Alles neu, alles besser? – Überarbeitung Tierschutzgesetz

Seit dem Jahr 2002 steht der Tierschutz im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Vielfach wird die Realität dem nicht gerecht, und so hat auch die aktuelle Bundesregierung 2021 eine Überarbeitung des Tierschutzgesetzes im Koalitionsvertrag nach fast 20 Jahren vereinbart.

Foto: © Jan Peifer

Anfang des Jahres wurde die Erneuerung schließlich vorgestellt. Die sogenannte Länder- und Verbändeanhörung zur geplanten Novelle endete im März 2024. Sowohl die Bundesländer als auch Vereine und Verbände waren dazu aufgerufen, ihre Stellungnahmen zum vorab veröffentlichten Entwurf abzugeben. Trotz einiger durchaus positiver Änderungen überwiegt die Menge der Defizite weiterhin. Entsprechend deutlich fällt die Kritik aus.

So loben Tierschützer beispielsweise das geplante Verbot zum Kochen von lebendigen Hummern (u.a. in der Schweiz schon lange verboten). Auch ist geplant, das Mitführen einiger Wildtierarten wie Großkatzen und Robben in Wanderzirkussen zu verbieten (ebenfalls in vielen Ländern bereits verboten). Positiv hervorzuheben ist darüber hinaus eine geplante verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen. Hier sehen Tierschützer eine erwartete Reaktion auf die auch in diesem Bereich immer wiederkehrenden Skandale. Die Regelungen für Lebendtiertransporte hingegen werden nicht verschärft, und auch ein generelles Verbot der Anbindehaltung von Rindern ist weiterhin nicht vorgesehen. Zwar soll diese als reine Haltungsform untersagt werden. Allerdings ist einerseits eine (im Vergleich zu einem vorherigen Entwurf sogar verlängerte) Übergangsfrist von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Andererseits sollen Ausnahmen weiter erlaubt sein. Hierzu gehört insbesondere die sogenannte Kombihaltung, in der die Kühe im Sommer auf die Wiese dürfen, im Winter aber den ganzen Tag im Stall angebunden werden (dürfen). Obwohl also eine tierschutzwidrige Haltungsform eigentlich verbannt werden soll, wird sie gleichzeitig weiterhin legitimiert. Auch weitere Lücken im Tierschutzgesetz sollen nicht geschlossen werden. Dazu gehört etwa die betäubungslose Kastration von Lämmern, das schmerzhafte Schnabelkürzen bei Puten und Legehühnern oder auch die Ausnahme vom Kupierverbot für Jagdhunde. Für die Haltung von Puten sollen immerhin Mindeststandards eingeführt werden, bisher gibt es hier keine verbindlichen Verordnungen. Von artgerechten Haltungsbedingungen dürften diese jedoch weit entfernt sein. Auch im Bereich der Tierversuche sind keine Verbesserungen geplant.

Ein Verbot, Hummer lebendig zu kochen, ist geplant, in der Schweiz schon lange verboten.
Ein Verbot, Hummer lebendig zu kochen, ist geplant, in der Schweiz schon lange verboten. Foto: © AdobeStock/arliftatoz2205

Verboten werden sollen sogenannte Qualzuchten. Hier geht es vor allem um die gezielte Zucht von Tieren mit Defekten, also z.B. zu kurzen Nasen oder Beinen.

Möpse etwa gelten gemeinhin als „süß“, da sie mit ihren winzigen Nasen ein kindlich anmutendes Gesicht haben. Sie sind jedoch kaum in der Lage, richtig zu atmen und leiden oft ihr ganzes Leben lang. Tiere von beliebten Hunderassen wie Chihuahuas oder französischen Bulldoggen werden unter erbärmlichen Umständen im Ausland gezüchtet, wo ihre Mütter als Gebärmaschinen missbraucht werden. Denn mit ihnen lässt sich auch in Deutschland viel Geld verdienen. Qualzuchten mit einer solchen Herkunft leiden jedoch oft doppelt, da die medizinische Versorgung in ihren Herkunftsländern meist keine Rolle spielt. Viele dieser Tiere werden kaum älter als wenige Wochen. Die Haltung in Deutschland soll nach dem neuen Gesetz dennoch nicht verboten sein. Qualzuchten gibt es auch im Bereich der Nutztiere. Hiervon betroffen sind z.B. Milchkühe mit extrem großen Eutern. Diese liefern einen noch höheren Milchertrag, leiden jedoch massiv. Ob auch sie von einem Zuchtverbot betroffen sein könnten, ist unklar.

Insgesamt ist der Vorstoß der Erneuerung des Tierschutzgesetzes zu begrüßen. Denn die Realität in Deutschland zeigt jeden Tag, dass Tiere gequält werden und leiden. Das Staatsziel Tierschutz ist hier nicht erfüllt. Dennoch geht auch der neue Vorschlag längst nicht weit genug. Tiere müssen sich weiterhin den Gegebenheiten anpassen, die (Haltungs-) Bedingungen werden nicht konsequent an den Tieren ausgerichtet. Für Tierschutzvereine und -verbände heißt es also auch weiterhin, auf Missstände aufmerksam zu machen und sich für Verbesserungen stark zu machen.

Jan Peifer