Haustiere | Ratgeber Tiermedizin

Giardien – die unbekannten Wesen

Der Hund hat Durchfall, manchmal bricht er. Und immer, wenn man gerade denkt, die Krankheitsphase ist überwunden, geht die Problematik von vorne los. Seit Tagen bekommt das Tier Schonkost, Huhn mit Reis. Doch in regelmäßigen Abständen geht das Gluckern im Bauch wieder von vorne los. Der Stuhl wird erneut flüssig und stinkt dabei erbärmlich. Was ist hier los?

Junge Hunde
Meist erwischt es junge Hunde und Katzen!

Schuld daran sind häufig Einzeller. Sie tragen den gewöhnungsbedürftigen Namen Giardien. Ihre lateinische Bezeichnung lautet Giardia duodenalis. Es handelt sich hierbei um einen Darmparasiten, der viele Säugetiere aber auch den Menschen befallen kann. Er ist unter unseren Haustieren weit verbreitet. Studien belegen Befallsraten von über 15 %. Sie werden in unseren Breiten mit dem Kot bereits erkrankter Hunde oder auch Katzen ausgeschieden. In diesen Haufen überleben sie viele Tage, da die Erreger Umwelteinflüssen gegenüber sehr resistent sind. So können sie in 4°C warmem Wasser 3 Monate überleben, in feuchtem Boden bis zu sieben Wochen.

Gesunde Hunde und Katzen infizieren sich, wenn sie an Kothaufen anderer Giardien ausscheidender Tiere schnüffeln und sich danach die Schnauze ablecken. Doch auch über Trinkwassernäpfe oder Futterschüsseln, die gemeinsam benutzt werden, kann der Erreger übertragen werden. Nun dauert es nicht lange und die neu erkrankten Tiere haben selber Dünnpfiff, manchmal auch gepaart mit Vomitus, also Erbrechen. In seltenen Fällen erbricht das Tier auch nur, ohne dabei Durchfallsymptomatik zu zeigen. Meist erwischt es junge Hunde und Katzen, deren Immunsystem noch nicht so stark ist, als dass sie den krankmachenden Feind eliminieren könnten.

Giardien verursachen unter dem Strich in aller Regel nur mittelschwere Symptome. Erkrankte Tiere haben Bauchweh, Durchfall und Erbrechen. Sind sie aber nicht noch zusätzlich durch eine andere Erkrankung geschwächt, versterben sie nicht. Aber sie schaffen es auf der anderen Seite eben auch häufig nicht, dem Erreger Herr zu werden, ohne dass ihnen unterstützend mit Medikamenten geholfen wird. Das ist der eine Grund, warum jeder Giardienbefall tierärztlich behandelt werden muss. Der zweite, fast noch gewichtigere Grund ist, dass es sich hier um eine Zoonose handelt. Also um eine Krankheit, bei der sich der Mensch beim Tier anstecken kann. Für die Zweibeiner gilt ebenfalls: Hochdramatisch verläuft die Infektion meist nicht. Handelt es sich bei den Betroffenen allerdings um Senioren oder Kleinkinder, oder um immungeschwächte Personen wie HIV Patienten, kann auch eine Giardiose, so der Fachterminus für diese Erkrankung, richtig gefährlich werden.

Eine Stuhlprobe schafft Klarheit

Klarheit, ob es sich tatsächlich um den lästigen Parasiten handelt oder nicht, bringt ein Schnelltest beim Tierarzt oder eine Probe, die an ein Labor geschickt wird. Dazu bedarf es einer Stuhlprobe. Eine haselnussgroße Menge ist ausreichend. Sie darf auch richtig matschig oder sogar noch dünnflüssiger sein, mit Grasbeimengungen oder mit Katzenstreu gemischt, das spielt alles keine Rolle. Der Test kann innerhalb weniger Minuten durchgeführt werden und funktioniert wie ein Schwangerschaftstest. Ein Streifen, negativ, also keine Giardien, zwei Streifen positiv, das heißt, das Tier scheidet den Parasiten aus und hat sich infiziert.

Ist ein Giardienbefall nachgewiesen, muss eine Therapie eingeleitet werden. Und jetzt wird es richtig kompliziert. Tierärzte müssen laut Arzneimittelgesetz zur Behandlung von Krankheiten immer Präparate verwenden, die für die entsprechende Tierart und für die jeweilige Indikation zugelassen sind. So ein Medikament gibt es für Giardien, allerdings muss es über einen langen Zeitraum gegeben werden und leider hilft es oftmals nicht. Erst wenn er dieses Mittel bereits eingesetzt hat, darf der Tierarzt auf Alternativen zurückgreifen, die für diese Tierart aber für andere Erkrankungen zugelassen sind. Oftmals führen auch diese Varianten zu keiner befriedigenden Lösung, das heißt auch auf diesem Wege wird das Tier seinen Parasiten nicht los. Einzig Präparate, die weder für Hunde und Katzen noch für den Giardienbefall an sich zugelassen sind, helfen fast immer. So zum Beispiel ein Medikament für Tauben. Doch bis der Tierarzt dieses einsetzen darf, sind bereits Wochen vergangen, in denen erfolglos therapiert wurde, und in denen der Vierbeiner zudem weiter den Parasiten ausscheidet und damit munter andere Kollegen unbeabsichtigter Weise ansteckt. Daher ist die Behandlung unter dem Strich häufig langwierig, teuer und somit sehr unbefriedigend für den Besitzer.

Erschwerend kommt hinzu, dass schon zehn Oozysten, so das Fremdwort für die infektiöse Form des Parasiten, ausreichen, um sich erneut anzustecken. Und das, wo in einem Gramm Kot eines erkrankten Tieres zehn Millionen Zysten zu finden sind. Deshalb ist oft nicht klar, ob es nicht gelungen ist, den Giardien den Garaus zu machen, wenn ein Befall behandelt wurde, oder ob sich das Haustier erneut angesteckt hat.

Fütterung bei Giardien-Infektion

Was die Fütterung betrifft, ist es in diesem Fall ratsam, von der üblichen Schonkost (leicht verdauliche Kohlenhydrate) bei Durchfallerkrankungen abzuweichen. Denn Giardien ernähren sich ausgerechnet von Kohlenhydraten. Deshalb ist eine kohlenhydratarme, proteinreiche Kost empfehlenswert. Auf Reis, Kartoffeln oder Nudeln sollte also besser verzichtet werden, dafür darf der Fleischanteil üppiger ausfallen.

Eines ist wenigstens erfreulich: Schlägt die Therapie an, bessert sich die Symptomatik meist schlagartig. Ein Test, um den Behandlungserfolg zu prüfen, darf aber erst 7 bis 14 Tage nach Abschluss der Medikation gemacht werden. Denn bis dahin kann der Tierkörper noch abgetötete Oozysten ausscheiden. Da der Test nicht zwischen vitalen und bereits abgestorbenen Erregern unterscheiden kann, würde er auch bei toten Parasiten ausschlagen. Deshalb müssen einige Tage ins Land gehen, bevor es wirklich Sinn macht, erneut zu testen, um abzuklären, ob der Kampf gegen die Giardien gewonnen wurde. Neben der medikamentösen Therapie könnte man meinen, dass Desinfektionsmaßnahmen der Umgebung ähnlich bedeutsam sind, wie die Behandlung des Haustieres selber. Doch auch hier stoßen wir auf gewaltige Probleme. Der Parasit ist so widerstandfähig, das handelsübliche Desinfektionsmittel ihm nichts anhaben können. Einzig Spezialpräparate töten den Keim wirklich ab. Doch zumindest erreicht der Besitzer durch die gründliche Reinigung der Umgebung und der Körbchen eine Reduzierung der Anzahl der krankmachenden Parasiten, was ja auch schon ein Gewinn ist. Deshalb sollten alle waschbaren Gegenstände bei 60°C in die Waschmaschine wandern, alles was kochendes Wasser aushält mit selbigem gereinigt und Böden gründlich gewischt und getrocknet werden. Soweit möglich sollte man Untergründe mit Dampfstrahl über 60°C behandeln, darüber hinaus können ammoniakalische Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen.

Auch wenn viele Tierhalter ob der Dauer der Erkrankung nahe dran sind zu verzweifeln: Werden all diese Maßnahmen ergriffen, ist der Spuk irgendwann vorbei. Letztlich weiß man dann nicht, was den Ausschlag gegeben hat, dass die fiesen Dinger endlich beseitigt sind, doch irgendwann sind sie weg. Und schließlich ist letzten Endes die Hauptsache, dass es dem Vierbeiner endlich wieder gut geht und er niemand anderen mehr anstecken kann.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.