Pressemitteilung

Verbandsklagerecht im Tierschutz

Obwohl der Tierschutz seit mehr als zehn Jahren als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist, stimmen die Zustände in Deutschland oft mehr als nur nachdenklich. Aus Sicht von Tierschützern verdient das Tierschutzgesetz in weiten Teilen seinen Namen nicht.

aktion tier-Mitarbeiter kämpfen gegen Kaninchenmast. Foto: © Ursula Bauer
aktion tier-Mitarbeiter kämpfen gegen Kaninchenmast. Foto: © Ursula Bauer Foto: Ursula Bauer

Ein häufiger Vorwurf: Vorhandene Missstände werden durch verschiedene Richtlinien einfach legalisiert anstatt eingedämmt. Möglicherweise könnte sich das mit der Einführung eines Verbandsklagerechts bald ändern.

Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes lautet, der Mensch müsse seiner Verantwortung dem Tier als Mitgeschöpf gegenüber gerecht werden. Und weiter: Tiere müssen ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend ernährt, gepflegt und untergebracht werden. Ein hehrer Anspruch, doch gleichzeitig gelten Verordnungen, die ein ganz anderes Bild zeichnen. So zum Beispiel in der Masthähnchenzucht – bis zu 25 Hähnchen werden in der konventionellen Hühnermast pro m² gehalten (ca. 40 kg Lebendgewicht pro m² sind hier erlaubt), sie werden selten älter als vier Wochen. Studien haben ergeben, dass die Tiere mit fast 100%iger Sicherheit Antibiotika, verbunden mit gefährlichen Nebenund Nachwirkungen, bekommen, um die Mast überhaupt bis zum Ende zu überleben. Und doch ist alles legal, alles durch Vorschriften reglementiert, obwohl eine artgerechte Haltung in den Augen vieler Konsumenten anders aussieht. Noch deutlicher ist der Missstand im Bereich der Kaninchenmast: Trotz vieler Ankündigungen der verantwortlichen Bundesministerin gibt es bis heute keine einheitlichen, verbindlichen Vorschriften für die Kaninchenmast, die Zucht wird allein durch den Profit bestimmt. Entsprechend hoch ist die Sterbequote, bis zu 50% der Kaninchen verenden bereits vor dem Ende der kurzen Mastperiode an den elenden Haltungsbedingungen. aktion tier beteiligt sich daher seit Jahren am Tierschutzbündnis [„Kaninchenmast, nein danke“], welches die Abschaffung der besonders grausamen Käfighaltung fordert. Doch solange das Tierschutzgesetz nicht entsprechend ergänzt wird, handeln auch die Kaninchenmäster rechtlich korrekt.

Das Tierschutzgesetz könnte auch Tiernutzgesetz heißen

An diesen knappen Beispielen ist schnell ersichtlich, dass das Tierschutzgesetz auch „Tiernutzgesetz“ heißen könnte, da es zwar den Umgang mit Tieren zu regeln versucht, dem Schutzanspruch vielfach jedoch nicht gerecht wird. Besonders perfide ist zudem, dass Tierhalter wie Mäster und Züchter regelmäßig gegen Vorschriften klagen, da diese für die Agrarproduzenten oft mit Kosten verbunden sind. So ist etwa seit über einem Jahr die Mindestgröße für Pelztierkäfige auf Nerzfarmen per Verordnung verzehnfacht worden, doch bisher wurde diese Verordnung lediglich von einem einzigen Betrieb umgesetzt. Der Grund: Weil der Pelztierzüchterverband gegen die Verordnung klagt und das Verfahren noch nicht letztinstanzl ich entschieden wurde, sind die Züchter nicht an die neuen Richtlinien gebunden, obwohl die Verordnung seit Ende 2011 in Kraft ist. Tierschutzvereine fordern deshalb seit Jahren ein Verbandsklagerecht, mit dem sie für mehr gesetzlichen Tierschutz kämpfen können. Der NRW-Landtag hat jetzt entschieden: Das Verbandsklagerecht kommt. Auch das Saarland hat bereits dafür entschieden, weitere Nachzügler werden bald erwartet. Vorgesehen ist die Neuregelung unter anderem in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen Vereine mittels der Verbandsklage etwa bestimmte Regelungen des Tierschutzgesetzes überprüfen lassen können, außerdem sollen sie auch ein Mitspracherecht z. B. beim Bau von landwirtschaftlichen Großprojekten wie Mastanlagen bekommen. Der grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel erhofft sich so vor allem eine präventive Wirkung des Gesetzes, damit Missstände gar nicht erst entstehen, Landwirtschaftsverbände befürchten eine Wettbewerbsverzerrung durch die Einmischung von Tierschutzvereinen und -verbänden. Letztendlich ist das Verbandsklagerecht, auch wenn es gegen den Widerstand von CDU/ CSU und FDP durchgesetzt werden muss, eine zwangsläufige Folge aus der Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz. Denn bisher können Tierschutzorganisationen lediglich Anzeigen stellen, die jeweiligen Ordnungsbehörden und die Staatsanwaltschaft entscheiden dann eigenmächtig über eine mögliche Einstellung oder Aufnahme des Verfahrens. Bei einer aus Sicht der Organisation falschen Entscheidung blieb nur der Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde. Erst durch die Möglichkeit, per Verbandsklage z. B. behördliche Entscheidungen von einem unabhängigen Gericht untersuchen zu lassen, wird aber eine Rechtssicherheit hergestellt, die so oft dringend nötig ist und bisher vergeblich erwartet wird.

weitere Informationen bei:

Jan Peifer