aktion tier Eichhörnchenhilfe

Rückblick – Veränderungen

Seit über 20 Jahren bin ich „im Namen der Eichhörnchen“ unterwegs. Im Laufe der Zeit ist die große Auffangstation in der Nähe von Berlin in Brandenburg entstanden, und über 2000 Hörnchen haben hier Hilfe erhalten. Es hat sich seit dem Beginn doch so einiges verändert.

Eichhörnchenbaby wird gefüttert
Eichhörnchen in der aktion tier Eichhörnchenstation. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Als ich damals mein erstes Hörnchen Baby in den Händen hielt, völlig überfordert, wie es so vielen Findern von Wildtieren geht, gab es weder aussagekräftige Internethilfe noch eine Aufnahmestelle, zu der ich den kleinen Bobo bringen konnte. Wir beide hatten das große Glück, eine private Stelle im Harz zu erreichen. Von dort bekam ich die lebensrettenden Anweisungen. Bobo konnte später in Freiheit glücklich leben. Heutzutage ist das Internet voll mit Tipps – mal fundiert und zielführend, mal unfassbar schlecht. Und es gibt so einige Auffangstellen für Hörnchen, Vögel und andere Wildtiere. Das ist im Grunde genommen sehr positiv. So können die Tiere und ihre Finder mehr Hilfe erhalten.

Durch die veränderten Umweltbedingungen, Zerstörung des Lebensraums, Einsetzung von Umweltgiften, Gestaltung steriler Gärten und Parks, oft auch gezielter Vertreibung der Wildtiere aus ihren angestammten Lebensräumen und Einsetzung von Mährobotern kämpfen viele der wildlebenden Mitgeschöpfe ums Überleben. Hinzu kommen noch die klimatischen Veränderungen, die auch veränderte Vegetationszeiten mit sich bringen, die extreme Trockenheit in vielen Gebieten und immer mehr Brände. Für unsere Eichhörnchen sind die zu warmen Winter ein großer Stressfaktor. Sie kommen nicht zu ihrer so wichtigen Winterruhe und müssen ständig Nahrung und Wasser zu sich nehmen, die dann in der Regel nicht vorhanden sind.

In diesem Zusammenhang eine große Bitte: Schaffen Sie sich bitte keinen Mähroboter an. Dieser zerschreddert kleine Tiere, die am Boden liegen, Vogelküken, Hörnchen Babys und säbelt den Igel Pfoten und Nasen ab. Gerade bei diesen wunderbaren Igeln, die einfach nur ihres Weges gehen wollen, werden deutschlandweit unfassbar viele schwer verletzt, ihre Jungen getötet. Das steht natürlich nicht in den Gebrauchsanweisungen! Die Igelstationen und -helfer verzweifeln ob der Flut der durch die Mähroboter verletzten Tiere und ihrer veränderten Nahrungssituation (kaum noch Insekten).

Kurz zusammengefasst: Die Lage ist auch in Deutschland ernst und z.B. für Igel verheerend. Sie sind – nach den Insekten – die nächsten, die an den Rand des Aussterbens gebracht wurden.Überleben kämpfenden Wildtieren treten seit einiger Zeit auch veränderte und neue Erkrankungen auf, die uns Helfern Rätsel aufgeben. Wir kämpfen mit aller Kraft um unsere Schützlinge. Leider können uns Tierärzte und Institute oft gar nicht mehr dabei helfen. Wir tauschen uns untereinander aus und versuchen alle Tipps zu befolgen, oft ohne Erfolge. Die Situation bringt uns oft an den Rand der Verzweiflung. Und das Grauen über das Ausmaß ist so oft unser Begleiter. Natürlich kann und werde ich hier nicht alles aufführen, dem wir begegnen. Aber eine für mich emotional kaum zu ertragende – neue – Hörnchensäuglings- Erkrankung möchte ich kurz schildern. Ich habe im Juli fünf entzückende Eichhörnchenjunge – Glen, Kathy, Sam, Scotty und Tish – übernommen. Die nackten Kinder waren zwei Wochen alt und dünn. Daher wurden sie akribisch alle zwei Stunden – tagsüber wie nachts – gefüttert. Sie wurden immer warmgehalten und versorgt. Nach ca. drei Tagen begann etwas, das bei fast allen dieser betroffenen Tiere zum Tod führt: Sie scheinen auszutrocknen, die Haut wird durchsichtig und faltig, die Jungen wirken immer mehr wie mumifiziert. Es treten zusätzlich Verdauungsdefizite und -probleme auf.

Durch die dünne Haut kann man erkennen, dass die Aufzuchtmilch (egal welche) nicht verdaut wird. Blaue Flecken am Bauch entstehen. Zusätzlich fingen die Kleinen an, furchtbar zu kleben. Die Haut bildete einen so klebrigen Film, dass sie in sich und aneinanderklebten. Die fünf Säuglinge schrumpelten immer mehr in sich zusammen, wurden immer kleiner und weniger. Diesem Prozess zuzuschauen, wurde für mich immer mehr zu einem Horrorerlebnis. Kathy war die erste, die winzig klein verstarb, gefolgt von Glen.

Leider helfen schulmedizinische Mittel nicht.

Wie bei vielen Erkrankungen im Grunde nicht mehr. Aber die Hörnchen kämpften und wollten leben. So griff ich zu unseren homöopathischen Mitteln. Eine unserer Tierärztinnen gab uns zwei Mittel, die ich den Babys zweimal täglich verabreichte. Und es geschah ein kleines Wunder: Das Kleben der Haut ließ nach, und irgendwie kämpften wir uns durch. Schließlich halfen auch Bäder, diesen glibberigen Film auf der Haut zu lösen, und die Hörnchen bekamen so etwas wie Fell.

Diese Aufzucht war eine große nervliche Belastung, immer die Angst, wenn man in das Nest schaut, ob die Kinder noch leben und es weiter schaffen werden. Aufgeben konnte einfach keine Option sein, nicht bei so einer grausigen Erkrankung. Diese hilflosen Hörnchen Babys, die sich solch eine Mühe gaben, weiterzuleben, haben sich für immer in mein Gedächtnis und Herz eingebrannt. Leider haben es bis hierhin nur Tish und Scotty geschafft. Mein Herzensbub Sam hat die folgende Durchfallerkrankung nicht überlebt. Ich habe hier nur stellvertretend für den Alltag der Wildtier-Auffangstationen ein Beispiel geschildert. Überall kämpfen die Helfer mit vollem Herzblut und Einsatz über alle Grenzen hinaus um ihre Schützlinge.

Tanya Lenn
Tanya Lenn leitet die aktion tier Eichhörnchenstation in Teltow (Brandenburg). Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Das „Nein“ sagen ist das Schwierigste für uns Helfer.

Wir wollen, wenn möglich, so vielen Tieren wie möglich helfen. Doch allein das vorige Beispiel zeigt, wieviel Zeit, Energie, auch finanzielle Mittel erforderlich sind. Das Leben der Helfer kann sich ein „Normalbürger“ wohl nicht vorstellen. Was sehr schmerzt, ist, dass auch uns Helfern Grenzen gesetzt werden. Ein Tag kann nicht um mehrere Stunden verlängert werden, auch wir müssen, wenn auch widerwillig, etwas schlafen. Und wenn die Station voll ist, wird es sehr brenzlig. Das „Nein“ sagen ist das Schwierigste für uns Helfer, aber es ist enorm wichtig, um den bereits aufgenommenen, beiuns lebenden Schützlingen weiterhin kompetent und tierschutz- und artgerecht zu helfen.

Jeder Finder ist wohl froh, wenn er einen fachkundigen Menschen am Telefon hat oder womöglich schon zur Auffangstelle (privat oder Verein) gefahren ist, der ihm hilft. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn hier kommen (leider) nicht nur Eichhörnchen an. Dann bin ich glücklich, wenn noch ein Platz für „unseren“ Vogel bei lieben Kollegen gefunden werden kann. Ich weiß, wie hilflos sich ein Finder fühlen kann.

Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass wir Auffangstationen, die im Übrigen nicht von staatlicher Seite unterstützt werden, leider nicht immer erreichbar sein können. Und dass wir eine Verantwortung dafür tragen, die aufgenommenen Tiere adäquat zu versorgen. (Eine Überbelegung bedeutet auch immer ein erhöhtes Krankheitsrisiko für ALLE Schützlinge.) Auch wenn es bedeutet, „Ihr“ Tier nicht aufnehmen zu können. Die meisten privaten oder Tierhelfer von Vereinen nehmen schon mehr als genug Tiere auf. Sie kämpfen gegen Windmühlen und die Finder, die ihnen zusetzen, doch bitte noch dieses eine Tier zu nehmen. Wenn also ein Helfer sagt, die Aufnahme ist einfach nicht mehr möglich, dann ist ihm diese Entscheidung mitnichten leichtgefallen. Wir versuchen dann, den Findern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Manche ziehen dann das oder die Junge/n mit unserer Hilfe auf, und wir übernehmen dann etwas später, wenn hier wieder Aufnahmekapazität ist. Ich hoffe, ich konnte Verständnis dafür wecken, dass auch ein „Nein“ sagen im Tierschutz sinnvoll und wichtig ist.

Vielleicht hat ja der eine oder andere von Ihnen auch Lust, den Wildtieren zur Seite zu stehen.

In einer Auffangstelle ein wenig mitzuhelfen, vielleicht beim Säubern der Gehege und Käfige, und dann ggf. noch ein wenig mehr …

  • bei Einsätzen, um verletzte Tiere abzuholen oder zur Tierklinik, zum Tierarzt oder zur Station zu bringen
  • Spenden zu sammeln (vorher genau erkundigen, was benötigt wird)
  • Mitmenschen aufzuklären, wie Wildtieren geholfen werden kann (Gartengestaltung, KEIN Einsatz von Mährobotern etc.)
  • in der Natur Müll aufzusammeln
  • Insektentränken bereitstellen (flache Wasserschalen mit Stöckchen und Steinen, damit die Insekten wieder rauskrabbeln können)
  • Wasserschalen in Gärten, Parks, Höfen und auf Balkonen aufstellen. Das Wasser bitte regelmäßig wechseln und auffüllen. Allein mit diesem letzten Punkt kann man Leben retten, ohne viel Aufwand. Denn jeder Mensch kann etwas mithelfen, unsere Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Tanya Lenn

Leitung "aktion tier Eichhörnchenhilfe"