Nutztiere | Massentierhaltung

Gesetzliche Pflicht fehlt - Videoüberwachung in deutschen Schlachthöfen?

Seit vielen Jahren reißen die Skandalmeldungen nicht ab. Immer wieder zeigen Videoaufnahmen, wie sogenannte Nutztiere nicht nur in der Mastanlage, sondern selbst noch im Schlachthof brutal gequält werden. Obwohl Schlachthöfe von Tierärzten überwacht sind, kommt es hier regelmäßig zu roher Gewalt gegen Tiere.

In Einzelfällen waren zuletzt sogar Tierärzte selbst daran beteiligt. Eines haben alle Videoaufnahmen gemein: Sie stammen von Kameras, die Tierschutzaktivisten verdeckt, also nicht offiziell, in Schlachtbetrieben angebracht hatten und das Geschehen ohne das Wissen der Beteiligten und Täter dokumentierten. Regelmäßig kommt es im Verlauf der Aufdeckungen zu Gerichtsverfahren, sowohl gegen Betreiber als auch gegen die Aktivisten.

Die Videoüberwachung in Schlachthöfen ist eine zentrale Forderung vieler Tierschützer. Sie ist dabei so aktuell, dass sie in einer geplanten Novellierung des Tierschutzgesetzes der letzten Bundesregierung endlich vorgesehen war. Durch den Bruch der Großen Koalition kam es nicht mehr zur Umsetzung. Der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung hat den Tierschutz an vielen Stellen anderen Prioritäten untergeordnet, und auch die Einführung einer Videoüberwachung in Schlachthöfen soll nun lediglich noch geprüft werden. Eine zeitnahe Gesetzesänderung ist also mehr als zweifelhaft. Doch warum ist eine Umsetzung so schwer? Ein oft angeführtes Argument von Lobbyvertretern ist der Datenschutz und damit einhergehend die Angst vor einer ungerechtfertigten Überwachung der Mitarbeiter. Zwar gibt es einzelne Unternehmen, die freiwillig eine Kameraüberwachung einrichten, die sich für Transparenz einsetzen und nichts zu verbergen haben. Doch handelt es sich hierbei wohl um Einzelfälle, wie Recherchen der letzten Jahre immer wieder belegen.

In mehr als 30 Betrieben wurden (meist verdeckt) Aufnahmen erstellt, die massive Tierquälerei zeigen. Betroffen waren Schlachtbetriebe in ganz Deutschland, in denen Schafe, Schweine, Rinder oder Geflügel geschlachtet wurden.

Verhindert: Videoüberwachung in Schlachthöfen

Obwohl Videoüberwachung in Schlachthöfen schon lange gefordert wird, fehlt in Deutschland bis heute eine gesetzliche Pflicht. Die letzte Bundesregierung plante eine Einführung, doch nach dem Koalitionsbruch wurde das Vorhaben fallengelassen. Aktuell ist nur von einer „Prüfung“ die Rede. Lobbyverbände führen Datenschutz als Argument an – Kritiker sehen darin den Versuch, Missstände zu vertuschen. Dabei zeigen Länder wie Spanien und Großbritannien: Videoüberwachung ist möglich und rechtlich umsetzbar.

Kameraüberwachung vorhanden — doch das Leid ging weiter: Tierschützer deckten vor einigen Jahren Missstände in einem Schlachthof in Niedersachsen auf. Foto: © Jan Peifer

Unlängst sorgten Aufnahmen aus einem Geflügelschlachthof in Bayern für Entsetzen. Dieser war einer der letzten seiner Art in Deutschland, da ausgediente Legehennen in der Regel aus Kostengründen zur Schlachtung ins Ausland gebracht werden. Bis zu 100.000 Tiere wurden hier pro Tag geschlachtet. Insgesamt hatten Tierschützer mehr als 500 Stunden Videomaterial gesammelt. Bei der Auswertung stießen sie auf unglaubliche 728 Übergriffe, davon mehr als 500 eindeutige Straftaten. An mindestens 228 schweren Übergriffen waren insgesamt neun Personen beteiligt. Sie hatten teilweise Tiere gewürgt, getreten, lebenden Hennen die Köpfe abgerissen und ihnen weitere schlimmste Misshandlungen zugefügt. Die Aktivisten hatten Strafanzeige gegen den Betreiber gestellt, das Veterinäramt wurde eingeschaltet, und der Betrieb wurde umgehend geschlossen. Fälle wie dieser sind leider keine Einzelfälle, auch wenn dies von Lobbyvertretern immer wieder so dargestellt wird.

Auch in anderen Ländern wird die Videoüberwachung in Schlachthöfen heiß diskutiert, umgesetzt wurde sie bisher verpflichtend in Großbritannien und Spanien. Dies zeigt, dass eine Realisierung auch EU-rechtlich und datenschutzkonform möglich ist (Großbritannien war zum Zeitpunkt der Einführung noch EU-Mitglied). Ob eine Videoüberwachung sinnvoll und angemessen ist, hängt letztlich auch davon ab, ob eine Kommunikation und Kontrolle mit oder durch die Behörden möglich ist. Denn nur wenn Daten gespeichert und gesichtet werden, können sie relevant werden. Eine Verfolgung von Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Verstößen findet jedoch heute schon oft nicht statt, weil niemand Verantwortung übernehmen möchte. Auch die Anzeigen von Tierschützern sind in der Regel nur erfolgreich, wenn sie wie im Fall des Legehennenschlachthofs mit eindeutigen Beweisen einhergehen. Die verpflichtende Einführung einer flächendeckenden Videoüberwachung in Schlachthöfen gilt als sehr unwahrscheinlich, eine vollständige Sicherheit würde sie darüber hinaus nicht gewährleisten können. Und abgesehen davon kann auch die Videoüberwachung nicht verschleiern, worum es im Schlachthof geht: dem Töten von Tieren. Immer ist hier Leid und Schmerz im Spiel.

Wer dieses Leid nicht unterstützen möchte, sollte tierische Produkte auf dem Teller durch pflanzliche Alternativen austauschen. Nur mit einer sinkenden Nachfrage können wir Verbraucher erreichen, dass irgendwann weniger Tiere geschlachtet werden.

Jan Peifer