Haushunde | Ratgeber Tiermedizin

Wenn das Knie macht, was es will

Leider kennen viele Hundebesitzer das Phänomen – noch eben trabte ihr Liebling putzmunter über die Wiese, doch plötzlich hüpft er nur noch auf drei Beinen. Der Schreck ist groß! Was ist passiert? Hat sich der Vierbeiner ernsthaft verletzt? Doch schon im nächsten Moment ist der Spuk vorüber, und der Kleine läuft wieder, als wäre überhaupt nichts gewesen. Herrchen oder Frauchen sind beruhigt und vergessen das Ganze lieber schnell. Doch es vergehen nur ein paar Tage und dasselbe Bild tritt schon wieder auf!? Eben war noch alles normal, und von einer Sekunde auf die andere belastet das Tier wieder nur noch drei Beine. Ein Hinterbein wird kurzfristig schlicht nicht mehr benutzt. Sehr rätselhaft!

Kniebeschwerden
Meist tritt das Herausspringen der Kniescheibe erstmalig im ersten Lebensjahr des Tieres auf. Foto: Freddie10 / Lizenz: CC0 1.0 Universell CC0 1.0

Früher oder später sucht der Tierhalter einen Tierarzt auf. Der kann in aller Regel diese Symptomatik schnell einem Krankheitsbild zuordnen. Wir sprechen von der sogenannten Patellaluxation. Patella ist der lateinische Ausdruck für die Kniescheibe. Mit einer Luxation ist gemeint, dass die Kniescheibe, die sich beim Abwinkeln des Hinterbeins normalerweise in einer Rinne hin- und her bewegt, aus dieser Rille herausspringt. Wenn dies geschieht, kann der Hund nicht mehr auftreten. Meist springt die Kniescheibe nach kurzer Zeit von selbst wieder in ihre Ausgangsposition zurück, und der ganze Mechanismus im Fuß funktioniert wieder. Das Bein kann problemlos benutzt werden. In aller Regel ereilt dieses Krankheitsbild vor allem Hunde kleinwüchsiger Rassen wie Pudel, Pekinesen oder Malteser, um nur einige zu nennen. Selten können auch größere Hunderassen wie Appenzeller oder Neufundländer betroffen sein. Meist tritt das Herausspringen der Kniescheibe erstmalig im ersten Lebensjahr des Tieres auf. Diese erste Luxation geht mit einem Gelenkerguss und Lahmheit einher. Springt die Kniescheibe in der Folge noch öfter heraus, tut das dann immer weniger weh.

Das Problem dabei ist nur, dass die Wände der Rinne, in der die Kniescheibe eigentlich verlaufen sollte, bei jedem Mal, wenn diese herausspringt, etwas abgeraspelt werden. Das heißt also, im Laufe der Zeit flacht die Rinne, die ja ohnehin schon zu flach ausgebildet ist, noch weiter ab. Die Knorpelschicht schwindet mit jeder Luxation. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kniescheibe wieder luxiert, wird daher mit jedem Herausspringen größer.

Der Tierarzt teilt diese Krankheit in vier Grade ein. Beim ersten ist die Kniescheibe während der Untersuchung dort wo sie hingehört, und springt nur gelegentlich heraus, gleitet aber von selbst an die richtige Position zurück. Beim zweiten Grad rutscht die Kniescheibe nur durch aktives Beugen und Strecken des Beins in ihre eigentliche Position zurück. Beim dritten Schweregrad gelingt es nur dem Tierarzt durch Drücken an bestimmten Stellen, die Kniescheibe zurück zu verlagern. Beim schlimmsten Ausprägungsgrad 4 ist es auch durch Manipulation am Tier nicht mehr möglich, die Patella in ihre physiologische Ausgangsituation zurückzudrängen. Diese klinische Untersuchung mittels Abtasten und die vorgetragene Krankheitsgeschichte des Hundehalters reichen in aller Regel aus, um die Diagnose zu stellen. Bei diesem Krankheitsbild sind CT, MRT und Röntgen nur bedingt hilfreich und meistens nicht von Nöten.

Wenn Hunde immer wieder nur auf drei Beinen gehen, hilft nur die Operation. Dabei wird die Rinne, in der sich die Kniescheibe bewegt, vertieft. Auf diese Weise kann die Patella nicht mehr heraus springen. Außerdem versetzt bzw. strafft der Operateur die Bänder, die an der Kniescheibe ansetzen. Wird die Operation von einem erfahrenen Chirurgen durchgeführt, sind im Allgemeinen keine Komplikationen zu erwarten. Da vor allem junge, kleine Hunde betroffen sind, ist auch das Narkoserisiko äußerst gering. Günstig ist der Eingriff allerdings nicht. Die Kosten können sich auf über 1.000 Euro belaufen. Betroffene Hundebesitzer sollten wenn irgend möglich trotzdem nicht zu lange warten, bis sie sich zu der operativen Maßnahme entschließen. Nur wenn die Knorpelschäden am Knie noch nicht ausgeprägt sind, ist zu erwarten, dass das Tier im Anschluss auch wieder beschwerdefrei gehen kann.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.