Massentierhaltung

Behörden überprüfen Mastanlagen alle 17 Jahre

Mit trauriger Regelmäßigkeit sorgen Bilder aus landwirtschaftlichen Betrieben für negative Schlagzeilen und schockierte Verbraucher. Bilder, die von Aktivisten und Tierschützern heimlich aufgenommen wurden und Missstände zeigen, die die Verantwortlichen gerne vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen. Die Massentierhaltung ist eines der grausamsten Kapitel im Umgang von uns Menschen mit Tieren. Sie ist in ihrem ganzen Ausmaß ein Synonym für Tierquälerei. Die große Nachfrage nach billigem Fleisch lässt viele Konsumenten darüber hinwegsehen – ohne Massentierhaltung ließe sie sich nicht befriedigen. Umso wichtiger ist also die Kontrolle der Ställe und der Haltungsbedingungen, in denen all die Tiere leben müssen.

Foto: © Jan Peifer

Seit über 15 Jahren ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert, zahlreiche Haltungsverordnungen ergänzen das Tierschutzgesetz und sollen wenigstens ein Mindestmaß an verantwortungsvollem Umgang mit Tieren garantieren. Doch die immer wiederkehrenden Skandale zeigen, dass das System mit sich selbst überfordert ist. Die Ergebnisse einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung zeigen nun, dass die Situation noch viel schlimmer ist, als viele befürchteten: Im Schnitt werden tierhaltende Betriebe in Deutschland nur alle 17 Jahre kontrolliert! Dabei werden in den Ländern mit der höchsten Nutztierhaltung Ställe noch deutlich seltener einer Kontrolle unterzogen.

In Baden-Württemberg besucht etwa alle 19 Jahre ein Kontrolleur des Veterinäramts einen Stall, in Niedersachsen alle 21 Jahre, und in Bayern, mit fast 150.000 Nutztierbetrieben ganz oben in der Liste, erfolgt eine Stallkontrolle rechnerisch nur ein einziges Mal in 49 Jahren. In Sachsen-Anhalt muss ein Tierhaltungsbetrieb etwa alle 24 Jahre mit einer Kontrolle rechnen, in Schleswig-Holstein sind es 37 Jahre. Insgesamt gibt es rund 640.000 tierhaltende Betriebe, deren Kontrolle Aufgabe der Ordnungsbehörden ist. Doch mit 15.000 Kontrolleuren können diese den Anforderungen nur stichprobenartig gerecht werden – auch diese Zahlen veröffentlichte nun die Bundesregierung. Selbst bei den wenigen Kontrollen, die ein Tierhalter in Kauf nehmen muss, ist die Zahl der Verstöße hoch. So gab es etwa in Niedersachsen, Deutschlands Geflügelzüchterhochburg, in fast 30% der im Jahr 2017 kontrollierten Betriebe Beanstandungen.

Die Agrarlobby will unbequeme Veröffentlichungen aus den Ställen verhindern.

Diese Zahlen sind ein deutlicher Hinweis auf eine unbequeme Wahrheit: Massentierhaltung bedeutet immer Tierleid. Erschreckend, wenn auch für viele Tierschützer nicht überraschend, ist die Selbstdarstellung der Politik zu diesem Thema. Anstelle von Lösungsansätzen zur Verhinderung von Skandalen sollen diese nicht mehr ans Licht kommen. Zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode einigten sich die Regierungsparteien darauf, einen neuen Straftatbestand zu schaffen. Damit sollen Tierschützer leichter belangt werden können, die Missstände in den Ställen auf eigene Faust aufdecken. Aktivisten, die unbefugt und vor allem unangemeldet in Tierställe eindringen und ihre Eindrücke veröffentlichen, sollen einfacher angeklagt werden können. Ganz offensichtlich hat hier die Agrarlobby ihren Einfluss geltend gemacht, denn unbequeme Veröffentlichungen aus den Ställen ihrer Mitglieder sind nicht in ihrem Interesse. Allerdings hat die Öffentlichkeit zu diesem Thema eine andere Meinung, wie jüngst eine Umfrage im Auftrag der wichtigsten Tierschutzund Tierrechtsorganisationen ergab. Demnach hält es der überwiegende Teil der Bevölkerung für rechtens und gerechtfertigt, wenn heimlich Missstände dokumentiert und veröffentlicht werden.

So oft werden Tierhaltungsbetriebe durchschnittlich in Deutschland kontrolliert:

Baden Württemberg 19 Jahre
Niedersachsen 21 Jahre
Sachsen-Anhalt 24 Jahre
Schleswig-Holstein 37 Jahre
Bayern 49 Jahre

(Auszug, Quelle Bundesregierung, Kleine Anfrage der FDP aus dem Sommer 2018)

Es ist traurig, dass Tierschutzaktivisten Aufgaben von staatlichen Kontrollorganen übernehmen müssen.

Auch die Rechtsprechung hat sich hier schon deutlich positioniert: Im vergangenen Jahr waren drei Tierschützer in der dritten Instanz vom Oberlandesgericht Naumburg freigesprochen worden, die in einen Schweinezuchtbetrieb in Sachsen- Anhalt eingedrungen waren und dort u.a. zu kleine Kastenstände gefilmt hatten. Zwar hatten sie sich durchaus des Hausfriedensbruches schuldig gemacht, urteilte das Gericht. Allerdings sei der vernachlässigte und staatlicherseits nicht durchgesetzte Tierschutz als sogenannter rechtfertigender Notstand höher zu bewerten und die Aktivisten darum freizusprechen. Das Gericht betonte in dem richtungsweisenden Urteil ausdrücklich das positive und sogar vorbildliche Verhalten der Tierschützer. Es ist traurig, dass Tierschutzaktivisten Aufgaben von staatlichen Kontrollorganen übernehmen müssen, die diesen selbst nicht nachkommen. Besonders perfide ist die Haltung der Politik, die ihnen dafür auch noch mit Bestrafung droht. Organisationen, die solche Missstände und Zusammenhänge aufzeigen, machen klar: Noch nie war ihre Arbeit und Funktion so wichtig wie heute. Die einzig verlässliche Möglichkeit zur Eindämmung von Verstößen, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten in der Tierhaltung im großen Stil ist die Abschaffung der Massentierhaltung und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diesen Zusammenhang.

Jan Peifer