Silvester

Der Aal ist in Gefahr

Vielleicht gehören auch Sie zu denjenigen, die bei der vergangenen Silvesterfeier Aal auf dem Speiseteller hatten … Der fetthaltige Fisch ist bei vielen Menschen als Speisefisch sehr beliebt. Und doch kennen die wenigsten die unglaubliche Lebensweise dieses überaus faszinierenden Tieres.

Wasserkraftanlage Rothenfels/Main
Wasserkraftanlage Rothenfels/Main vom Unterwasser aus gesehen: Kein Wasser fließt über das Wehr – aber alles durch die Turbinen – und alle Fische müssen mit durch die Turbinen bei einer Rechenweite von 100 Millimetern. Foto: © Winfried Klein, IG Lahn e.V.

Der Aal gehört zu den „Aalartigen“ (Anguilliformes), die eine etwa 900 Arten umfassende Ordnung schlangenförmiger, fast ausschließlich im Meer lebender Knochenfische bildet. Zu den Aalartigen gehören zum Beispiel auch Muränen, die eher in tropischen Gewässern zuhause sind. Nur Flussaale leben in Süßgewässern, zu denen der Europäische, der Amerikanische und der Japanische Aal gehören. In Flüssen lebt er vorwiegend auf dem Grund, gerne unter Steinen oder in geschützten Spalten. Vorwiegend ernährt er sich von Würmern, Insektenlarven, kleinen Krebsen und auch von anderen Fischen. Dass der Aal ein Aasfresser sei, ist ein Märchen. Das Gegenteil ist der Fall – der Aal gehört zu den nachtaktiven Raubfischen, der sich ausschließlich von lebender oder frisch getöteter Beute ernährt. Erwachsene Weibchen können bis zu 150 cm lang werden, die Männchen dagegen bleiben mit bis zu 60 cm kleiner. Besonders ausgeprägt beim Aal ist der Geruchssinn, denn sie können, so wie Hunde, stereokopisch riechen, sind aber dem Hund als Superspürnase weit überlegen. Das heißt, in ihren zwei Nasenöffnungen sind zwei Röhrchen, mit deren Hilfe der Aal genau die Richtung eines Geruchs oder Geschmacks orten kann. Dies hilft ihm auch auf seinen langen Wanderungen.

Der Aal legt im Laufe seines Lebens zwischen der Karibik (Sargasso See nahe dem Bermudadreieck) und Europa ca. 5000 km zurück. Seine Laichgründe befinden sich nördlich der Antillen, Haiti und Puerto Rico. Frisch geschlüpfte Larven treten als sogenannte „Weidenblattlarven“ ihren Weg nach Europa an. Hierbei folgen sie dem Golfstrom und wandeln sich vor den Küsten von Aallarven zu Glasaalen um. Erst als Glasaal steigen sie in die verschiedenen Flüsse auf. Meist im September tauchen sie in Frankreich und in England auf, an der Nordsee im Februar und in der Ostsee im Mai. Sobald sie im Süßwasser angekommen sind, lagern sie im Körper Pigmente ein und verwandeln sich in sogenannte „braune Elvers“. Hinzu kommt, dass der Aal fähig ist, über einen längeren Zeitraum das Element Wasser zu verlassen und sich kriechend auf schlammigem Boden fortzubewegen. Aale leben bis zu zwanzig Jahre in den Flüssen bevor sie dann wieder als Blankaale (erwachsene Aale) zurück in den Südatlantik ziehen. Diese Reise dauert ein bis eineinhalb Jahre und beginnt meist zwischen Oktober und November. In Flüssen wie Elbe, Oder, Rhein, Ems oder Weser lassen sie sich meist sehr energiesparend von der Strömung treiben, wobei sie dabei eine s-förmige Krümmung annehmen. Der Aal gehört damit zu den wenigen Wanderern, der von salzig nach süß zum Leben und von süß nach salzig zum Laichen und Sterben schwimmen – ein sogenannter katadromer Wanderfisch, der einmalig am Ende seines Lebens zum Laichen ins Meer zieht. Wenn er seine Rückreise in die Karibik antritt, bilden sich seine Verdauungsorgane zurück, so dass er auf seine vorhandenen Energiereserven angewiesen ist. Auch die Augen vergrößern sich für diesen Zeitraum, und die Haut reflektiert als Tarnmaßnahme silbrig. Um den Aalbestand zu schützen, ist es erforderlich, bestanderhaltende Maßnahmen international zu koordinieren. So muss dringend die Regulierung der Fischerei auf Glasaale verbessert werden, damit auch genügend Jungfische in die Flüsse aufsteigen können. In den Flussgebieten selbst gilt ähnliches, damit genügend Jungaale bis zu ihrer Geschlechtsreife heranwachsen können. Und wenn die Aale beginnen als sogenannte „Blankaale“ (die Vorstufe zur Geschlechtsreife, die sie kurz vor Wanderungsbeginn als erwachsene Aale erreichen) die Wanderung anzutreten, müssen auch sie in ausreichender Zahl ihr Ziel erreichen können. Zum Blankaal werden die männlichen Fische im Alter von ca. sechs bis neun Jahren, die weiblichen Fische erst mit zwölf bis 15 Jahren. Das heißt, auch für diese Wanderung müssen die Lebensräume nachhaltig geschützt werden, was sowohl die Qualität des Wassers betrifft als auch die Sicherheit der Fische gewährleisten soll, etwa beim Passieren der verschiedenen Stauanlagen oder Wasserkraftwerke. Denn diese stellen ein oftmals tödliches Reiseende dar.

Seit 1998 steht der Aal auf der Roten Liste gefährdeter Arten

Es ist bislang noch nicht gelungen, Aale in Gefangenschaft zu züchten. Für die Aquakultur (die Aufzucht mit Besatzfischen) und für Besatzzwecke in Flüssen werden sogenannte „Glasaale“ (junge Aale) teuer gehandelt – bis zu 1000 EUR werden für ein Kilo Jungaale mit einer Größe von je 15 Zentimetern bezahlt. Das heißt, für eine Zucht sind immer Wildfänge erforderlich. Glasaale werden vor den europäischen Küsten in großen Mengen gefangen, um entweder direkt verzehrt oder eben in Aquakulturen gemästet zu werden. Pro Jahr wurden zwischen 1995 und 2005 rund eine halbe Milliarde Glasaale nach Asien ausgeführt, die hier zum Verzehr besonders beliebt sind. Die Produktionsmenge des Europäischen Aals, die hauptsächlich in den Niederlanden, Dänemark und in Italien erzeugt wird, liegt bei gut 10.000 Tonnen pro Jahr. Der übermäßige Fang erwachsener Tiere hat mit dazu beigetragen, dass die gesamte Aalpopulation drastisch zurückgegangen ist. Gleichzeitig werden Gewässer zunehmend verbaut, so dass eine Wanderung erschwert wird. Auch biologische Feinde wie etwa der Schwimmblasenwurm, ein aus dem asiatischen Raum eingeschleppter Parasit, oder das Herpesvirus setzen dem Aal zu.

Mechanische Barrieren in Wasserkraftanlagen helfen nur bedingt…

Bei den vielen hintereinander gestaffelten Wasserkraftanlagen, so zum Beispiel entlang der Lahn, wie aber auch in vielen anderen Fließgewässern, erreichen nur noch sehr wenige Aale den Rhein, die Nordsee bzw. den Atlantik. Da meistens nahezu der gesamte Abfluss eines Gewässers durch die Turbinen geht, haben die abwandernden Blankaale keine Chance mehr, werden schwer verletzt oder sofort getötet. Im vergangenen Herbst 2015 hatten fast alle Fließgewässer einen extremen Niedrigstand. Dies wurde unter anderem auch an der Lahn, am Main, an der Mosel, am Rhein usw. festgestellt. Ende November setzte sehr starker Regen ein, sodass es zu einer massenhaften Abwanderung der Blankaale kam, mit dem Ziel über den Rhein nach Holland zu schwimmen, um dann die lange Reise zurück in die Sargasso See in der Karibik anzutreten. Leider ist anzunehmen, dass mehrere Tausend Tonnen der Fische durch die Rechen und Turbinen der auf dem Weg liegenden Wasserkraftanlagen entweder erdrückt oder gehäckselt wurden. Bei einer Anzahl von rund 8000 Wasserkraftanlagen in Deutschland lässt sich nur erahnen, wie viele Fische grausam in den Turbinen den Tod finden. Auch in Stauanlagen verenden viele Fische kläglich. Der Aal hat noch eine Chance stromaufwärts über funktionierende Fischaufstiegsanlagen flussaufwärts zu gelangen – stromabwärts weniger, da die Fische zwangsläufig mit dem Hauptwasserstrom vor die Rechen oder direkt in die Turbinen gelangen und darin fast alle schwer verletzt oder gleich getötet werden. Bei einigen Stauanlagen mit Wasserkraft wurden daher Fischabstiegsanlagen eingebaut, die aber laut „Forum Fischschutz“ (UBA) weltweit nirgendwo funktionieren. Mit zunehmender Zahl der Hindernisse wird eine große Zahl der Aale trotz aller Fischauf- und Fischabstiegsanlagen die Laichgebiete nicht erreichen.

„Die Behauptung der Lobbyisten und Betreiber der Wasserkraftanlagen, es gäbe vor den Turbinen Schutzgitter (sogenannte Rechen) ist falsch. Obwohl in Hessen seit vielen Jahren ein 15mm Rechenabstand gesetzlich vorgeschrieben ist, sind noch nicht mal 1% der Anlagen nachgerüstet worden, und die meisten haben sogar Rechenweiten von 35-100 mm. Man kann davon ausgehen, dass nahezu 100% der in der Lahn und anderen Flüssen abwandernden Aale in den hintereinander gestaffelten Wasserkraftanlagen grausam und tierschutzwidrig geschreddert werden“, klagt Winfried Klein vom Gewässerwart Fischerei- Sportverein Oberlahn e.V. und Vorsitzender der IG-LAHN e.V. „Auch abwandernde Junglachse mit einer Körperlänge von 12-15 cm passieren die Turbinen und werden zu etwa 30% je Anlage getötet“, stellt er weiterhin traurig fest. Damit wird der erhebliche ehrenamtliche Aufwand der Mitarbeiter in der IG-LAHN bei der Erbrütung, Aufzucht und Wiederansiedlung dieser Wanderfische zunichte gemacht.

An den Wasserkraftwerken der Agger zum Beispiel wurden 2015 die Stababstände an den Einlaufrechen auf 20 mm verkleinert, um das Hineinschwimmen der Aale in die Turbine zu verhindern. Gut gemeint, doch leider mit falschem Ergebnis, denn durch die hohe Anströmgeschwindigkeit werden die Aale vor die Rechen gedrückt und können von dort nicht mehr wegschwimmen. Sie sind so stark gequetscht, dass sie schwer verletzt und mit Schwemmgut in Abfallcontainer fallen, wo sie qualvoll verenden.

Die Lüge vom grünen Strom

„Der Anteil der mit Wasserkraft erzeugten erneuerbaren Energie liegt bei nur 3,1% der Gesamtbruttostromerzeugung der BRD. Der Anteil aller Aggerkraftwerke beträgt 0,0019 %. Durch die Nutzung der Wasserkraft mittels Turbinen zur Stromerzeugung werden nahezu 100% der abwandernden Aale aus dem gesamten Einzugsbereich der Agger auf grausamste Art geschreddert oder zerquetscht. Das massenhafte Sterben von unzähligen anderen Arten wurde hier noch nicht einmal beschrieben!“, empört sich Winfried Klein. „Angesichts dieses Jahr für Jahr stattfindenden Massakers sollte die umgehende Stilllegung der Turbinen und ein ökologisch sinnvoller Rückbau der Wehr- und Stauanlagen überdacht werden“, fordert er. Zunftobermeister Thomas Hartmann von der Fischerzunft Gemünden am Main und Vizepräsident des Unterfränkischen Fischereiverbands, spricht von „der Lüge vom grünen Strom oder Ökostrom“ aus Wasserkraft, die den Verbrauchern ein gutes Gewissen verschaffen solle.

Eine Maßnahme zur Verbesserung ist das sogenannte Aal schonende Verfahren, das mittlerweile am Main zwischen Bamberg und Gemünden-Harrbach angewandt wird. Sobald eine Wanderbewegung von Aalen festgestellt wird, wird die nur auf Teillast laufende Turbine abgeschaltet, während die auf Volllast laufende Turbine weiter dreht, da darin angeblich nur geringere Schäden an den Aalen entstehen. Die beweglichen Wehrwalzen werden dann etwas angehoben, sodass zumindest einige Aale so unter der Stauwalze hindurch das Abwanderhindernis passieren können. Doch auch dabei werden viele Aale mehr oder weniger schwer verletzt, da sie bei der enormen Wassergeschwindigkeit mit Betonabsätzen und anderen Hindernissen am Gewässerboden kollidieren. „Ob das so klappt, weiß man allerdings nicht genau“, sagt Hartmann. Vermutlich würde dennoch ein großer Teil der Aale in die Turbinen schwimmen. Effektiver sei das sogenannte „Catch & Carry“ Projekt mit dem einzelne Fischer hinter Stauanlagen wie in Harrbach überlebende und nicht verletzte Aale einsammeln und an den Rhein transportieren, von wo die Aale dann über die Nordsee den Atlantik erreichen können. Auch werden immer sogenannte „Fischschonende Turbinen“ von Herstellern ins Spiel gebracht. Allerdings konnte bisher keine dieser Turbinen ihre Fischfreundlichkeit belegen.

Thomas Hartmann erklärt, dass es sinnvoll wäre, die hohen staatlichen Subventionen (EEG) für alle Wasserkraftanlagen zu beenden, die den Stromverbraucher viel Geld kosten und wegen ihrer geringen Leistung hauptsächlich den Betreibern nutzen und nicht der Umwelt. In allen Fließgewässern hätten Wasserkraftwerke eine verheerende Wirkung auf den Aalbestand wie auch auf alle anderen Fischarten, weil bei fast allen Anlagen auch gegen die Einhaltung der Vorgaben für gesetzlich festgelegte Restwassermengen verstoßen werde. Das ist die Menge Wasser, die zum Schutz der Wassertiere im Bach oder Fluss bleiben muss und nicht durch die Turbinen geleitet wird. Der bayerische Landesfischereiverband habe deshalb in diesem Jahr erstmals fünf Kraftwerksbetreiber angezeigt, erläutert Hartmann. Darunter war auch ein Werk an der Sinn bei Gemünden, das schon 2012 bemängelt worden war. Bei einer neuerlichen Kontrolle 2014 waren nur 16 Prozent des vorgeschriebenen Restwassers vorhanden.

Mehr Informationen erhalten Sie bei:

Winfried Klein
Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Verband Hessischer Fischer e.V.
Tel. +49 6482 4994

Alexandra Pfitzmann

Redaktion "mensch & tier"