Wildvögel | Tierschutzfälle mit Wildtieren

Warum ein Mäusebussard wieder laufen lernen musste

Jeder der 323 Greifvögel, die wir im letzten Jahr in unserer Station betreut haben, hat seine eigene Geschichte. Sei es der kleine Falke, der von ganz hoch oben vom Kirchturm fiel, Verzweifelt, weil seine Eltern nicht mehr zum Füttern kamen, war er runtergesprungen und dabei genau auf dem Kopf gelandet oder auch der Mäusebussard, von dem wir heute erzählen wollen.

Dieser Mäusebussard hatte sich bei einem Autounfall schwer verletzt. Ein Tierfreund brachte ihn zur Wildvogelstation Kirchwald. Foto: © Wildvogelstation Kirchwald

Auf der Jagd nach Mäusen flog er schon seit Monaten immer mal wieder über eine Landstraße, die sein Revier kreuzte. Da er in ausreichende Höhe unterwegs war, passierte ihm nichts, bis er am 13. Oktober wahrscheinlich eine Maus direkt am Straßenrand erspähte. In steilem Jagdanflug schoss er auf sie zu. Leider bemerkte er nicht, dass ein schnell fahrendes Auto des Weges kam.

Im letzten Moment versuchte er noch abzudrehen, aber es war zu spät. Er knallte mit dem Rücken seitlich gegen die Kühlerhaube und wurde in den Straßengraben geschleudert. Das Auto, welches ihn verletzt hatte, fuhr einfach weiter, aber ihm folgte zum Glück ein Auto in dem Tierfreunde saßen, die das Unglück beobachtet hatten. Sie fanden die überfahrene Maus – tot und den noch lebenden, aber völlig geschockten Bussard. Schnell wurde er vorsichtig in eine Decke gepackt und auf dem Rücksitz untergebracht. Der Bussard hatte weiterhin Glück im Unglück, denn die netten Tierfreunde kannten unsere Station und machten sich gleich auf den Weg zu uns, so bekam er schnell Hilfe. Er hatte sich eine Wirbelsäulenverletzung und eine Schädelprellung zugezogen. Dies passiert immer dann, wenn die Vögel im letzten Moment noch abdrehen wollen, bevor sie ein Auto erwischt, dann knallen sie nicht mit dem Flügel oder dem Bein gegen das Auto, sondern mit dem Rücken. Die Verletzung des Mäusebussards war so schwer, dass er seine Beine nicht mehr bewegen konnte. Er konnte nur noch liegen.

Der Mäusebussard (Buteo buteo) ist ein Greifvogel aus der Familie der Habichtartigen und gehört zu den häufigsten Vertretern dieser Familie in Mitteleuropa. Sein bevorzugter Lebensraum findet sich in Wiesen, Heide und Äckern, die ein Waldgebiet in der Nähe haben, wo er dann sein Nest baut. In Europa findet man den Mäusebussard überall mit der Ausnahme von Island und dem Norden von Skandinavien. In erster Linie ernährt er sich von Kleinsäugern, frisst aber auch Insekten und Regenwürmer. Zum Überwintern fliegt er nach Mitteleuropa, Nordafrika, in den Nahen Osten oder nach Indien.

Die Wirbelsäule war zum Glück nicht gebrochen

Wir versorgten ihn mit Medikamenten, die ihm die Schmerzen linderten und den Druck von seinen Nerven im Rückenmark nahmen. Zum Glück war die Wirbelsäule nicht gebrochen. Zuerst konnte er keine feste Nahrung verdauen und wurde mit Brei durch eine Sonde ernährt. Es gibt viele Vögel, die sich in solch einer Situation aufgeben, aber dieser Bussard kämpfte. Er wollte wieder gesund zu werden. Zuerst kehrten die Reflexe in seinen Füßen zurück, dann schaffte er es zu sitzen.

Immer wieder versuchte er aufzustehen und fiel dabei um, aber er kämpfte weiter. Wir halfen ihm sein Gleichgewicht wiederzufinden und trainierten seine Beine mit Physiotherapie. Längst konnte er sein klein geschnipseltes Futter wieder fressen und verdauen. Bald konnte er sich kurz hochdrücken, dann die ersten Schritte laufen. Wir übten mit ihm, in dem wir ihm die Futterschüssel vorhielten, der er hinterher hüpfte. Es wurde jeden Tag ein bisschen besser. Bald konnte er den ganzen Tag auf einer Kiste sitzen ohne dabei umzufallen. Er kämpfte immer weiter darum wieder ganz gesund zu werden. Es war ein großer Moment als er das erst Mal wieder selbstständig auf einen Ast flog und sich auf diesem stabil festhalten konnte. Jetzt durfte er endlich in eine Voliere. Inzwischen kann man ihn in seinem Verhalten kaum mehr von den anderen Bussarden, mit denen er zusammen in der Voliere sitzt, unterscheiden, wenn er schnell zwischen den Stangen hin und her fliegt. Seine Heilung hat Monate gedauert. Wir sind sehr froh, dass er es geschafft hat. Bald darf er wieder zurück in die Freiheit, zurück in sein Revier. Er bekommt eine zweite Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in der Natur. Unser schönster Lohn wird es sein, ihn dann wieder am Himmel kreisen sehen.