Wildvögel

Der Stieglitz (Carduelis carduelis)

Im Laufe Zeit wurden viele Wildtiere durch ihr Verhalten, ihre Gestalt oder ihre verschiedenen Farben mit mehr oder weniger bezeichnenden Namen bedacht. Hier weiß der Stieglitz (Carduelis carduelis) – auch Distelfink genannt – besonders durch sein auffällig bunt gezeichnetes Gefieder zu punkten. Er ist ein lebhafter Vogel mit einer hübschen, roten Gesichtsmaske, der übrige Kopf ist schwarz-weiß. Seine Flügel sind meist schwarz mit gelben Binden. Die bräunliche Oberseite geht zum Bürzel hin in Weiß über. Besonders im Flug zeigt der Stieglitz deutlich seinen weißen Bürzel und die weißen Flügelbinden. Hilfreich ist sein spitzer Schnabel, denn dieser macht es ihm möglich, an die mit scharfen Stacheln geschützten Samen der Disteln und Karden heranzukommen, ohne sich zu verletzen.

Stieglitz
Der Stieglitz, auch Distelfink genannt, ist der Vogel des Jahres 2016. Foto: jlaswilson / Lizenz: CC0 1.0 Universell CC0 1.0

Zu seinem Namen ist der Stieglitz gekommen durch die klingende Variation seines Gesanges. „Tiglitt, tiglitt“ ist sein Flugruf, wenn er sein Revier abgrenzt. Im Mai erweist sich der Stieglitz als sehr nützlich, indem er während dieser Zeit der Baumblüte Käfer, Blattläuse und kleine Fliegen vertilgt. Früher wurde der Stieglitz gerne als Käfigvogel gehalten und von Vogelzüchtern mit Kanarienvögeln gekreuzt, denn er zeigte sich sehr verträglich. Der hübsche Vogel ist ein sogenannter „Kulturfolger“, und ist mehr in menschlichen Siedlungen als in unberührter Naturlandschaft zu finden. Ein kunstvolles, innen mit weicher Pflanzenwolle ausgepolstertes kugeliges Nest bauen Distelfinkenweibchen mit Vorliebe auf Obst- und Chausseebäumen meist hoch auf den äußersten Zweigen. Dort ist es zwischen Blättern gut versteckt. Meist hört man den Gesang, wenn das Männchen in großen Gärten, im lichten Wald oder in dichten Hecken sein Revier abgrenzt. Leider muss der Stieglitz infolge der Intensivierung des Ackerbaus und den dadurch verschwindenden Distelfeldern diese nun auf unbebauten Flächen und Müllplätzen aufsuchen. Zu seiner Nahrung gehören ebenfalls Samen von Kletten, Löwenzahn, Flockenblumen und anderen Wildkräutern. Ebenfalls Früchte der Birken, Erlen und anderen Bäumen; zur Aufzucht der Jungen auch Insekten.

In den Monaten von Anfang April bis Juli machen Stieglitze zwei Bruten (bisweilen auch drei Bruten) in Gelegegrößen von 5-7 Eiern der Größe 17-13 mm. Diese zeigen auf weißlich blauem Grund spärliche rotbraune Flecken, meist auf den stumpfen Pol konzentriert. Während das Weibchen vom Vollgelege an brütet, wird es vom Männchen auf dem sorgsam gebauten Nest in der Brutdauer von 12-14 Tagen mit Nahrung versorgt. Es verlässt das Nest nur, um Kot abzusetzen. So wird das Nest sauber gehalten. Die Jungvögel werden nackt und blind geboren. Die von beiden Eltern gefütterten Nestlinge erhalten einen vorverdauten Nahrungsbrei aus deren Kropf. Während der ersten sechs Tage füttert das Weibchen die Jungvögel mit vorverdautem Nahrungsbrei ebenfalls aus dem Kropf und später mit dem, was es regelmäßig vom Männchen erhält. Die Jungen geben erst vom zweiten Tag an bis zum sechsten Tag jenen Kot ab, den das Weibchen verschluckt. In der Zeit vom fünften bis zum siebten Tag öffnen die Jungvögel ihre Augen und beginnen ihre Eltern anzubetteln. Sie verlassen das Nest mit 12-15 Tagen, sind aber noch eine weitere Woche von den Eltern abhängig.

Der Stieglitz besiedelt Westeuropa bis Mittelsibirien, Nordafrika sowie West- und Zentralasien. Das weltweite Verbreitungsgebiet des Stieglitzes wird auf 15.800.000 km² geschätzt, und in Deutschland ist er gemäß Bundesnaturschutzgesetz eine besonders geschützte Art.

Ingeborg Polaschek

aktion tier-Beratungsstelle für Wild- und kleine Haustiere