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Schneller als der Wind – die Parvovirose

Wer einmal einen durch diesen Krankheitserreger verursachten Seuchenzug erlebt hat, vergisst ihn nie wieder, das ist sicher. Die Parvovirose ist eine Viruserkrankung, die auf der gesamten Welt vorkommt. Sie ist hochansteckend und stellt für ungeimpfte Tiere eine tödliche Gefahr dar. Vor allem junge Hunde und Katzen haben dem Virus kaum etwas entgegenzusetzen und sterben häufig. Ist das Virus einmal im Bestand, wird es von Tier zu Tier weitergetragen, überwindet Stockwerke und Desinfektionsmatten. Nichts scheint ihm Einhalt gebieten zu können.

Vor allem junge Katzen erkranken an Parvovirose.
Vor allem junge Katzenerkranken an Parvovirose. Foto: © Dr. Tina Hölscher

Das Hunde-Virus trägt den Namen canines Parvovirus. Katzen erkranken am felinen Leukopenie-Virus oder auch an der Hundevariante. Alle genannten Virusarten sind eng miteinander verwandt und besonders widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen, was bedeutet, dass sie in der Umgebung monatelang überleben können, ganz egal ob sie sich draußen oder drinnen befinden, ob es heiß oder kalt, feucht oder trocken ist. Ihre Abtötung gelingt nur mit speziellen Desinfektionsmitteln, die extra dafür hergestellt sind. Gängige Hygienemaßnahmen können diesen Virenarten nichts anhaben.

Das Virus vermehrt sich besonders gut in sich schnell teilenden Zellen.

Es befällt zunächst die Lymphknoten im Bereich des Kopfes und breitet sich von dort aus im ganzen Körper aus. Unter anderem siedelt es sich im Darm an. Nach vier Tagen ist es dort angekommen und wird ab dann auch schon in großen Mengen mit dem Kot ausgeschieden. Zu diesem Zeitpunkt merkt man dem infizierten Tier noch nichts an! Das heißt, es ist bereits ansteckend, bevor überhaupt die ersten Krankheitsanzeichen erkennbar sind. Nur wenige Viruspartikel reichen aus, um das nächste Tier zu infizieren. Daher kann die Ansteckung bereits erfolgen, wenn Artgenossen auch nur am After schnuppern, und kann über kontaminierte Decken und Liegeplätze, Spielzeug sowie Futter- und Wasserschüsseln weitergegeben werden. Auch die Übertragung von Mutter auf Welpen im Mutterleib ist möglich. Das Virus wird meist über 14 Tage hinweg ausgeschieden. Überlebt das Tier bis dahin, ist zumindest dann die Ausscheidungsphase vorüber.

Die Symptome variieren. Meist stellen die Patienten das Fressen ein, liegen apathisch herum und haben Fieber. Häufig gesellen sich Erbrechen und Durchfall hinzu, der oft blutig ist. Die Vierbeiner sind dadurch dehydriert und trocknen aus. Ist der Darm stark in Mitleidenschaft gezogen worden, treten Toxine in die Blutbahn über. Es kommt zur Sepsis. Ist vermehrt das Knochenmark betroffen, kann eine Blutarmut die Situation zudem verschärfen. Manchmal versterben die Tiere auch akut, ohne überhaupt vorher deutliche Anzeichen einer Erkrankung gezeigt zu haben. Alles in allem stellt sich eine in der Regel schwerwiegende Symptomatik ein, die nicht übersehen werden kann.

Bei entsprechenden Krankheitsanzeichen lässt sich die Diagnose schon meist anhand des Alters, der Herkunft und des Impfstatus, also geimpft oder nicht, stellen.

Mit Hilfe einer Kotprobe wird ein Schnelltest gemacht, der Klarheit bringt und in jeder Tierarztpraxis normalerweise vorrätig ist. Diese Tests sind weitgehend sicher. Es kann aber zum Beispiel zu falsch positiven Ergebnissen kommen, wenn das Tier kurz vorher geimpft wurde. Eine echte Therapie gibt es nicht. Zuallererst muss das Tier von anderen ungeimpften Tieren streng getrennt werden, um eine weitere Ansteckung zu verhindern. Durch Infusionen versucht der Tierarzt, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Antibiotika sollen eine Sepsis verhindern. Schmerzmittel helfen, die schlimmste Zeit zu überbrücken. Eiweißpräparate gleichen das über den Darm verlorene Defizit aus. Meist geht es nicht ohne Zwangsernährung mittels einer Sonde. Manchmal werden Bluttransfusionen nötig. Ob diese Maßnahmen erfolgreich sind, hängt von vielen Faktoren ab. Fachleute sagen, ohne Behandlung sterben 90% der infizierten Tiere, mit Behandlung überleben 90%. Wirklich überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. Sicher ist, es gibt unter Umständen Folgeschäden, zum Beispiel in Form von Herzschwäche nach einer Herzmuskelentzündung.

Parvo-Test.
Parvo-Test. Foto: © aktion tier, Dr. Tina Hölscher

Der einzig wirkliche Schutz vor Parvovirose ist der Impfschutz.

Die StiKo (Ständige Impfkommission – ja, sie gibt es auch für Tiere) empfiehlt die Impfung gegen Parvovirose dringend. Die Grundimmunisierung soll im Alter von 8, 12 und 16 Lebenswochen erfolgen und im Alter von 15 Monaten abgeschlossen werden. Ab dann muss nur noch alle 3 Jahre geimpft werden. Die engen Intervalle im Welpenalter sind darauf zurückzuführen, dass in dieser Periode nicht klar ist, wann und wieviel Antikörper der Welpe über die Muttermilch bekommt. Die Antikörper schützen zwar zum einen, zum anderen neutralisieren sie aber die Impfung! Sie fangen das abgeschwächte Virus, das geimpft wird, um den Impfschutz aufzubauen, ab. Damit kann kein Impfschutz gebildet werden. Um hier keine Lücke entstehen zu lassen, wird der Welpe dreimal hintereinander geimpft. Auf diese Weise hat er entweder noch Schutz durch die Antiköper, die er über die Muttermilch bekommt oder aber Schutz durch die Impfung. Dem Virus bleibt damit fast kein Zeitintervall übrig, um in den kleinen Körper eindringen zu können. Beachtet man diese Empfehlung, kann man dem Parvovirus getrost den Rücken zukehren. Dieser gemeine Erreger wird im Leben seines Vierbeiners keine Rolle spielen.

Besonders gefährdet sind junge, ungeimpfte Tiere. Neugeborene von geimpften Müttern haben zunächst noch kurz einen Impfschutz über die Muttermilch. Doch dieser verschwindet in den Wochen nach der Geburt und sollte deshalb termingerecht durch eine Injektion aufgefrischt werden. Tiere aus dem illegalen Welpenhandel haben deshalb besonders schlechte Karten. Meist sind weder Mutter noch Jungtier geimpft. Zudem reisen sie in großen Gruppen und sind dabei enormem Stress ausgesetzt, was wiederum eine Infektion begünstigt. Kommen sie mit dem Parvovirus in Kontakt, ist ihr armseliges kurzes Leben beendet, bevor es überhaupt begonnen hat. Einer von vielen Gründen, warum dem Welpenhandel unbedingt ein Ende gesetzt werden muss. Die an Parvovirus verstorbenen Kleinen tauchen in keiner Statistik auf. Die Welpen landen in der Tonne, bevor überhaupt irgendeine Behörde von dem Drama Wind bekommt.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.