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Zwischen Tradition und Tierschutz – Esskultur in Japan unter Tierschutz-Aspekten

Man hört oft über ganz außergewöhnliches Essen im Ausland. Ob das alles aber wirklich stimmt? Gibt es wirklich lebendiges Frosch-Sushi? Werden zum Beispiel in Japan Tiere noch lebend gegessen? Und wie sieht es mit dem Konsum von Walfisch aus? Ich bin selbst Japanerin und arbeite als Tierärztin bei der aktion tier-tierrettung münchen e.V. und erkläre gerne mehr zur japanischen Esskultur unter Tierschutz-Aspekten.

Odori-gui, tanzende Fische.
Odori-gui, tanzende Fische. Foto: CC BY-SA 3.0

Ich bin seit mehreren Jahren im Bereich Tierschutz tätig und habe als Japanerin in Deutschland viele Klischees über Japan gehört, was ich immer wieder gerne korrigiert habe. Aber von lebendem Frosch Sushi etwa habe auch ich erst vor kurzem gehört. Dieses Thema findet seinen Ursprung im Jahr 2014, als ein japanischer Koch aus Tokio aus Marketing-Gründen Fotos und Videos von lebendem Frosch-Sushi im Internet veröffentlicht hat. Seitdem verbreitete sich dieses Gerücht, dass Japaner ein solch geschmackloses Gericht „gerne“ essen. Auf der Speisekarte dieses Restaurants waren mehrere seltsame Gerichte zu sehen, was Japaner im Leben nicht essen würden. Aufgrund der internationalen Kritik verkaufte das Restaurant verschiedene Gerichte nicht mehr. Trotzdem bleiben die Artikel und Fotos für die Ewigkeit im Internet, die jeder auf der Welt sehen kann. Es ist auch irreführend, dass manche Menschen immer noch glauben, dass Japaner solche Gerichte gerne essen. Ein größeres Problem ist es aber, dass man solche Gerichte überhaupt verkaufen durfte.

In den letzten Jahren hat sich die Tierschutzsituation in Japan Schritt für Schritt verbessert.

Dafür werden viele europäische Tierschutzaspekte zum Vorbild genommen, besonders Deutschland. Im fernen Osten existieren auch viele Klischees über Europa und sind manchmal auch verwirrend. Dafür gebe ich gerne in Deutschland richtige Informationen über Asien und Europa weiter und kläre über einige Esskulturen in Japan unter Tierschutzaspekten auf.

Lebender Fisch

Odori-gui (= tanzender Fisch oder Iki-zukuri = Lebendzubereitung) sind in Japan als Delikatesse eingestuft und sollen zeigen wie frisch die Fische oder Meeresfrüchte sind. Der vorhin erwähnte Frosch kam nur in einem Restaurant in Tokio vor. Jedoch kommen diese Art von Gerichten häufig in Sushi-Restaurants oder Restaurants vor, in denen man rohen Fisch essen kann. Die kleinen Fische „tanzen im Mund“, bevor man sie schluckt. Die Meeresfrüchte werden nach dem Tod schnell zerlegt, aber die Muskeln bewegen noch weiter.

Mit einem Schlag auf den Kopf wird der Fisch für die sogenannte Iki-zukuri Zubereitung betäubt und dann zerlegt. Hierbei wird darauf geachtet, dass lebenswichtige Teile des Fisches wie Kopf, Wirbelsäule oder Schwanz unangetastet bleiben. Es werden die Flanken entfernt aus denen dann das Sashimi (rohe Fleischstücke) zubereitet wird. Mit dem halb aufgerichtetem Fisch, der nach Luft schnappt, wird dieses dann serviert. In Deutschland und Australien gilt diese Zubereitungsart als Tierquälerei und ist verboten. Quelle: Wikipedia

Inago: süße Heuschrecken als Beilage

Inago no Tsukudani (= gekochte Heuschrecken mit Zucker und Soja-Soße) werden traditionell mehr in japanischen Festlandreligionen konsumiert. Sie haben die Konsistenz von getrockneten Garnelen und sind reich an Kalzium, Eiweiß und Eisen. In den Berggebieten von Japan, wo früher nicht viele Fische als Nahrung zur Verfügung standen, und auch während der Kriegszeiten, wurden sie als Energiequelle gegessen. Heuschrecken fressen auf den Reisfeldern keine Reiskörner, sondern Reisähren. Dadurch können auch manchmal Schäden entstehen.

In Japan kommen keine sogenannten „Wanderheuschrecken“ vor. Trotzdem steht diese Esskultur im Zusammenhang mit dem Schutz von Reisfeldern und energiereichem Essen als Überlebensmethode in der japanischen Kultur. In den letzten Jahren hört man immer häufiger von Heuschreckenplagen auf der Welt. Vielleicht ist es eine Möglichkeit, Heuschrecken weltweit nach traditioneller japanische Kochmethode zu konsumieren, auch als Protein-Alternative zu Fleisch?

Walfleisch: eine traditionelle Esskultur?

Walfleisch zu konsumieren ist eine international bekannte und schwer akzeptable Esskultur in Japan.

Trotz des kritischen Rufes zu Walfleischkonsum in Japan, haben ca. 30 Prozent der Japaner schon einmal Walfleisch gegessen. Die Generation meiner Eltern hat zum Beispiel frittiertes Walfleisch in der Schule gegessen. Meine Großeltern haben mir öfters erzählt, dass sie nicht nur in der Schule, sondern auch zuhause Walfleisch gegessen haben. Für sie waren Rind- und Schweinefleisch ein Luxus und Walfleisch günstiger im Preis. Meine Oma meinte, dass sie nie wieder Walfleisch essen möchte, da sie sich an die damalige arme Zeit erinnert fühlt. Mein Opa hat im Gegensatz dazu sehr gerne Walfleisch als Luxusspeise bis noch vor ein paar Jahren gegessen. Der Walfleischkonsum hat in Japan eine lange Geschichte und wird auch weiter in einigen Küstenstädten konsumiert.

Die Wale werden nicht nur zum Essen, sondern auch für Dünger oder Werkzeuge verwendet. Trotz dieser Esskultur kennen einige Mitglieder der jungen japanischen Generation Walfleisch nicht mehr. Die wichtige Frage in der Gegenwart ist es, ob der mehrmalige Walfang in letzten Jahren trotz der Konsumreduzierung weiter nötig ist.

Walfleisch in einem japanischen Kaufhaus
Walfleisch in einem japanischen Kaufhaus 2010. 100 g kosten etwa zwischen 10 und 20 Euro. Foto: Zenwort CC BY 3.0

Ende 2018 wurde bekannt, dass Japan per 30. Juni 2019 aus der Internationalen Walfangkommission austritt und den kommerziellen Walfang wieder aufnimmt. Das japanische Landwirtschaftsministerium legte daraufhin folgende Fangquoten für 2019 fest: 52 Minkwale, 150 Brydewale und 25 Seiwale. Japan will die Jagd zukünftig auf die eigenen territorialen Gewässer beschränken. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Walfang#Japan

Fugu: der tödliche Kugelfisch?

Um Fugu-Fisch vorbereiten zu dürfen, benötigt man als Koch ein Extrazertifikat als Meister.

In letzten Jahren zählte der FuguFisch nicht mehr als teures Luxusessen und wird in mehreren Restaurants angeboten. Dabei gibt es immer noch ca. 40 Vergiftungsfälle im Jahr. Durch die Zubereitung von unerfahrenen Personen sind bis vor fünf Jahren Menschen durch die Vergiftung mit dem im Fisch enthaltenen Toxin gestorben. In manchen Ländern ist der Verzehr von Kugelfisch verboten. Warum Japaner weiter solche gefährliche Fische extra essen wollen, ist eine gute Frage…

Bei der Zubereitung von Fugu Fisch werden die hochgiftigen Körperteile wie Leber, Rogen oder Darm unter der Haut entfernt. Zum Essen wird meist nur das ungiftige Muskelfleisch angeboten. Wer mit Fang, Handel oder Zubereitung von Fugu Fisch zu tun hat, muss eine spezielle Lizenz besitzen, die man sich erst nach zweijähriger Erfahrung in einem Fugu-Restaurant erarbeiten kann und dann eine Prüfung ablegt.

Japan im Wandel?

In meiner Kindheit hat mein Opa gerne in Begleitung von Reisschnaps Heuschrecken und Walfleisch gegessen. In Japan wird viel Fisch gegessen, den man selber zuhause zubereitet. Ich habe als Kind auch von meiner Mutter gelernt wie man frische Fische schneidet. So leben wir in Japan sehr nah mit dem Leben von Tieren. Wir haben auch nie vergessen, beim Essen „Itadakimasu“ zu sagen. Man sagt das Wort so wie „Guten Appetit“ in Deutschland vor der Mahlzeit. Itadaki-masu bedeutet „Ich esse das Essen, was du vorbereitet hast“ und auch „Ich esse dein Leben“. Wichtig unter modernen Tierschutzaspekten wäre es, ob einige Bestandteile der sogenannten japanischen Esskultur weiter als „Tradition“ bleiben oder ob sich das Essverhalten nicht besser den internationalen „Tierschutzaspekten“ anpassen soll.

Wir als neue Generation kennen die oben genannten Gerichte noch, aber essen diese viel seltener oder sogar gar nicht mehr. Manche Traditionen brechen auf oder werden aufgrund von Tierschutzaspekten weggelassen. Ich hoffe auch, dass der japanische Tierschutz sich weiter gut auf internationaler Ebene entwickelt und auch wir in Japan auf diesem Gebiet Fortschritte machen und die Bevölkerung aufgeklärter wird.