Mast- und Zuchtkaninchen | Nachhaltig leben und einkaufen | Kaninchen in der Intensivmast

Millionen Kaninchen leiden im Käfig

Kaninchenfleisch gilt bei vielen Verbrauchern als Delikatesse, besonders fettarm und fast frei von Cholesterin. Es wird daher als besonders geeignet für Krankenhaus- oder Diätkost verkauft; und auch die Vorstellung der Konsumenten spielt bei der Kaufentscheidung eine Rolle: Wer an Kaninchen denkt, denkt in der Regel an grüne Wiesen, an hoppelnde Tiere, die Höhlen graben und über das Gras springen. Doch mit der Realität hat das meist nichts zu tun.

Kaninchenmast in Käfigen
Hier hocken tausende Kaninchen in engen Käfigen. Foto: Jan Peifer

Gut versteckt vor der Öffentlichkeit wird Kaninchenfleisch produziert. EU-weit leben etwa 340 Millionen Langohren in Mastfarmen der industriellen Massentierhaltung. Wie viele Kaninchen in Deutschland gehalten werden ist unklar. Es gibt immer wieder Zahlen von bis zu 30 Millionen, vermutlich sind es weniger, eine genaue Angabe gibt es nicht. Offizielle Zahlen gibt es kaum, die Erzeugung von Kaninchenfleisch wird in Deutschland statistisch nicht erfasst. Zu klein ist offenbar die wirtschaftliche Bedeutung.

Wohl deshalb ist die Kaninchenmast ein Zweig der Agrarindustrie, der lange Zeit vor allem auch durch die Vernachlässigung in den gesetzlichen Regelungen auffiel. Erst seit August 2014 werden Kaninchen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erwähnt. Zuvor galten lediglich die allgemeinen Anforderungen an den Tierschutz. Aus diesem Grund beschäftigen sich Tierschützer schon seit langer Zeit mit den oft unhaltbaren Zuständen in der Kaninchenmast und fordern die Einführung verbindlicher Haltungsbestimmungen, um wenigstens ein Mindestmaß an angemessener Unterbringung und Versorgung für die Tiere zu ermöglichen.

Triste, dunkle Hallen ohne ausreichend Tageslicht und Frischluftzufuhr, darin lange Käfigreihen, in denen bis zu mehrere Tausend Tiere ähnlich wie Hühner in den mittlerweile abgeschafften Legebatterien gehalten werden. Die Käfige sind kaum größer als ein Zeichenblock, Rückzugsmöglichkeiten gibt es nicht. Die Drahtgitterböden schneiden tief in die empfindlichen Pfoten der Tiere, unter den Käfigen türmen sich Kot und Futterreste. In der Luft liegt der beißende Gestank von Ammoniak, viele Tiere leiden deswegen an Entzündungen der Augen und Atemwegserkrankungen. Die Kaninchen leiden außerdem extrem unter dem Bewegungsmangel und dem nicht artgemäßen Kraftfutter. In kürzester Zeit werden sie auf ein Schlachtgewicht von drei bis vier Kilogramm gemästet, nach wenigen Monaten werden sie geschlachtet. Ein Großteil der Tiere stirbt jedoch schon vorher an den Folgen der Mast, Todesraten von bis zu 50 % sind keine Seltenheit.

Kaninchemast
Auslauf Fehlanzeige: Kaninchen werden in Deutschland überwiegend im Käfig gehalten.

Die unter anderem von den Bundesagrarministern Horst Seehofer und später Ilse Aigner angekündigte Novelle der Haltungsverordnung und die Ausweitung für Mastkaninchen hatte lange auf sich warten lassen. Immer wieder wurden Versprechungen nicht eingehalten und Tierschützer vertröstet. Umso größer war die Enttäuschung, als sie dann endlich verkündet wurde. Denn die Haltung auf Gitterböden ist nach wie vor nicht verboten, wenn auch eingeschränkt. Unterbringung und Pflege sollen „verhaltensgerecht gestaltet“ werden. Zweimal täglich sollen Kaninchenhalter Kontrollen durchführen, Zuchtverläufe sollen genau dokumentiert werden. Doch die Haltung im Käfig bleibt Standard, die Käfiggröße wird sich kaum verändern. So stehen einem Mastkaninchen gemäß der Verordnung 300 cm² zu, einem Zuchtkaninchen 600 cm². Das entspricht etwa der Größe von 2,5 DIN A4 Bögen. Tierschützer hatten darauf gehofft, dass Deutschland sich hier an Österreich und der Schweiz orientiert. Denn hier ist die Käfighaltung schon lange verboten. In der Schweiz darf Kaninchenfleisch aus deutschen Mastbetrieben sogar nur noch mit dem deutlich sichtbaren Warnhinweis „Aus in der Schweiz nicht zugelassener Haltungsform“ vermarktet werden.

Die Kritik an der Käfighaltung geht mittlerweile noch viel weiter: 2017 hat sich das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit für die Abschaffung der Käfighaltung von Mastkaninchen ausgesprochen. Doch die Europäische Kommission stellt sich einer Umsetzung bisher entgegen, und auch von der deutschen Regelung ist trotz anderslautender Ankündigung kaum eine Verbesserung zu erwarten. Durch eine zehnjährige Übergangsfrist wird sich wohl bis mindestens 2024 nichts an der Situation in den Mastanlagen ändern. Die Massentierhaltung an sich lässt sich nicht mit dem Gedanken an eine auch nur annähernd artgerechte Haltung verbinden. Das nächste Ziel muss daher also nicht die Umsetzung der Haltungsverordnung sein, sondern als erstes die Abschaffung der tierquälerischen Käfighaltung, wie sie das EU-Parlament bereits beschlossen hat.

Jan Peifer