Pressemitteilung

aktion tier-Wildtierstation Sachsenhagen - Mein Besuch in der Wildtierstation

Wenn das aktion tier-Igelzentrum in der Sommerpause ist, nutze ich die ruhigen Wochen gerne, um andere aktion tier-Projekte zu besuchen und von deren Arbeit zu berichten. Mit der aktion tier-Wildtierstation Sachsenhagen sind wir aufgrund der gemeinsamen Expertise rund um den Igelschutz eng verbunden. Daher bot es sich an, der Station einen Besuch abzustatten.

© Sandy Both

Einen Tag lang begleite ich die Tierärztin Karolin Schütte, die ich gut aus unserer gemeinsamen Zeit im aktion tier-Igelzentrum kenne. Die Wildtierstation liegt etwas abgelegen im niedersächsischen Sachsenhagen. Eine halbe Stunde Fahrt ab Hannover, dann sehen wir schon das große Tor. Die Wildtierstation besteht aus einem Backsteinhauptgebäude mit vielen Stationszimmern und dem Behandlungszimmer. Hier werden hilfebedürftige heimische Jungvögel aufgezogen, beschlagnahmte Reptilien beherbergt sowie andere Wildtiere aufgenommen und behandelt. Nebenan befindet sich ein großer Raum mit vielen Präparaten, in dem auch Schulungen und Seminare stattfinden und eine Halle, in der verschiedene Fahrzeuge stehen. Die Fahrzeuge werden benötigt, um schnell auch bis zum hintersten Winkel des großen angrenzenden Areals zu gelangen. Auf dem ehemaligen Militärgelände verteilt stehen überall Volieren und Bunker. Hier leben verletzte Wildtiere, die wieder ausgewildert werden sollen, Tiere aus Nachzuchtprogrammen im Rahmen des Artenschutzes und beschlagnahmte Tiere.

Die Wildtierstation teilt sich in mehrere Gebäude auf. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Unser erster Stopp war der Behandlungsraum. Die erste Patientin: Eine Amazone mit einem gebrochenen Fuß, der wir ein Frühstück samt Medikamenten vorbereiten. Aras aus der daneben liegenden Voliere machen in ohrenbetäubender Lautstärke auf sich aufmerksam. Wir tauschen Futter und Wasser der Amazone aus und lassen die Vögel wieder allein. Im Zimmer gegenüber zeigt mir Tierärztin Karolin Schütte viele Exoten, die aufgrund nicht artgerechter Unterbringung behördlich beschlagnahmt wurden und nun in der Wildtierstation untergebracht sind. Viele von ihnen zählen zu nicht geschützten Arten und können deshalb auch an Privatpersonen in ein neues Zuhause vermittelt werden. Zu diesen Tieren gehören unter anderem Kornnattern, Bartagamen, Leopardgeckos und Vogelspinnen. Allerdings bedarf es zur Aufnahme eines exotischen Tieres der Einhaltung verschiedener Auflagen, sodass es manchmal etwas länger dauert, das passende Zuhause zu finden. So wartet eine Königspython bereits seit Jahren auf einen neuen schönen Lebensplatz.

Weiter geht’s ins Igelzimmer. Hier fühle ich mich gleich so richtig heimisch. Am Tag zuvor war ein Igel mit trüben Augen abgegeben worden. Er war geschwächt, mager, leicht dehydriert und fiel eben auch durch seine trübe Augenhornhaut auf. Der Kotausstrich soll uns verraten, ob er von inneren Parasiten befallen ist. Unter dem Mikroskop findet Karolin Schütte tatsächlich Darmhaarwurmeier und Lungenwurmlarven. Er bekommt eine Entwurmung. Nachdem sie auch seine Augen genau untersucht hat, bekommt er eine Augensalbe und darf danach wieder in seine Stationsbox, um sich weiter zu erholen.

Der Igel bekommt eine Augensalbe und bleibt unter Beobachtung. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Bevor der nächste Patient eintrifft, sehe ich zufällig in einer der Stationsboxen ein paar Turmfalkenjungen! Ich bin hin und weg, sie sind so niedlich! Die drei kleinen Turmfalken sind noch so plüschig, aber sehr kommunikativ. Eine Mitarbeiterin bietet mir an, dass ich die nächste Fütterung filmen darf. Ich stelle mir den Handywecker, damit ich es auf keinen Fall verpasse.

Der nächste Patient ist ein junger Turmfalke, der seinen Findern durch eine Fehlhaltung des linken Flügels aufgefallen ist. Seit ein paar Tagen war er in ihrer Nachbarschaft unterwegs gewesen, dann konnten sie ihn einfangen und zur Wildtierstation bringen. Er wird von der Tierärztin erst gründlich abgetastet, dann wird geröntgt. Auch dort zeigt sich keine Auffälligkeit. Sein Flügel wirkt unauffällig. Er erhält einige Tage Ruhe zur Beobachtung.

Als ich Zeit habe, mich weiter umzusehen, lockt mich lautes Vogelgezwitscher in einen weiteren Raum. Viele heimische Jungvögel werden hier aufgezogen und für ihren zweiten Start ins Leben vorbereitet. Karolin Schütte nimmt sich die Zeit, mir alle Arten vorzustellen. Unter ihnen sind auch viele Mauersegler-Jungtiere, die während der letzten heißen Sommertage aus ihrem Nest gesprungen sind. Ich lerne, dass es nur selten gelingt, sie wieder ins Nest zu setzen, da sie danach wieder die Flucht aus der Hitze ergreifen. Später werde ich auch noch bei ihrer Fütterung zusehen dürfen.

In der Sommerzeit ist Hochsaison in der Station. Gerade eben erst wurde der Aufnahmestopp wieder aufgehoben. Und es klingelt erneut am Eingangstor. Zeitgleich werden ein Feldhasenjunges und eine noch sehr kleine Ratte vorgestellt. Die Ratte hat es leider aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands nicht geschafft, doch der Feldhase ist sehr lebhaft und scheint gute Chancen zu haben, einmal groß und stark zu werden. Er war von einer Katze gefasst worden. Da den Findern der Setzort der Häsin nicht bekannt war und durch Katzenbisse gefährliche Infektionen entstehen können, brachten sie ihn in die Wildtierstation.

Feldhase. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Im Aufnahmeraum entdecke ich einen Brutkasten, in dem zwei junge Eichhörnchen warmgehalten werden. Es ist so schön, mit anzusehen, wie die beiden miteinander spielen und raufen. Sie wurden unabhängig voneinander abgegeben, spielen aber wie Geschwister miteinander. Nach ihrer Auswilderung werden beide ihre eigenen Wege gehen, da Eichhörnchen Einzelgänger sind.

Eines der aufgefundenen und abgegebenen Eichhörnchenjungen. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Im Außenbereich besuchen wir zwei Mäusebussarde in einer Voliere. Wir fahren mit einem Elektroauto über die kleine Straße durch den Wald. Als wir die große Voliere betreten, fällt uns als Erstes ein Mäusebussard auf, der sich in der Sonne auf den Boden gesetzt hat. Während ein Mäusebussard gerade badete und sein Gefieder trocknete, untersucht Karolin Schütte sein Auge – die Augenverletzung heilt gut, und bald kann er freigelassen werden. Der zweite Bussard wurde hier als Jungtier mit einer Schulterverletzung abgegeben. Er ist mittlerweile groß und kräftig, kann aber noch nicht fliegen – eine wesentliche Voraussetzung für die Auswilderung. Röntgenbilder bestätigen, dass die alte Verletzung ungünstig verlaufen ist. Er wird seinen Flügel nie vollständig bewegen können und kann daher nicht ausgewildert werden.

Im Anschluss widmet sich Karolin Schütte einem ganz anderen Patienten. Ein Eichhörnchen wird in einer der Außenvolieren gesichert und muss nun in den Behandlungsraum. Es wurde mit einer Verletzung am Bein eingeliefert, die bereits genäht wurde. Heute ist der Kontrolltermin – und mit etwas Glück werden die Fäden gezogen. In einer kleinen Box wird es in eine Atemnarkose gelegt. Als es schläft, wird es auf den Behandlungstisch gelegt und ihm wird eine Atemmaske angelegt, durch die es das Narkosegas weiter einatmet. So kann die Wunde in Ruhe betrachtet werden. Und tatsächlich sieht alles gut verheilt aus, und Karolin Schütte beschließt, die Fäden zu ziehen. Alles geht kurz und schmerzlos, und nach der Aufwachzeit flitzt das Eichhörnchen in seiner Voliere aus der Box.

Einem Eichhörnchenjungen wird für die Untersuchung eine Atemmaske angelegt. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Die Turmfalkenjungen werden gefüttert – es gibt Kükengeschnetzeltes. Dieses Thema ist nicht so einfach für mich als Veganerin. Mir ist bewusst, dass viele Tiere sich von anderen Tieren ernähren. Doch ich hadere mit dem Prinzip, und irgendwie bin ich froh, dass ich das nicht entscheiden muss, denn auch die jungen Turmfalken sollen groß und stark werden. Mir wird gesagt, dass sie inzwischen kleine Knochen und Federn verdauen können. Am Anfang wurden sie noch stündlich gefüttert und nun in immer größeren Abständen. Die Tierpflegerin achtet darauf, dass jedes der Jungen seine Portion erhält, und ich bin froh, dass ich so etwas erleben darf.

Turmfalkenbabys. Alle Bilder: © Anne Sopart, aktion tier

Die nächsten Patienten sind ein junger Mäusebussard, der in der Nähe einer Straße im Gebüsch gefunden wurde sowie eine junge, verletzte Ringeltaube. Der Mäusebussard wird gründlich untersucht. Er ist mager und schwach, bekommt eine Infusion und darf sich in den nächsten Tagen erst einmal in der Station erholen. Die Ringeltaube wurde von einem Greifvogel angegriffen, berichten ihre Finder. Sie hatte große Wunden, und auch sie wird heute in Narkose gelegt, damit ihre Wunden genäht werden können. Während der Operation erklärt mir Karolin Schütte, dass es wichtig sei, nicht selbst einzugreifen (auch wenn es schwerfällt), wenn man beobachtet, dass ein Greifvogel z. B. eine Ringeltaube angreift. Die Beutegreifer sind auf Beute angewiesen, um sich zu ernähren und zu überleben. Und möglicherweise warten in ihrem Nest ein paar Vogelküken hungrig darauf, dass die Mutter mit Nahrung zurückkommt. Mir wird bewusst, wie sehr im Leben alles miteinander verzahnt ist und wie wichtig ein natürliches Gleichgewicht ist.

Karolin Schütte kündigt nun an, dass wir jetzt Flugtests mit zwei Fledermäusen machen werden. Sie holt nacheinander eine Mückenfledermaus und einen Kleinabendsegler aus ihren Fledermauskästen. Die Mückenfledermaus wurde mit zwei Jungtieren hier abgegeben, und die kleine Familie erholt sich gut. Ihr Flugtest verläuft gut, und lautlos fliegt sie den langen Gang zwischen den Stationszimmern hinauf, wendet und landet wieder am Ende des Gangs. Der Kleinabendsegler hat leider seine Schwierigkeiten, möchte nicht so richtig starten und landet nach ein paar Metern immer wieder auf dem Boden. Er muss noch in Behandlung bleiben.

Die letzte Behandlung des Tages ist das Chippen einiger Schildkröten. Zwei Landschildkröten, vermittelt in Privathand, erhalten einen Identifikationschip unter die Haut – vergleichbar mit Hunden und Katzen. Mit diesem Chip ist jedes Tier eindeutig identifizierbar. Die Sumpfschildkröten hingegen gehören zu einem Artenschutzprojekt der Wildtierstation. Die Europäische Sumpfschildkröte ist in Deutschland nahezu ausgestorben und wird in Sachsenhagen herangezogen, um später am Steinhuder Meer ausgewildert zu werden.

Und damit geht dieser ereignisreiche Tag für mich zu Ende. Ich bin überwältigt angesichts der vielen verschiedenen Tierarten, die hier Hilfe bekommen. Wir haben im Igelzentrum großes Glück, eine auf Wildtiere spezialisierte Tierärztin zu haben. Ich bin beeindruckt, mit wie viel Fachwissen sie die unterschiedlichsten Tierarten – mit Fell, Schuppen, Federn oder Stacheln – behandelt. Und dankbar, dass ich all das sehen und erleben durfte.

Die aktion tier-Wildtier- und Artenschutzstation ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Auffangstation für Wildtiere. Hier finden verletzte und verwaiste einheimische Wildtiere medizinische Versorgung und eine artgerechte Bleibe für die Zeit der Genesung. Oberstes Ziel ist die Auswilderung der rehabilitierten Tiere. Rund 3000 Tiere werden pro Jahr in der Wildtierstation aufgenommen.

Grundsätzlich werden zwei unterschiedliche Ziele verfolgt.

Bei einheimischen Wildtieren: Die Wiederauswilderung der genesenen oder aufgezogenen Pfleglinge in die freie Wildbahn.

Bei nichtheimischen Arten (Exoten): Die Vermittlung in eine dauerhafte Haltung, in der Regel an öffentliche zoologische Einrichtungen.

Wenn Sie an einer Führung teilnehmen wollen, können Sie sich auf der Website dafür anmelden. Auch Thementage, an denen Sie bestimmte Arten näher kennenlernen können, werden angeboten.

www.wildtierstation.de

Anne Sopart

Grafikerin und Social Media Managerin