Lebensräume

Wunderbaum Kopfweide

Bereits vor über 3.000 Jahren sollen Menschen Weidenzweige zum Binden und Flechten geschnitten haben, aber erst im 13. Jahrhundert fiel ihnen auf, dass man die Ruten wesentlich bequemer von einer Kopfweide ernten kann.

Kopfweiden-Pfuhl im Britzer Garten in Berlin. Foto: © Ursula Bauer

Eine Kopfweide ist keine Baumart im botanischen Sinn, sondern die durch Beschneidung hervorgerufene Form des Baumes. Sie entsteht, indem der Stamm in jungen Jahren in 1m bis 3m Höhe gekappt und die zahlreichen, aus der Schnittstelle austreibenden Äste regelmäßig zurückgeschnitten werden. Im Laufe der Zeit verdickt sich dieser obere Stammbereich und bildet den sogenannten Kopf aus.

Früher wurden nicht nur Weiden, sondern auch Eschen, Linden, Pappeln und andere Baumarten geschneitelt, um Kopfbäume zu entwickeln, die zum Beispiel Futterlaub und Brennholz lieferten. Allerdings haben Weiden den Vorteil, dass sie leicht über Stecklinge vermehrt werden können, nach dem Schnitt besonders üppig ausschlagen und sehr schnellwüchsig sind.

Vielfältige Nutzung

Noch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts wurden Kopfweiden intensiv genutzt. Je nachdem, wie das geerntete Holz verwendet werden sollte, beschnitt man die Bäume alle 3 bis 10 Jahre. Die jungen, dünnen Ruten eignen sich aufgrund ihrer Biegsamkeit sehr gut zum Flechten von Körben, Möbeln oder Fischreusen. Auch Garten- und Weidezäune lassen sich aus dem Schnittgut herstellen. Nicht zu vergessen die Bedeutung als Baumaterial vor allem im Fachwerkbau, wo Weidengeflechte in die Gefache eingesetzt und mit einem Stroh-Lehm- Gemisch verschmiert wurden. Außerdem wurde mit Weidenästen geheizt und das Laub als Viehfutter und Einstreu verwendet.

Heute haben Kopfweiden nur noch eine sehr geringe wirtschaftliche Bedeutung. Der Beruf des Korbflechters ist so gut wie ausgestorben, und moderne Materialien haben die Weidenäste weitestgehend ersetzt. Verwendung finden Weidenruten heute vorrangig im Rahmen von kreativen Bauprojekten oder zur naturnahen Gartengestaltung.

Ältere und dickere Äste dienten früher vor allem als Zaunpfähle sowie zur Herstellung von Holzschuhen, Flöten und Geschirr. Auch Werkzeugstiele wurden gerne aus Weide hergestellt, da ihr Holz geschmeidig und angenehm „warm“ in der Hand liegt.

Lebenszyklus von Kopfweiden

Kopfweiden können bei guter Pflege zwischen 90 und 120 Jahre alt werden. Sie unterliegen aufgrund der speziellen Nutzung einem schnelleren Alterungsprozess als „normal“ wachsende Bäume. Bereits die Schnittfläche am Weidensteckling führt nach wenigen Jahren durch Eindringen von Pilzsporen und Feuchtigkeit zu ersten Faulhöhlen im Kopfbereich. Es folgt eine längere Phase, in welcher der Baum regelmäßig geschnitten wird und die Außenseite des Stammes noch unversehrt ist. Im Innern des Kopfes entstehen jedoch weitere Höhlungen, und das Kernholz durchläuft unterschiedliche Zersetzungsstufen. Schließlich greift der im Inneren des Baumes fortschreitende Holzzerfall auf den Stammmantel über. Man erkennt größere Hohlräume und breit auseinanderklaffende Risse mit Totholz und Mulm (zu Pulver zerfallenes Holz). Mit fortschreitendem Alter sind Kopfweiden dann häufig innen komplett hohl, und am Ende ihres Lebens bleibt manchmal nur noch die äußere, aktive Zone, übrig. Da in dieser Schicht Nährstoffe und Wasser gespeichert und transportiert werden, ist der Baum zwar noch am Leben, aber durch das fehlende Kernholz zunehmend instabil. Schließlich stirbt der Baum ab.

Markante Schmuckstücke

Auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung heute keine Rolle mehr spielt, sind Kopfweiden immer noch von unschätzbarem Wert. So sind sie Zeugen uralter Traditionen und erinnern daran, wie Menschen in früheren Zeiten gelebt haben. Mit ihren knorrigen, häufig auseinandergebrochenen Stämmen und den urigen Köpfen, aus denen die Ruten wie Haare herausstehen, sind Kopfweiden außerdem in vielen Gebieten auch heute noch landschaftsprägend, und selbst ein einzelner großer Baum ist immer ein echter Hingucker.

Die meisten Salix-Arten mögen es feucht. Daher findet man Kopfweiden zum Beispiel auf Feuchtwiesen oder an Ufern von Gewässern. Größere Kopfweiden-Bestände sind unter anderem in den Flusslandschaften von Elbe, Weser und Rhein zu bewundern. Es gibt daneben aber auch Einzelbäume oder Gruppen in der freien Landschaft sowie vereinzelt Kopfweidenalleen an kleineren Straßen und Wegen.

Langsames Sterben schenkt Leben

Neben dem landschaftsprägenden Aspekt stellen Kopfweiden durch den langsamen aber stetig fortschreitenden Zerfall einen unglaublich vielfältigen Lebensraum vor allem für teils sehr seltene Tiere dar. Große, alte Bäume mit einem hohen Totholzanteil und zahlreichen Höhlen sind heutzutage selten, da ein kränkelnder oder toter Baum meist als nutzlos, gefährlich aufgrund der Kippgefahr oder einfach als störend angesehen und in der Regel schnell gefällt wird. Bei Kopfweiden gibt es da mehr Toleranz und auch Achtung vor diesem kulturellen Erbe, so dass die Bäume größtenteils stehenbleiben dürfen und dem natürlichen Zerfall überlassen werden.

Weiden haben im Gegensatz zu anderen Baumarten kein hartes Kernholz. Ihr Stamm besteht nur aus Splintholz, welches weich und wenig widerstandsfähig ist. Eindringende Feuchtigkeit lässt sie daher schnell faulen, Pilzsporen dringen ein, und der langsame Zerfall beginnt. An einer älteren Kopfweide finden wir neben dem lebenden, aktiven Holz unter der Rinde sowie in den austreibenden Ruten sämtliche Phasen der Holzzersetzung auf engstem Raum.

Ökologisch besonders wertvoll

Vor allem die betagten, dickstämmigen Kopfweiden werden von zahllosen Insekten besiedelt. Darunter vorrangig Arten, die an Totholz oder Baumpilze gebunden sind. Experten schätzen, dass allein 450 verschiedene Käferarten (v.a. Bock-, Poch-, Pilz- und Rindenkäfer) an Kopfweiden alles finden, was sie zum Überleben brauchen. Auch größere Käfer wie der Balkenschröter, der für seine 2-3jährige Larvenentwicklung sehr viel morsches Holz benötigt, finden sich an dicken Kopfweiden.

Die Weidenblätter und -blüten werden von verschiedenen Insekten gefressen, und die Weidenkätzchen sind für Schmetterlinge und Bienen im Frühjahr die erste Nektar- und Pollenquelle. Außerdem dienen die für Kopfweiden charakteristischen Hohlräume zum Beispiel dem Steinkauz und anderen Höhlenbrütern wie Grauschnäpper, Gartenrotschwanz und Wiedehopf als Unterschlupf und Nistplatz. Auch zahlreiche nachtaktive Säugetierarten wie Fledermäuse, Siebenschläfer, Marder und Iltis nutzen die Bäume gerne als Versteck oder Überwinterungsquartier.

Neben Tieren, Pilzen, Moosen und Algen werden Kopfweiden auch noch von Pflanzen besiedelt, die im nährstoffreichen Holzpulver, dem sogenannten Mulm, gedeihen. Vögel tragen die Samen von Farnen, Kräutern oder sogar Büschen heran, die dann keimen und wachsen und den Lebensraum Kopweidenfweide zusätzlich bereichern.

Gefährdung und Schutz

Der hohe Schutzwert von Kopfweiden ist schon länger erkannt worden, und man ist sich allgemein einig, dass die Restbestände erhalten und durch Nachpflanzungen vermehrt werden sollten. Vor allem in Landesteilen, deren historische Kulturlandschaft durch Kopfweiden geprägt wurde und in denen noch größere Bestände vorhanden sind, ist man um die Baumpersönlichkeiten bemüht. Für die Pflegeund Entwicklungsmaßahmen, die meistens von Privatpersonen oder Vereinen durchgeführt werden, können in der Regel öffentliche Fördermittel beantragt werden.

In den einzelnen Bundesländern gibt es unterschiedliche rechtliche Grundlagen zum Schutz von Kopfweiden. Zum Teil ist deren Abholzung im Rahmen einer Baumschutzverordnung verboten oder die Bäume stehen als Naturdenkmäler nach §28 Bundesnaturschutzgesetz unter besonderem Schutz. Oft fällt den Beständen auch beispielsweise als Allee, landschaftsprägendes Einzelelement oder Baumgruppe ein Schutzstatus nach einem Naturschutzgesetz der Länder zu.

Lust auf Action?

Zur Pflege von Kopfweiden werden immer ehrenamtliche Helfer und Helferinnen gesucht. Fragen Sie einfach bei der Stadtverwaltung oder einem lokalen Naturschutzverein nach.

Friseurtermine

Damit die wertvollen Bäume lange vital bleiben, müssen sie möglichst im ein- bis maximal zehnjährigen Rhythmus beschnitten werden. Ein darüber hinausgehender Pflegerückstand verkürzt die Lebenserwartung einer Kopfweide enorm. So wird zum Beispiel durch Schnittflächen, die größer als 10 cm sind, der Zerfall erheblich beschleunigt. Außerdem nimmt das Gewicht der immer dicker werdenden Äste beständig zu, bis die Bäume im schlimmsten Fall auseinanderbrechen.

Foto: © Ursula Bauer

Eine Kopfweide als Hausbaum?

Warum nicht? Ziehen Sie sich Ihr eigenes Schmuckstück heran. Einzeln oder in einer Reihe gepflanzt sind die Bäume schon in jungen Jahren ein hübscher Blickfang und mit zunehmendem Alter eine wertvolle ökologische Bereicherung für jeden Garten. Durch den regelmäßigen Beschnitt wächst der Stamm nur noch in die Breite und der Kronenumfang bleibt gering (wenig Beschattung), was auch für einen kleineren Garten von Vorteil ist. Sie können einfach einen bis zu 2m langen, mehrjährigen Weidenast im zeitigen Frühjahr in die Erde stecken. Er wächst in der Regel schnell an. Damit ein schöner, gerader Stamm entsteht, sollten Sie alle seitlichen Austriebe regelmäßig entfernen. Die Schnittfläche oben verschließt man mit Baumwachs, damit kein Wasser eindringen kann. Sie werden sehen, dass sich an den Rändern bald erste Austriebe zeigen. Diese Kronentriebe können Sie dann alle 2 bis 3 Jahre abschneiden. Für die Weidenruten gibt es sehr viele Verwendungsmöglichkeiten. Ihnen fällt bestimmt etwas Kreatives ein!

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.