Ratgeber Tiermedizin

Depression bei Tieren

Können unsere Haustiere unter Depressionen leiden? Verhaltenstherapeuten sind sich einig. Ja, lautet die klare Antwort. Doch was das Tier im Einzelfall bedrückt, ist oft nicht leicht zu klären. Schließlich können die Süßen nicht reden. Aber wenn eine Katze von heute auf morgen ihr Lieblingsspielzeug nicht mehr ansieht, der Hund nicht mehr Gassi gehen mag und das Meerschweinchen nicht mehr aus dem Häuschen kommt, stimmt etwas nicht. Dann braucht der Vierbeiner Hilfe. Soviel ist eindeutig. Doch herauszufinden wo genau der Hase im Pfeffer begraben liegt, kann manchmal an Detektivarbeit grenzen. Und wie man das Problem beseitigt, kann noch viel komplizierter sein.

Depression beim Tier
Die Liste der möglichen nicht so offensichtlichen Auslöser für eine Depression beim Tier ist lang. Foto: sianbuckler/Pixabay

Gelegentlich sind die Ursachen klar. Das Partnertier ist verstorben, Herrchen und Frauchen trennen sich und einer zieht aus. Kein Wunder, das drückt auf die Stimmung. Tritt die Verhaltensänderung genau zeitgleich mit der Veränderung der Lebensumstände auf, liegt die Verstimmung sehr sicher daran. Schwieriger wird es, wenn kein Anlass gefunden werden kann, warum sich das Tier anders verhält als sonst. In diesen Fällen sollte zunächst ein Tierarzt zu Rate gezogen werden, der den Gesundheitszustand der Fellnase überprüft. Schließlich können auch Zahnschmerzen oder Bauchweh dazu führen, dass sich ein Vierbeiner zurückzieht oder Spiel und Futter verweigert. Erst wenn eine gründliche allgemeine Untersuchung, eventuell noch gekoppelt mit einer Blutuntersuchung, keine Hinweise auf eine Erkrankung gibt, wird eine Depression wahrscheinlich.

Vor allem Aggression, Ängstlichkeit oder starkes „In-sich-gekehrt sein“, aber auch ständige Unruhe weisen auf eine psychische Störung hin. In schweren Fällen neigen die Tiere gar zur Automutilation. Darunter versteht der Fachmann intensives Belecken und Benagen von Teilen des eigenen Körpers, solange bis Wunden entstehen. Auch das Jagen und Hineinbeißen in die eigene Rute fällt unter diesen Störungskomplex. Vierbeiner, deren seelisches Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist, neigen außerdem zu Unsauberkeit. Sie setzen sowohl Kot als auch Urin an Stellen ab, die absolut unüblich sind, oftmals sind auch Haus und Wohnung – hier sind insbesondere Betten, Sofas und Teppiche betroffen.

Sind organische Ursachen ausgeschlossen, muss der Halter genau hinschauen.

Langweilt sich mein Liebling, ist er zu viel allein? Oder ist etwa genau das Gegenteil der Fall? Überfordere ich ihn mit Agility-Kursen und der Mitnahme ins Büro? Nerven ihn die Geräusche des lauten Computerspiels, oder mag er das neue Parfum nicht? Oder wurde die Katze vielleicht beim Freigang vom Nachbarkater vermöbelt und hat jetzt schlicht und ergreifend Angst und traut sich nicht mehr aus dem Haus? Geht es mir vielleicht schlecht und ich übertrage meine eigene Traurigkeit auf das Tier? Lasse ich dem Tier zu wenig Freiraum, weil ich ständig an ihm herumerziehe und das womöglich nicht immer richtig?

Veränderte Lebensumstände beim Tierbesitzer können zu Verhaltensveränderungen beim Tier führen
Veränderte Lebensumstände beim Tierbesitzer können zu Verhaltensveränderungen beim Tier führen. Foto: Quang Nguyen Vinh/Pixabay

Die größte Erfolgsaussicht hat in diesen Fällen eine Verhaltenstherapie bei einem Spezialisten für Verhaltenskunde. Er oder sie macht sich ein genaues Bild von den Lebensumständen und der Vorgeschichte des Tieres. Ist die Ursache für die getrübte Stimmung gefunden, kann durch gezieltes Training und Tipps Abhilfe geschaffen werden. Psychopharmaka können auch beim Tier zusätzlich helfen, über das Schlimmste hinweg zu kommen. Sie dürfen aber nur begleitend zur Verhaltenstherapie eingesetzt werden, um den Zugang zum Tier überhaupt zu ermöglichen. Ziel muss dabei immer sein, die Medikamente baldmöglichst wieder abzusetzen. Zielgerichtete Änderungen im Leben des Vierbeiners führen dann im besten Fall dazu, dass seine Stimmung wieder aufgehellt wird und ihm dadurch ein fröhliches Tierleben möglich ist.

Die Liste der möglichen nicht so offensichtlichen Auslöser für eine Depression beim Tier ist lang. Aber erst, wenn die Ursache gefunden wird, kann man nach Lösungen suchen. Am einfachsten ist es natürlich, wenn es gelingt, den Stein des Anstoßes zu identifizieren und zu beseitigen. Doch im Falle einer Trennung der Halter oder beim Verlust des Partnertieres ist das eben nicht möglich.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.