Die steigende Nachfrage ließ auch das Angebot in die Höhe schnellen. Vor 50 Jahren mästeten die Deutschen knapp 4 Millionen Schweine jährlich, heute ist es bereits mehr als die vierzehnfache Menge. Einerseits führte diese Entwicklung zur Konzentration des Marktes, immer mehr kleinere Betriebe verschwinden. Auf immer größeren Mastanlagen werden immer weniger Menschen beschäftigt, dafür mehr Fleisch produziert. Andererseits leitete das stetig wachsende Angebot einen beispiellosen Preisverfall ein – Fleisch im Discounter ist mittlerweile (am Kilopreis gemessen) oft billiger als manches Gemüse. Früher galt Fleisch als Luxusprodukt und Statussymbol, heute ist der Großteil zum billigen, überall und ständig verfügbaren Massenprodukt geworden. Dieser Preisverfall lässt sich bis zum Erzeuger zurückverfolgen und ist maßgeblich mitverantwortlich für die veränderten Anforderungen: Wenn ein Züchter eine Mindestmenge von Tieren nicht „erzeugen“ kann, so kann er seinen Betrieb nicht mehr wirtschaftlich führen. Das Prinzip ist nicht neu, aber die Mindestmenge steigt und steigt – pro Schwein und Mastdurchlauf verdient ein Mäster heute bloß noch 5-10 EUR. Jüngst veröffentlichte Filmaufnahmen zeigen jetzt wieder einmal, wer den Preis für das Billigfleisch tatsächlich zahlt: die Tiere. Von Tierschützern an 15 verschiedenen Standorten in Deutschland heimlich erstelltes Videomaterial belegt einen erschreckenden Umgang ausgerechnet mit den Jüngsten, den Ferkeln. Zu sehen ist, wie kleine Ferkel an den Hinterbeinen aus dem Koben gehoben und dann entweder mit Hämmern oder direkt auf dem Boden oder der Kante der Stallungsbegrenzung erschlagen werden. Die Rede ist hier von „überzähligen“ Ferkeln. Ferkel, die zu schwach auf die Welt gekommen sind, um eine der Zitzen ihrer Mutter zu erreichen.
Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muss ein Schweinebauer heutzutage ein Leistungsziel von etwa 30 Ferkeln pro Jahr und Muttersau anpeilen. Wären es weniger, würde er seine Kosten nicht decken können. Bei der Züchtung moderner Muttersauen steht daher vor allem eine hohe Geburtenrate im Vordergrund. Dies hat zur Folge, dass Sauen häufig mehr Ferkel gebären, als sie säugen können. Die „überzähligen“ Ferkel, meist schwache oder einfach kleine Tiere, könnten problemlos aufgepäppelt werden. Doch da dies vor allem einen für den Landwirt unerwünschten – weil unwirtschaftlichen – Kostenfaktor bedeuten würde, werden sie getötet. Nach dem Tierschutzgesetz ist diese Praxis nicht gerechtfertigt, denn danach sind Tierhalter verpflichtet, ihren Tieren unnötige Schmerzen zu ersparen. Zudem heißt es wörtlich: „Wer ein Tier ohne vernünftigen Grund tötet, macht sich strafbar“. Eine fachgerechte Nottötung etwa von kranken Tieren erlaubt das Tierschutzgesetz durchaus, doch angesichts der ganz offensichtlichen, flächendeckenden Tötung von Tieren kann hier von Nottötungen nicht mehr gesprochen werden. Verschiedene Experten zeigten sich ob des veröffentlichten Videomaterials schockiert, u.a. äußerte sich die Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Dr. Cornelia Jäger: „Wahrscheinlich werden jedes Jahr Hunderttausende Schweine ohne Not und in nicht zulässiger Weise getötet, die hätten gerettet werden können“. Mit den Aufnahmen konfrontiert, sprechen sowohl Vertreter des Schweinezüchterverbands als auch die zuständigen Behörden von schwarzen Schafen, von Einzelfällen. Doch angesichts der ungebrochenen Nachfrage und dem enormen Preisdruck, unter dem die Landwirte stehen, wird auch Laien schnell klar: Der Fehler liegt im System. Zwar steht der Tierschutz seit über zehn Jahren im Grundgesetz; doch um dieses Ziel auch umsetzen zu können, muss letztendlich der Verbraucher entscheiden, was ihm das Fleisch aus der Kühltheke wert ist. Wer beim Angebot von 1,79 EUR/kg zuschlägt, dem sollte klar sein, was er damit unterstützt: Tierquälerei, auf vielen Ebenen.