Tierheim 'aktion tier Zossen'

Sorge um Mathilde

Im Sommer 2018 bat uns das Veterinäramt Teltow Fläming um Hilfe – acht große Mischlinge und zwölf Bulldoggen wurden aus schlechter Haltung befreit und fanden den Weg zu uns ins Tierheim aktion tier Zossen. Die Tiere waren in keinem guten Zustand. Teilweise vollkommen verfilzt und abgemagert, Gelenkprobleme, Futtermittelallergien, entzündete Ohren, Tumore und zudem alle nicht kastriert – das volle Programm.

Foto: aktion tier Zossen

Auch die Französische Bulldogge Mathilde befand sich unter diesen Hunden. Mathilde war zu dem Zeitpunkt knapp drei Jahre alt und gesundheitlich ebenfalls sehr angeschlagen. Trotz ihres jungen Alters war sie kein fröhlicher und aktiver Hund. Sie wirkte schlapp, antriebslos und lag viel. Man hatte das Gefühl, dass ihr einfach die Kraft fehlte, denn immer wieder ließ die kleine Hündin durchblitzen, dass ihr der Schalk im Nacken sitzt und dass sie kämpfen möchte. Wir wussten, dass Mathilde Probleme mit ihrer Leber hat – nun stand noch die genaue Diagnostik aus. Nachdem wir Blutuntersuchungen und eine Computertomografie veranlassten, hatten wir Gewissheit. Mathilde litt unter einem, vermutlich angeborenen, Lebershunt – einer Fehlbildung bei der es zur Störung der Leberdurchblutung kommt und die dafür sorgt, dass die betroffenen Tiere Symptome einer inneren Vergiftung zeigen. Die einzige Möglichkeit Mathilde zu helfen war eine Operation in der Tierklinik. Gesagt, getan… Mathilde war nach wie vor alles andere als ein fitter, gesunder Hund und so bangten wir in den Stunden des Eingriffs. Aber sie zeigte uns, dass sie leben möchte und überstand die Operation. Zur Sicherheit blieb sie noch ein paar Tage stationär in der Tierklinik, und auch hier wickelte sie jeden um den Finger.

Ein Heilungsprozess setzte ein.

Zurück im Tierheim folgte eine lange Genesungsphase. Mathilde hatte eine große Naht am Bauch, die verheilen musste, und auch ihre Leber brauchte Zeit, um sich zu erholen. Wir unterstützten unsere Kleine so gut wir konnten – sie bekam ein spezielles Futter und Futterzusätze, um die Leber zu schonen, Medikamente, um den Heilungsprozess zu fördern, sie wurde akupunktiert und bekam viel Zuwendung. Die Wochen vergingen, und man merkte, dass Mathilde munterer wurde, aber vom „normalen“ Hund war sie noch weit entfernt. Erneute Blutuntersuchungen und ein Kontroll-CT ergaben, dass der Shunt zwar auf einem guten Heilungsweg war und dass keine zweite Operation nötig sein würde, dass der kleine Körper aber noch viel Zeit benötigen würde, um seine Kraft wiederzuerlangen. Empfohlen wurde zudem ein weiteres Kontroll-CT einige Monate später zu machen und regelmäßige Kontrollen der Leberwerte durchzuführen. Um den Körper nicht noch weiter zu belasten, riet die Tierklinik vorerst von weiteren operativen Eingriffen und auch von den, bis dato aus gesundheitlichen Gründen nicht möglichen, Impfungen ab.

Und dann war es soweit – Mitte Dezember meldeten sich für Mathilde die ersten, festen Interessenten im Tierheim und nahmen sich viel Zeit, um sie kennenzulernen. Mit der bereits vorhandenen Bulldogge der Familie lief es von Anfang an recht gut, man begegnete Mathildes Problemen mit dem „Alleine bleiben“ verständnisvoll und auch die ggf. später folgende Operation des Brachyzephalen Syndroms (hierzu mehr am Ende des Artikels) wäre kein Problem. Und so durfte unsere kleine Kämpferin, trotz eines Schnupfens, am 08.01.2019 ins neue Zuhause ziehen. Leider war das Glück nur von kurzer Dauer, denn Mathilde, die tagsüber mit der Atmung nur die leider für Bulldoggen „typischen“ Probleme zeigte, konnte in der Nacht kaum schlafen. Sie bekam keine Luft, da der Ausfluss vom Schnupfen die eh schon viel zu engen Nasengänge noch zusätzlich verstopfte. Immer wieder versuchte sie eine bessere Position zu finden, nur um Minuten später wieder aufzustehen, um nach Luft zu ringen. Zusätzlich wurde Mathilde dann auch noch scheinträchtig, und ihre Gesäugeleisten waren stark geschwollen. Da ihre neue Familie überfordert war, brachte sie Mathilde am dritten Tag zurück ins Tierheim, wollte sie jedoch wieder zu sich nehmen, sobald es ihr besser ginge.

Wir standen jede Nacht zwei bis drei Mal zum Inhalieren auf und gingen dann noch an die frische Luft. Aus der Nase kam nun nicht mehr nur „normaler“ Ausfluss, sondern auch blutiges Sekret. Wir hatten jede Nacht Angst um Mathilde und bangten dem Arzttermin entgegen.

Mathilde bekam einfach keine Luft.

Mathilde zog noch am selben Tag zu uns auf die Pflegestelle, da eine intensive Betreuung notwendig war. Sie bekam nun Medikamente gegen den Schnupfen und die Mastitis. Wir machten mehrmals täglich Quarkwickel und eine Inhalation. Mathilde lebte sich schnell ein und fühlte sich wohl – sobald wir draußen unterwegs waren, flitzte sie und zeigte sich interessiert an ihrer Umwelt. Man hatte das Gefühl, dass ihr die frische, kalte Luft gut tat und sie hier gut atmen konnte. Trotzdem verschwand die allabendliche Problematik nicht, und Mathilde konnte weiterhin nicht schlafen. Täglich versuchte sie auf der Couch einzuschlafen, nur um dann wieder hochzuschrecken, da sie keine Luft bekam. Dann schlief sie langsam im Sitzen ein, bis sie einfach umfiel und das Ganze von vorne losging. Wir versuchten es mit einer Umstellung der Medikamente, griffen nun zu einer Doppelantibiose, und machten zeitgleich einen Termin beim Spezialisten in Berlin. Leider brachten auch die neuen Medikamente keine Erleichterung, und der Arzttermin rückte nur langsam näher. Die Mastitis hatten wir überwunden, und das Inhalieren wurde zu einem mehrfach täglichen Ritual.

Immer wenn Mathilde schlechter Luft bekam und direkt vor dem Schlafen gehen wurde inhaliert – das brachte ihr kurzzeitig Linderung. Leider brachte uns auch dieser nicht viel weiter – es könnte alles und auch wieder nichts sein. Man vermutete einen Tumor im Kopf, der das abendliche „Umkippen“ erklären könnte. Zudem könnte sich ein Pilz in den Nasengängen eingenistet haben und die Nase von innen heraus kaputt machen. Um eine sichere Diagnose zu bekommen, wurden eine weitere Computertomografie und eine Endoskopie empfohlen. Da man im Falle eines Pilzes nur mit speziellen Instrumenten arbeiten kann, wurden wir direkt an die Universitätsklinik in Leipzig verwiesen – auf den Termin mussten wir jedoch noch knapp zwei Wochen warten. Für uns eine lange und schwere Zeit – da ein Pilz von der Antibiose profitieren würde, bekam Mathilde nur noch Schleimlöser und ihre Inhalationen. Ihr Zustand verschlechterte sich langsam, sie nahm ab, und aus ihrer Nase floss reines Blut. Täglich kam sie mit zur Arbeit und verschlief den Tag an die anderen Hunde gekuschelt im Büro – die Spaziergänge an der Luft waren nach wie vor ihr Highlight.

Und dann war es so weit – Leipzig war nur noch zwei Stunden entfernt. Wir fuhren früh am Morgen los, um pünktlich um acht Uhr in der Klinik zu sein. Dort angekommen ging es ganz schnell – nach der Weitergabe der bisherigen Befunde und Behandlungen musste ich mich von Mathilde verabschieden. Sie sollte gleich in Narkose gelegt werden, dann ins CT, zur Endoskopie und – je nach Diagnose – direkt operiert werden und danach noch stationär in der Klinik bleiben. Gerade im Tierheim angekommen, kam dann der Anruf – heute wird nicht operiert. Wir fuhren wieder los, um Mathilde abzuholen. Vor Ort dann die Erleichterung: Mathilde leidet „nur“ unter einer eitrigen Rhinitis, die in Verbindung mit dem Brachyzephalen Syndrom die Atemprobleme verursacht. Wir mussten uns nun erst einmal um die Rhinitis kümmern und danach das Brachyzephale Syndrom operativ beheben. Ein neuer Medikamentenplan wurde erstellt, und wir fuhren nach Hause.

Mathildes einstige Familie begleitete uns die ganzen Wochen über, kam regelmäßig zum Spazieren gehen und übernahm die kompletten Kosten der Leipziger Untersuchung. Nun, nachdem wir eine feste Diagnose hatten, durfte Mathilde wieder zu ihnen ziehen. Sie musste in den ersten Wochen auch weiterhin inhalieren und fleißig ihre Medikamente nehmen. Aber sie nahm nun endlich wieder zu, der Nasenausfluss wurde von Tag zu Tag klarer, ihre zwischenzeitlich sehr trockene und rissige Nase wurde wieder richtig schön, und es ging ihr deutlich besser. Mathilde kippte nicht mehr um, konnte in der Nacht endlich durchschlafen, und auf das Inhalieren konnte verzichtet werden. Mathilde bekam ihre ersten Impfungen, und der Nachkontrolltermin in der Klinik stand. Wir erfreuten uns an den regelmäßigen Bildern und waren glücklich, dass sich nun alles zum Guten gefügt hatte.

Tja, es sollte nicht sein… fünf Wochen nach ihrem Auszug stand Mathilde wieder vor der Tür. Dass sie nicht alleine bleiben kann, stresste den Alltag doch zu sehr, und so zog sie wieder bei uns ein. Ihr Schnupfen ist weg, die für Bulldoggen typischen Atembeschwerden sind leider noch da, und um eine Operation werden wir nicht herum kommen. Aber Mathilde ist eine kleine Persönlichkeit – sie wird auch die nächste Hürde ihres jungen Lebens zu nehmen wissen und ganz sicher auch irgendwann das zu ihr passende Traum Zuhause finden.

Kurze Schnauze, schweres Los Das Brachycepahle Syndrom

Hunde und Katzen mit verkürztem Geschichtsschädel bezeichnet man als brachycephal. Nicht alle, aber sehr viele Individuen, die mit dieser rundlichen Schädelform geboren werden, leiden an dem so genannten Brachycepahlen Syndrom. Darunter versteht man den Symptomenkomplex aus Atemnot und Überhitzung, beides bedingt durch die verkürzte Schnauze.

Ein Kommentar von Dr. Tina Hölscher, Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V

Rein äußerlich ist ein Brachycephales Syndrom auch für den Laien erkennbar. Betroffene Tiere hecheln vermehrt und produzieren beim Atmen Geräusche. Je nach Belastung fallen diese unterschiedlich laut aus. Kommt ein Atemwegsinfekt hinzu, hört es sich fast an, als ersticken die armen Kreaturen, und leider ist dies von der Realität auch nicht weit entfernt.

Die Veränderungen in der Anatomie des kurzen Kopfes bestehen vor allem in kleinen Nasenlöchern und verkürzten Nasenmuscheln, was wiederum ein verdicktes Gaumensegel sowie dicke Mandeln mit sich bringt. Durch die zusammengedrückten Atemwege kann weniger gut Luft hindurch strömen. Das Tier ist gezwungen, mit offenem Maul zu atmen, will es genug Sauerstoff bekommen. Das Hauptproblem stellt hierbei das verdickte Gaumensegel dar. Durch die veränderte Form des Gesichtsschädels gegenüber langköpfigen Hunderassen ist es nicht nur im Durchmesser dicker als normale Segel, sondern außerdem noch nach hinten verschoben. Deshalb ragt das Gaumensegel bei den kurzköpfigen Hunderassen teilweise bis in die Luftröhre hinein und verschließt diese beim Einatmen dann kurzzeitig. Vor allem bei Belastung wird dieser Effekt noch verstärkt. Betroffene Kandidaten können kaum ein paar Schritte tun. Denn sobald sie mehr Sauerstoff benötigen, atmen sie tiefer ein, und das Gaumensegel wird regelrecht in die Luftröhre eingesaugt. Ein dramatischer Teufelskreis, der leider gelegentlich auch tödlich endet. Abhilfe kann nur eine Operation schaffen. Die ist allerdings risikobehaftet und kostenintensiv

Das zweite große Problem dieser armen Stupsnasen ist die Thermoregulation. Bekanntlich haben Hunde und Katzen keine Schweißdrüsen und müssen ihre eigene Körpertemperatur über andere Verdunstungsmechanismen regeln. Dazu gehört zu einem großen Anteil die Nasenschleimhaut. Im Fall der brachycepahlen Rassen bedeckt die verdickte Nasenschleimhaut aber nur wenig Fläche, weil die Nase so kurz ist. Zudem wird kaum Luft über die Nase eingeatmet, weil nichts hindurch geht. Also fällt dieses Organ nahezu komplett aus, was die Regulierung der Körperinnentemperatur betrifft. Daher sind kurzköpfige Tiere viel häufiger vom gefährlichen Hitzschlag betroffen.

Tiere mit brachycephalem Syndrom sollten konsequent von der Zucht ausgeschlossen werden.