Zum Internationalen Tag der Tierrechte am 10. Dezember 2023:
Staatsziel Tierschutz noch lange nicht erreicht!

Im Jahr 2002 wurde Tiere in unser Grundgesetz aufgenommen und der Tierschutz zum Staatsziel erklärt. Seither gelten Tiere nicht mehr als Sache und der Tierschutz hat auch in weiten Teilen unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert.

So sieht artgerechte Gänse- und Entenhaltung aus. Foto: © Ursula Bauer

Zur Umsetzung des Tierschutzes haben wir unser Tierschutzgesetz, welches zahlreiche wichtige, aber gleichzeitig sehr allgemein gehaltene Regelungen enthält. Von zentraler Bedeutung ist §1, in dem es heißt: “Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Ebenfalls wichtig ist §2, der festlegt, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend zu ernähren, zu pflegen und unterbringen sind, wobei die Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung nicht so eingeschränkt werden dürfen, dass ihnen Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Das klingt erst einmal gut, wirft allerdings die Frage auf, warum zum Beispiel industrielle Massentierhaltung mit Tausenden in Ställen oder Käfigen zusammengepferchten Tieren, von denen 20% die schlimmen Bedingungen nicht bis zum Schlachttermin überleben, überhaupt existieren darf. Sie ist alles andere als artgerecht und fügt den Tieren massive Schmerzen und Leiden zu. Es scheint, als sei die Produktion von billigen Lebensmitteln ein Freibrief, um ungestraft, massiv und dauerhaft gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen.

Als ergänzende Rechtsvorschriften gibt es auch noch verschieden Verordnung wie die Tierschutz- Nutztierverordnung und die Tierschutz- Hundeverordnung. Diese beinhalten zum Teil konkretere Ge- und Verbote, sind jedoch aus unserer Sicht nicht ausreichend und außerdem lückenhaft. So sind beispielsweise Gänse und Enten gar nicht in unserer Tierschutz-Nutztierverordnung aufgeführt. Der für diese Wasservögel lebensnotwendige Zugang zu Badewasser ist daher nicht Pflicht und wird in der Regel auch nicht zur Verfügung gestellt. Auf diesen Missstand hatte aktion tier bereits vor vielen Jahren hingewiesen und im Rahmen der Kampagne „Enten brauchen Wasser“ eine Halteverordnung mit Badewasser-Pflicht gefordert.

Kampagnenstart in Potsdam
Mit verschiedensten Aktionen und Kampagnen machen wir uns stark für Tierrechte. Hier ein Foto vom Kampagnenstart zu "Tierschutz-Katzenverordnung jetzt!" 2016 in Potsdam. Foto: © aktion tier e.V./Marut

Im Haustierbereich ist vor allem zu bemängeln, dass es keine spezielle Verordnung zur Haltung von Hauskatzen in Privathaushalten, Tierheimen, Tierpensionen, Zuchten und Versuchslaboren gibt. Dabei existiert für Hunde schon seit über 20 Jahren die bundesweit geltende Tierschutz-Hundeverordnung mit detaillierten Bestimmungen. Um diesem ungerechten Zustand entgegenzuwirken, hat aktion tier vor ein paar Jahren die Kampagne „Tierschutz-Katzenverordnung jetzt!“ durchgeführt und detaillierte Vorschläge zu den Inhalten einer solchen Rechtsvorschrift ausgearbeitet.

Doch was nützen die besten Tierschutzvorschriften, wenn nicht genug kontrolliert und Verstöße nicht adäquat geahndet und bestraft werden?

Leider machen wir im Rahmen unserer täglichen Arbeit regelmäßig die Erfahrung, dass selbst akribisch recherchierte Anzeigen nicht dazu führen, dass Veterinärämter konsequent Tiere beschlagnahmen. Oft wird mit Auflagen gearbeitet, deren Erfüllung dann nicht kontrolliert wird. Oder es passiert einfach gar nichts. Auch von uns erstattete Strafanzeigen werden meist eingestellt. Kommt es dann doch einmal zu einem Bußgeld- oder Strafverfahren, fallen die Strafen oft lächerlich gering aus, sodass sie keinen abschreckenden Effekt haben. Selbst mit einem Tierhalteverbot belegte Täter mache oft einfach weiter, ziehen um und schaffen sich neue Tiere an.

Da die politischen Mühlen enervierend langsam mahlen, ist nicht davon auszugehen, dass gesetzliche Vorschriften zum Schutz der Tiere zeitnah befriedigend und allumfassend erlassen werden. Dass Kontroll- und Strafverfolgungsbehörden in Zukunft schnell, konsequent und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Arbeit machen, ist auch eher unwahrscheinlich.

Daher sollten wir uns verstärkt darauf konzentrieren, welchen Beitrag zum Tierschutz wir leisten können.

Es hilft schon bei dem, was wir tun, mehr an unsere Mitgeschöpfe zu denken. Zum Beispiel beim Konsum. Wenn wir insgesamt weniger Fleisch essen, auch mal einen Veggietag einlegen und Bio- statt Billigfleisch kaufen, können wir schon viel Tierleid verhindern und nebenbei auch noch Klima und Umwelt schonen.

Bei unserer Kleidung sollten wir auf Pelz, Daunen und möglichst auch auf Leder verzichten und stattdessen tierleidfreie pflanzliche Alternativen wählen. Zum Thema Tierleid in Kleidung hat aktion tier im Rahmen der aktuellen Aufklärungskampagne TODSCHICK fünf Einzelthemen intensiv bearbeitet.

Letztendlich bestimmen wir als Verbraucher die Nachfrage und somit auch das Angebot. Wenn Billigfleisch aus der Massentierhaltung nicht mehr gekauft wird, gibt es irgendwann auch keine Tierfabriken mehr. Und indem wir Schuhe aus Kork statt aus Leder wählen, unterstützen wir die Herstellung von veganen Produkten ganz ohne Tierleid.

Gans entspannt. Foto: © Ursula Bauer

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.