Massentierhaltung

Ein hartes Geschäft – Veterinäre auf Abwegen

Der Beruf des Tierarztes hat allgemein ein hohes Ansehen, vor allem für viele junge Mädchen ist es ein Traumberuf. Rund 85% der Studierenden, die für Veterinärmedizin an deutschen Universitäten eingeschrieben sind, sind weiblich. Doch jedes Jahr beenden mehr Absolventen ihre Ausbildung als niedergelassene Tierärzte in den Ruhestand gehen. Etwa zwei Drittel der Tierärztinnen und Tierärzte arbeiten in Praxen, der größte Teil der übrigen arbeitet für Kontrollbehörden oder in der Pharmaindustrie. Schnell wird klar, die Veterinärmedizin ist ein hartes Geschäft.

Immer wieder decken Tierrechtler Missstände in Schlachthöfen auf. Der Rinder Schlachthof in Oldenburg musste auf Grund von Tierschutzverstößen geschlossen werden. Foto: Jan Peifer

Auch Arbeitslosigkeit unter Veterinären ist für manche ein Thema. Viele Veterinäre stehen unter hohem Druck. Die Arbeit im Schlachthof etwa bringt eine starke physische und vor allem psychische Belastung mit sich. Fast immer, wenn ein Schlachthof für negative Schlagzeilen sorgt, werden auch Veterinäre erwähnt. Zu ihren Aufgaben gehören die Überwachung der Abläufe bei der Anlieferung, der Betäubung und Schlachtung der Tiere, außerdem die Fleischbeschau sowie die Kontrolle der Papiere. Veterinäre sollen den ordnungsgemäßen Ablauf sicherstellen, doch immer wieder kommt es vor, dass aus verschiedenen Gründen dieser Anspruch nicht erfüllt wird.

Skandale im Schlachthof Gärtringen in Baden-Württemberg und in einem Rinderschlachthof in Oldenburg.

Der Skandal um den Schlachthof Gärtringen in Baden-Württemberg, der mittlerweile geschlossen wurde (lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag auf den Folgeseiten 50-51), flog durch Tierschützer auf, die mit Videoaufzeichnungen diverse Missstände bei der Schlachtung dokumentiert hatten. Anwesende Veterinäre hatten nicht eingegriffen, Misshandlungen und Fehlbetäubungen nicht verhindert. Im Rahmen der Aufdeckung der Vorfälle wurden sie von ihren Aufgaben entbunden.

Noch schlimmere Ergebnisse zeigte eine Recherche in einem der größten deutschen Rinderschlachthöfe in Oldenburg im Jahr 2019. Etwa die Hälfte der Tiere wurde mit Elektroschocks gequält, völlig grund- und erbarmungslos geschlagen und getreten. Viele Tiere wurden nicht oder nur unzureichend betäubt und bei vollem Bewusstsein abgestochen. Deutlich erkennbar schritten auch hier die gut zu erkennenden Mitarbeiter des Veterinäramtes nicht ein, sondern beteiligten sich im Gegenteil sogar aktiv an den Misshandlungen. Unverzüglich hatten die Tierschützer auch hier Anzeige gegen die Betreiber des Schlachthofs sowie das zuständige Veterinäramt erstattet.

95% aller Schweine leben in der Massentierhaltung
Arme Sau: 95% aller Schweine leben in der Massentierhaltung. Foto: Jan Peiffer

Aber nicht nur in Schlachthöfen finden sich solche Negativbeispiele.

Für einen der größten Skandale in der Tiermedizin sorgte Ende der 1990er / Anfang der 2000er Jahre der Tierarzt Dr. Roland Fechter. Im großen Stil hatte der ehemalige Besitzer einer Tierklinik teils verbotene Leistungsförderer, Impfstoffe und Antibiotika an Landwirte verkauft, ohne jemals die angeblich betroffenen Tierbestände gesehen zu haben. Auch an Leistungssportler veräußerte er die Mittel. Insgesamt soll er so einen Umsatz von mehreren Millionen D-Mark erzielt haben. Das Landgericht Regensburg verurteilte ihn 2005 wegen insgesamt knapp 500 solcher Straftaten zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe und ordnete ein zweijähriges Berufsverbot an. Fechter ist kein Einzelfall; Experten schätzen, dass die tatsächlich im Umlauf befindliche Medikamentenmenge doppelt so groß ist, wie die registrierte Menge. Außerdem kann davon ausgegangen werden dass insgesamt mehr als die Hälfte der eingesetzten Medikamente aus unklarer Herkunft stammen.

Zu diesem Eindruck eines äußerst verantwortungslosen Umgangs mit der ärztlichen Zulassung passen auch persönliche Erfahrungen eines Insiders, der der Redaktion bekannt ist. In einer Großtierarztpraxis in Bayern konnte er über mehrere Jahre beobachten, dass etwa 50% der Kontrollen von Betrieben durch das Veterinäramt vorher den betroffenen Landwirten angekündigt worden waren. Gemeinsam mit den Landwirten half der Praxisinhaber dann dabei, Missstände im Vorfeld zu beseitigen und Unterlagen zu beschönigen. Darüber hinaus gehörte es zu seinem Alltagsgeschäft, Medikamente an Landwirte abzugeben, deren Bestände er nie gesehen hatte. Auch Medikamente, die zur Einschläferung nötig waren, wurden unter der Hand weitergegeben. Bei offiziellen Kontrollen der Praxis wurden Medikamentenbücher gefälscht, denn auch diese Kontrollen fanden angemeldet statt.

Zwischen Überforderung und Konkurrenzdruck

Solche und ähnliche Beobachtungen sind für viele Branchenkenner nicht neu. Die Gründe für das Fehlverhalten einiger Veterinäre sind vielfältig. Viele Veterinärämter sind mit ihren Aufgaben völlig überfordert und chronisch unterbesetzt. Mastanlagen werden so im Schnitt nur alle 17 Jahre einmal kontrolliert. Hinzu kommt, dass viele Tierärzte – mit Ausnahme von Angestellten in der Pharmaindustrie – keinen angemessenen Verdienst erhalten, darüber hinaus herrscht ein hoher Konkurrenzdruck. Die allermeisten Tierärzte handeln entsprechend ihrem Berufsethos zum Wohle der Tiere; ärztliches Fehlverhalten ist ein sensibles Thema. Umso mehr möchten wir dazu anhalten, vor Missständen nicht die Augen zu verschließen und diese zu melden.

Jan Peifer