Rasse schützt vor Elend nicht. Viele Menschen sehen in Tierschutzeinrichtungen Rassetiere und wundern sich, wie diese vermeintlich wertvollen und bei einem Züchter ursprünglich mal teuer gekauften Tiere im Tierschutz landen. Leider ist die Höhe des Ankaufpreises keine Garantie für Tiere, ein behütetes Leben zu führen. Wenn ein Tier nicht mehr in die individuelle Lebensplanung passt, sei es aus zwingenden oder aus an den Haaren herbei gezogenen Gründen, ist es egal, wieviel man dafür bezahlt hat, es muss weg und zwar schnell.
So haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Internetplattformen zur Vermittlung von speziellen Rassetieren gebildet. Wir sehen diese Entwicklung sehr positiv, da nun auch Interessenten für bestimmte Rassen ein Tier in Not/aus dem Tierschutz aufnehmen können und nicht den nächstbesten Züchter durch einen Kauf unterstützen müssen. Denn eines ist klar, so lange in diesem großen Umfang aus – in den allermeisten Fällen – monetären Gründen Tiere gezüchtet und verkauft werden, so lange ist die Arbeit im Tierschutz ein Kampf gegen Windmühlen. Gerade die sogenannten Hobbyzüchter achten nicht auf eine fundierte und ausgewählte Abgabe ihrer Tiere, hier gilt das Geld als das ausschlaggebende Kriterium und nicht ein adäquates, verantwortungsvolles Umfeld im neuen Zuhause. Genau dieses Vorgehen von Hobbyzüchtern ist uns in unserem aktuellen Animal Hoarding Fall, den wir Ihnen in dem kommenden Bericht schildern werden, wieder einmal begegnet.
Wir wurden auf eine Katzenhaltung mitten in der Innenstadt einer Kleinstadt aufmerksam gemacht. Dort sollte eine „Katzenfreundin“ wohnen, die sich der armen und ausgesetzten Katzen des gesamten Ortes annimmt und sich aufopferungsvoll um sie kümmert. Soweit die Theorie! Nach der Inspektion des Umfelds, es stank bestialisch nach Katzenurin, vor allem nach dem von potenten Katern, nahmen wir mit der Halterin Kontakt auf. Nach den üblichen Geschichten von Katzenhassern aus der Gegend, dem täglichen persönlichen Einsatz auf der Straße, um noch mehr Tiere zu retten <link kampagnen/kein-internethandel-mit-tieren/ - internal-link "Opens internal link in current window">und dem regelmäßigen Nachwuchs, der für 20 EUR pro Stück bei Ebay Kleinanzeigen verkauft wird</link>, konnten wir uns in der Zwei-Zimmer-Wohnung ein Bild machen. Dort lebten 19 Katzen, darunter – neben einigen Hauskatzen – auch so exotische Rassen wie Scottish Fold und Selkirk Rex, zum Großteil unkastriert, davon 9 potente Kater. Jeder, der schon einmal erlebt hat, wieviel Stress auch nur ein unkastrierter Kater unter Artgenossen verursachen kann, kann sich vorstellen, was neun unkastrierte Kater in einer Gruppe bedeuten. Erschwerend kam hinzu, dass die Tierhalterin seit Monaten kein Wasser und keinen Strom mehr hatte, da der Vermieter ihr aus verständlichen Gründen kündigen wollte und es nun auch noch zu finanziellen Unstimmigkeiten gekommen war. Nach unserem Gespräch war uns klar, dass wir diese Problemhaltung dauerhaft nur mit Hilfe der Behörden auflösen können. Somit suchten wir zunächst einmal Kontakt zum örtlichen Ordnungsamt, da in der Stadt bereits seit vielen Jahren eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen nach Art des Paderborner Modells besteht. Das Ordnungsamt sagte uns, dass man alleine nicht tätig werden könnte, da hierfür das Veterinäramt zuständig sei. Auf unsere Frage nach Einhaltung der Kastrationspflicht wurde nur ausweichend geantwortet, so dass uns schnell klar war: Hier handelt es sich um einen zahnlosen Papiertiger, der uns wie üblich an eine andere zuständige Stelle verweist, bevor man sich zu viel Stress und Arbeit macht. Nun gut, nach jahrelangem Umgang mit den für Tierschutz zuständigen Behörden deutschlandweit, sind wir diese Hin- und Herschieberei von Zuständigkeiten schon gewöhnt. Also auf zum Veterinäramt. Dort wurde vor Ort ein Termin mit dem Ordnungsamt gemacht. Der zuständige Amtsveterinär reiste mit einer Kollegin an und schaute sich in der Wohnung um. Sein Resümee war: „Hier kann ich nicht tätig werden, sonst müsste ich ja auch auf jedem Bauernhof beschlagnahmen“.
Ich stimmte ihm zu, dass, wenn die hygienischen Zustände auf den von ihm kontrollierten Höfen auch so wären, wie in dieser verflohten, nach Katzenurin und Kot stinkenden Wohnung, dann müsste er dort auch zwangsläufig Tiere beschlagnahmen. Außerdem wies ich auf den mangelnden finanziellen Hintergrund der Halterin für die artgerechte Versorgung einer so hohen Anzahl von Tieren hin und auf die zwangsläufig kurzfristig anstehende Zwangsräumung, nach der die Halterin dann mit 19 Tieren auf der Straße stünde oder aber diese unversorgt zurücklassen müsse. Dafür fühlte er sich wie erwartet nicht zuständig.
Die Halterin, die während des gesamten Besuches lautstark mit Kraftausdrücken in meine Richtung um sich warf, bot mir an, ein paar Katzen mitnehmen zu dürfen. Natürlich nur die ängstlichen und scheuen, weil die anderen ja so an ihr hängen.
Dieser Fall steht für uns stellvertretend für zwei Sachen...
Einmal für die Langsamkeit des deutschen Systems, was solche Haltungen angeht. Wir haben fast 1,5 Jahre gebraucht, bis sich dort endlich etwas zum Wohle der Tiere verbessert hat und zum anderen für die Gewissenlosigkeit, mit der viele Hobbyzüchter einfach ihre Tiere an den erstbesten Interessenten abgeben. Die Rassekatzen in diesem Fall waren alle von der Tierhalterin bei Hobbyzüchtern gekauft und in dieses Elend, ohne Kontrolle und Nachfrage, abgegeben worden.
Die Zwangsräumung wurde angeordnet
Dieses Angebot lehnte ich dann schweren Herzens ab, denn es hätte nur bedeutet, dass die Halterin die freien Plätze mit neuen Tieren auffüllen würde, und vor allen Dingen wäre das eine normale Übereignung an uns – unabhängig vom Veterinäramt – gewesen. Somit wäre von behördlicher Seite nichts dokumentiert und für zukünftige Verfahren nutzbar gewesen. Ich stieg also in mein Auto und fuhr zurück in unsere Kitty Station. Nach einigen Tagen meldete sich der Chef des zuständigen Veterinäramtes und bat um unsere Hilfe. Mittlerweile war die Zwangsräumung der Wohnung angeordnet worden, und nun fragte man sich im Veterinäramt wohin man mit den Tieren sollte. Wir verabredeten uns vor Ort und sagten zu, zumindest zwei oder drei Tiere aufnehmen zu können, da unsere Kapazitäten seit dem letzten Besuch schon wieder ziemlich belegt waren.
Bei der Zwangsräumung hatten wir es wieder mit einer hysterisch schreienden Tierhalterin zu tun, die alle beteiligten Personen permanent beschuldigte, ihren Tieren Schlimmes anzutun etc. Ich nahm zunächst zwei Welpen mit, die ca. drei Monate alt waren. Die Tierhalterin, die nun zu ihrem Exmann in die Wohnung ziehen musste, nahm ein Muttertier mit mehreren halbtoten verschnupften Katzenwelpen mit. Der Großteil der restlichen Tiere floh bei dem Tumult aus der Wohnung und versteckte sich außerhalb. Als mein Kollege, John-F. Pyka, vor dem Verschließen der Wohnung noch einmal alles nach Katzen durchsuchte, fand er eine verletzte Katze, die in einem Kratzbaum kauerte. Das Tier konnte seine Hinterhand nicht mehr benutzen und saß in seinem Urin und Kot. Laut der Tierhalterin war das Tier kürzlich (!) verletzt nach Hause gekommen und ihre Aussage dazu: „Meistens wächst so was ja von alleine wieder zusammen“. Einem Tierarzt war es noch nicht vorgestellt worden. Auch diese verletzte Katze nahmen wir mit und brachten sie sofort zu unserem Tierarzt. Dort wurde ein kompletter Bruch der Hüfte und der Hinterhand der Katze diagnostiziert. Zeitnah wurde das Tier in Narkose gelegt, um diese Verletzungen zu beheben, da die Katze in diesem Zustand auch nicht selbstständig Kot und Urin absetzen konnte.
Unser erfahrener Tierarzt konnte dann anhand der schon begonnenen Verwachsungen an den Bruchstellen feststellen, dass die Verletzung dieser Katze mindestens 14 Tage zurückliegen musste. Wenn man sich jetzt vorstellt, welche Schmerzen und Leiden dieses Tier in 14 Tagen, tierärztlich unversorgt, nicht in der Lage, Kot und Urin abzusetzen, erdulden musste, wird einem einfach nur schlecht. Zu allem Überfluss ist die Katze dann auch noch in der Narkose verstorben, der Gesamtzustand war einfach zu desolat. Wir leiteten den Untersuchungsbericht der Katze an das Veterinäramt weiter mit der Bitte, rechtliche Schritte gegen die Halterin einzuleiten.
Nach einigen Wochen meldete sich ein weiterer Katzenschutzverein aus unserer Region bei uns und schilderte die Aufnahme von zahlreichen total heruntergekommenen, schnupfenkranken Welpen. Im Gespräch war schnell klar, dass es sich um die bekannte Tierhalterin handelte. Viele der Welpen hatten mittlerweile ein Auge oder sogar zwei Augen verloren oder waren aufgrund des Katzenschnupfenvirus verstorben. Ich bat den Verein, die Untersuchungs- und Behandlungsberichte des Tierarztes ebenfalls an das zuständige Veterinäramt weiterzuleiten. Dann kam es endlich zu einer Gerichtsverhandlung gegen die Tierhalterin. Dort wurde entschieden, dass die Tierhalterin aufgrund der Vorkommnisse und ihrer offensichtlichen Unfähigkeit, die Tiere artgerecht und verantwortungsvoll zu halten, nur noch drei Katzen halten darf. Dieses Urteil ist für uns zumindest ein Anfang. Sicherlich wäre es uns lieber gewesen, wenn sie gar keine Tiere mehr hätte halten dürfen, aber die Beschränkung auf drei schränkt das Tierelend zumindest etwas ein. Einige Wochen nach der Verhandlung verabredeten wir uns erneut mit dem Veterinäramt. Dieses Mal bei der neuen Adresse der Tierhalterin. Nach erfolgter Kontrolle nahmen wir fünf Katzen aus der Wohnung auf, drei mussten wir zurück lassen.
Bei den von uns aufgenommenen Katzen handelt es sich um zwei Selkirk Rex Katzen, zwei Scottish Fold und eine normale Hauskatze. Die umgehende Untersuchung bei unserem Tierarzt ergab bei allen Tieren massive Wucherungen in der Maulhöhle, Zahn- und Zahnfleischvereiterungen, Floh- und Wurmbefall, Ohrenentzündungen sowie einen extrem schlechten Pflegezustand der langhaarigen Tieren. Mittlerweile sind die Katzen seit acht Wochen bei uns. Bei allen mussten fast alle Zähne gezogen werden. Sie mussten geschoren werden – teilweise unter Narkose und sind durchweg schwer traumatisiert gewesen. Erst jetzt, nach so vielen Wochen, tauen sie langsam auf und können von uns vermittelt werden, sofern wir einfühlsame neue Katzenbesitzer finden, die eine lange Eingewöhnungszeit ihrer neuen Familienmitglieder in Kauf nehmen.
So eine Geschichte kostet neben den finanziellen Mitteln vor allen Dingen sehr viel Kraft und Einsatz. Man ist oft an seinen Grenzen und denkt ans Aufgeben, aber dann denkt man wieder an die verelendeten Tiere in einer solchen Haltung und daran, dass, wenn wir uns nicht für sie einsetzen, es niemand tut, und das lässt uns dranbleiben. Für zwei dieser armen Katzen gab es auch schon ein Happy End: Der einjährige Selkirk Rex Hugo konnte in eine sehr nette Katzengruppe bei verantwortungsvollen Katzenhaltern umziehen, und die schüchterne Emma (EKH) ist auch seit einigen Tagen in ihrem neuen Zuhause und macht ihre Sache dort sehr gut. Die anderen drei warten noch auf ihr neues Zuhause.