geplanten Weise durchgeführt werden.

Vielleicht, um sich der Kritik nicht stellen zu müssen, vielleicht um Gegner zu besänftigen, wirbt der Veranstalter auf seiner Homepage damit, den Tierschutzgedanken hochzuhalten. Grund genug, auch hier einmal genauer nachzuschauen. Das Griesheimer Unternehmen hält, ähnlich wie ein Zirkus, an verschiedenen Standorten Rodeoveranstaltungen ab, auch im nahen Ausland. Einsätze in Frankreich etwa finden mit den gleichen Tieren statt wie in Deutschland, allerdings unter etwas „anderen“ Bedingungen. Dazu gehört vor allem der Einsatz des umstrittenen Flankengurtes, der im Ausland grundsätzlich verwendet wird und sichtbare Hautabschürfungen verursacht. Bei Veranstaltungen in Deutschland sind den Tieren teils noch Verletzungen bzw. Narben anzusehen, die mit großer Wahrscheinlichkeit vom Einsatz der verbotenen Rodeosporen herrühren. Ein weiteres Druckmittel, um vor allem die Bullen wild zu machen, sind Elektroschocker, verharmlosend auch „Viehtreiber“ genannt. Von diesen distanziert sich der Griesheimer Betreiber auf seiner Webseite ausdrücklich. Dabei konnte jedoch auf Video festgehalten werden, dass seine Tiere bei Veranstaltungen in Frankreich mit Elektroschocks „behandelt“ wurden. 2009 wurde der Einsatz von Elektroschockern sogar in Deutschland, ausgerechnet im hessischen Griesheim, durch Zufall gefilmt. Zusätzlich wurden die Tiere mit „Spießen“, möglicherweise Pfosten eines Elektrozaunes, getriezt und „angestachelt“. Auch dies ist mit Videoaufnahmen eindeutig belegt. Wie glaubhaft ist da noch das Bekenntnis zum Tierschutz?

Tierschutz ist bei Rodeo-Veranstaltungen zweitrangig

Im Interview mit der lokalen Presse schließlich erklärte der Veranstalter dann auch noch in erster Linie Unternehmer zu sein, Gedanken zum Tierschutz dagegen seien zweitrangig. Eine eindeutige, traurige Bekenntnis, die jedoch die Realität deutlich macht: Das Thema Rodeo, nicht nur aus Sicht von Tierschützern seit langem immer wieder kritisiert, sollte endlich eine zumindest bundesweit verbindliche Regelung zugunsten der Tiere erfahren. Nach Einschätzung der Initiative „Anti-Corrida“, einer Arbeitsgemeinschaft von „animal 2000 – Menschen für Tierrechte Bayern e. V.“, ist die Unverbindlichkeit der Erlässe der Landestierschutzbeauftragten ein großes Problem. Immer wieder, so eine Sprecherin, komme es zu per Eilverfahren durchgesetzten Sondergenehmigungen eigentlich nicht erlaubter Disziplinen wie etwa dem Bullenreiten oder auch dem Einsatz des Flankengurtes, da eine einheitliche gesetzliche Regelung fehlt. Zudem seien offenbar auch zuständige Veterinärämter mit ihrer Aufgabe überfordert; Anzeigen gegen Rodeoveranstalter wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz blieben häufig ohne Auswirkungen. Zwar sind Rodeoveranstaltungen in Deutschland meist weit weniger gefährlich für Mensch und Tier als im europäischen Ausland und den USA, wo Tierschutzgesetze oft nur spärlich oder gar nicht vorhanden sind. Veranstalter von Rodeos bedienen sich daher gerne des Vergleiches ihrer Tierhaltung mit etwa der Tiermast: „Unsere Rinder haben es besser als mancher Mastbulle, unsere Pferdehaltung könnte für manchen Sportreiter Vorbild sein“ – so oder ähnlich klingen oft die Antworten auf kritische, unbeliebte Fragen. Doch lässt sich ein Unrecht nicht mit einem anderen relativieren, für sich betrachtet hat auch das deutsche Rodeo noch Nachholbedarf in Sachen Tierschutz. Bis es jedoch zu einer einheitlichen Regelung kommen wird, sollten Verbraucher einschlägige Veranstaltungen nicht durch ihr Eintrittsgeld unterstützen und auch ihren Kindern – für den Rodeo-„Spaß“ meist besonders empfänglich – diesen nicht als erstrebenswerten Umgang mit Tieren zeigen.

Jan Peifer