Doch dann erfolgte allmählich ein Umdenken. Man müsse die Angelegenheit etwas differenzierter betrachten, hieß es auf einmal. Die Kastrationskritiker führten hier vor allem das Tierschutzgesetz an, dass das Amputieren von Körperteilen ohne vernünftigen Grund untersagt. Und was ist schon ein vernünftiger Grund? Etwa die Verhinderung der Fortpflanzung? Oder das Vermeiden von Beißereien unter Rüden? Darüber kann man sich vortrefflich streiten. Außerdem wurde die Wissenschaft gewahr, dass die Studie, die die Verhinderung von Brustkrebs durch Kastration belegen sollte, auf eine winzige Gruppe Hündinnen noch dazu einer bestimmten Rasse fußte. Mit anderen Worten geht die Aussagekraft dieser Studie gegen null. Kaum zu glauben, dass hunderten Tierärzten während ihres Studiums aufgrund dieser Untersuchung eingetrichtert wurde, weibliche Hunde möglichst früh unters Messer zu legen.
Auch Tierhalter bekamen indirekt einige negative Auswirkungen des Eingriffs zu spüren.
Die gelegentlich auftretende Problematik der Inkontinenz in der zweiten Lebenshälfte vor allem bei großwüchsigen, kastrierten Hündinnen sprach sich herum. Eine gewisse Verhaltensänderung bei kastrierten Rüden ist nicht zu leugnen. Sie können etwas gleichgültiger werden, böse Zungen würden sagen „lahmarschig“. Gerne gehen die Kastraten auch etwas aus dem Leim. Ihr Grundumsatz sinkt, weil der Kalorienverbrauch im Zusammenhang mit dem Hormonhauhalt der Sexualhormone fehlt. Füttert der Besitzer weiter wie bisher, nimmt der Vierbeiner zu.
Ganz aktuell munkelt man in universitären Fachkreisen sogar, womöglich könne die frühe Kastration zwar Brustkrebs (zumindest bei kleinwüchsigen Hunderassen) seltener auftreten lassen, aber dafür unter Umständen andere Tumorarten begünstigen. Somit wäre wohl kaum etwas gewonnen.