Fragt man Menschen nach ihrer Meinung zu Tauben, erhält man meistens nur ein ”gut“ oder ”schlecht“ als Antwort – nichts dazwischen, auch kein ”egal“. Kaum ein anderes Tier polarisiert derart stark. Außer vielleicht Ratten. Tauben sind entweder süß und sympathisch oder eklig und zum Fürchten. Im extremsten Fall wecken die unschuldigen Vögel regelrechten Hass und Mordlust. Zum Beispiel am Hausvogteiplatz in Berlin und am nahegelegenen Gendarmenmarkt, wo mehrere hundert Stadttauben leben, die seit vielen Jahren von einer Gruppe Frauen, darunter Frau K., gefüttert werden. Taubenfreunde werden, ähnlich wie Straßenkatzen-Fütterer, häufig beleidigt und manchmal auch bedroht. Besonders tat sich dabei seit Mai letzten Jahres ein etwa 50jähriger, schlanker Mann mit Brille und Stirnglatze hervor, der öfter zum „Stänkern“ vorbeikam.
Es folgten schreckliche Taten
Als sich die Frauen nicht einschüchtern und vom Füttern abhalten ließen, folgte Stufe zwei des Anti-Tauben-Terrors in Form einer bratfertigen Zuchttaube, die in einer von den Tierfreunden aufgestellten Wassertränken lag. Deutlicher konnte die Warnung nicht sein, die dann schnell Realität wurde. Nur einige Tage später war das Wasser in den Näpfen giftgrün. Die Frauen schütteten es weg und ahnten noch nicht, dass hier systematisch Tauben vergiftet werden sollten. Bis sie kurz darauf halbaufgelöste Pads mit blauer Paste in den Wasserschalen vorfanden. Die Aufschrift „Rodentizid“ schaffte Klarheit: Es handelte sich um Gift, das zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen gedacht ist (lesen Sie mehr zu diesem Giftstoff im Folgebericht auf den Seiten 3642). Coumatetralyl, der Wirkstoff in der Paste, gehört zu den sogenannten Antikoagulantien. Diese vermindern die Blutgerinnung, so dass Nager 5-10 Tage nach der Aufnahme qualvoll an inneren Blutungen sterben. Tauben auch, denn das Gift wirkt bei allen Tieren und auch bei Menschen. Das verseuchte Wasser stellte also eine Gefahr für alle Wild- und Haustiere dar, die an den Schalen ihren Durst stillen. Gemäß Herstellerempfehlung soll das blaue Nagergift nicht umsonst nur in abschließbaren Köderboxen ausgelegt werden.
Nach etwa 14 Tagen wurden die ersten toten Tauben am Hausvogteiplatz und auf dem Gendarmenmarkt gefunden. Nicht nur die Fütterer waren geschockt. Auch Passanten riefen bei der Polizei an und meldeten die unheimlichen Funde. Diese waren jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Es ist davon auszugehen, dass weitere Tiere wie Wildvögel, Mäuse, Ratten und vielleicht sogar Eichhörnchen und Waschbären sterben mussten und entweder nicht gefunden wurden oder deren Kadaver schnell von Füchsen oder Krähen gefressen worden waren.