Wenn man einen jungen Vogel aufziehen will, muss man zuerst feststellen, zu welcher Art er gehört. Hier beginnt für den Laien schon die erste Schwierigkeit. Generell kann gesagt werden, dass Vögel mit einem feinen spitzen Schnabel zu einer Gruppe gehören, die sich von Insekten ernährt, während Vögel mit kurzem, stumpfen und auch dickerem Schnabel in eine Gruppe einzuordnen sind, die sich von Sämereien ernährt. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. So ernährt z. B. der Haussperling seine Brut hauptsächlich mit Insekten.
Mauersegler, Schwalben und andere Insektenfresser
Im Gegensatz zu allen anderen Vögeln, die eine gewisse Ausgewöhnungszeit benötigen, ist der Mauersegler sofort nach dem Ausfliegen selbständig. Ist der Zeitpunkt zum Ausfliegen gekommen, wird der Vogelpfleger feststellen, dass der Mauersegler zunehmend unruhiger wird. Er schlägt mit den Flügeln, versucht, aus seinem Behältnis zu entkommen, und schließlich verweigert er die Futteraufnahme.
Wenn sich die Enden der Schwingen weit über den Schwanz hinaus überkreuzen und die Länge des Seglers von dem Schnabel zur Schwanzspitze (gemessen wird über den Bauch) etwa 16 cm beträgt, ist der Vogel ausgewachsen. Wichtig zur Freilassung ist noch das Gewicht. Es soll mindestens 40 Gramm betragen. Der Mauersegler wird bei gutem Wetter im Laufe des Vormittags aufgelassen. Und zwar von einer Anhöhe aus. Auch ein hohes Haus ist ein idealer Auflassort, vorausgesetzt, man kann den Segler dort in der Umgebung wiederfinden, falls es beim erstenmal mit dem Freilassen noch nicht klappen sollte. Entgegen anderslautenden, veralteten Empfehlungen, darf der Segler nicht in die Luft geworfen werden. Ist er voll flügge, wird er nämlich von selbst von der ausgestreckten Hand abspringen. Genauso, wie er von seinem Nistplatz in den freien Luftraum abspringt. Es folgt eine Tiefflugphase, aber bald zieht der Mauersegler nach oben und ist schnell den Blicken entschwunden. Sollte es nicht klappen, muss man es einige Tage später noch einmal versuchen. Aus diesem Grunde ist es angebracht, den Segler dort freizulassen, wo man ihn ohne Schwierigkeiten wiederfinden kann.
Junge Mauersegler und Schwalben werden von den Eltern nur im Nest gefüttert. Kann man sie nicht vorsichtig dorthin zurücksetzen, muss man sie selbst großziehen. Junge Mauersegler erkennt man an ihrem schwarzen Federkleid, das am Kopf und an den Schwingen mit weißlichen Federsäumen versehen ist. Auffallend ist auch die große Mundspalte, und auch die großen vierzehigen Klammerfüße mit spitzen, schwarzen Krallen lassen den Mauersegler erkennen. Das Gefieder ganz junger Tiere schimmert bläulich-schwarz. Mauersegler haben einen leicht nach unten gebogenen Schnabel, wogegen der Schnabel von Schwalben nicht gebogen, sondern spitz ist.
Futtermischungen für empfindliche Insektenfresser wie Mauersegler, Schwalben, Zaunkönige, Rotschwänzchen, Meisen, Schnäpper, Grasmücken und Bachstelzen: In jedem guten Zoogeschäft sind lebende Grillen erhältlich. Man vermischt 2/3 Grillen mit 1/3 Tartar. Diese friert man ein und taut sie zum Verfüttern portionsweise auf. Sind keine Grillen vorrätig, wird eine Futtermischung aus dem käuflichen Futter für empfindliche Weichfresser hergestellt. Dieses Futter wird mit etwas Magerquark und gekochtem Eigelb vermischt. Vorsicht! Es besteht Gefahr, dass damit Schnabel und Kopffedern des Pfleglings verkleben. Zusätzlich eignen sich frisch gehäutete Mehlwürmer, die an der weißen Farbe zu erkennen sind. Eine ausschließliche Mehlwurmfütterung ist nicht zu empfehlen, da sie zu Mangelerscheinungen und Gefiederschäden führen kann. Schließlich können auch noch Fliegenmaden verfüttert werden. Man erhält sie in Sportgeschäften oder in der Anglerabteilung in Kaufhäusern. Vogelpfleger, die schon im voraus wissen, dass sie Vogelkinder erhalten, sollten schon im Frühjahr etwa ein halbes Pfund Angelmaden kaufen. Diese Maden werden in einem Behälter untergebracht, der mit Luftschlitzen versehen ist.
Nach einigen Wochen haben sich Fliegen entwickelt. Sie werden mit einem Behälter in die Tiefkühltruhe gestellt und lassen sich, wenn sie abgetötet sind, portionsweise entnehmen, ohne dass man befürchten muss, dass sie in der Wohnung umherbrummen. Mit Vitaminen angereichert, sind sie ein gutes und verträgliches Aufzuchtsfutter. Drohnenbrut (Imker) kann gut verfüttert werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Brut weder zu weich noch zu hart ist. Das beste Entwicklungsstadium ist jenes, wenn sich die Köpfe der Brut schon etwas lila verfärbt haben. Ist die Drohnenbrut zu weich, könnte sie die Schnäbel der Vögel verkleben. Erfahrungswerte belegen, dass sich empfindliche Insektenfresser durch eine ausschließliche Fütterung mit Grillen am besten entwickeln.
Nackte Jungvögel sind nicht in der Lage, ihre Körpertemperatur selbst zu regulieren. Sie benötigen während der ersten Tage und während der Nacht eine Wärmequelle, die das Hudern der Mutter ersetzt. Ein Ersatznest ist schnell aus einem runden kleinen Korb, einem Blumentopf oder aus ähnlichen Behältnissen hergestellt. Dieses „Nest“ wird am besten mit Papiertüchern gefüllt. Watte, langfasrige Lappen und Holzwolle sind ungeeignet, da sich der Jungvogel schlimmstenfalls strangulieren könnte.
Jungvögel sollte man nicht in ihrem Nest aufziehen. Da die Nester meist stark vermilbt sind, vernichtet man sie am besten. Als Wärmequelle verwendet man einen Infrarotstrahler oder eine 40-Watt-Glühlampe. Besser noch ist ein Infrarotdunkelstrahler. Dieser gibt Wärme ab, leuchtet aber nicht, so dass während der Nacht eine natürliche Dunkelheit herrscht. Die Lampe wird über dem Pflegling angebracht. Eine laufende Kontrolle der Temperatur, die 38° C nicht überschreiten darf, ist notwendig. Ist es dem Vogel zu warm, wird er nach Luft hechelnd den Schnabel öffnen. Der Vogelkörper darf sich auch nicht kalt anfühlen. Ultraviolette Strahlungen sind nicht angebracht. Schon nach kurzer Zeit rufen sie Verbrennungen auf dem Vogelkörper hervor. Sind die Vögel etwas älter, aber noch nicht voll flügge, so wird das Oberteil eines Käfigs über das Nest gestellt. Es schließt aus, dass die Pfleglinge, die nun schon gut klettern können, plötzlich im Zimmer umherhüpfen, sich hinter Schränke setzen, oder sogar totgetreten werden. Je nach Alter sind die Fütterungsabstände unterschiedlich. Nackte Vogeljunge erhalten halbstündlich, größere stündlich oder alle zwei Stunden ihre Futterration. Der Vogelpfleger merkt sehr schnell, ob die Kleinen noch hungrig sind, denn ihr forderndes Piepen ist kaum zu überhören.
Junge Eulen und Greifvögel gibt der unkundige Vogelpfleger besser schnell an eine Pflegestation oder an eine Person ab, die Erfahrung mit diesen Vögeln hat und auch eine Ausgewöhnungsvoliere besitzt. Es ist auch nicht jedermanns Sache, späterhin Lebendfutter zu verwenden. Dies ist aber unumgänglich, wenn die Ausgewöhnung Erfolg haben soll. Die Ausgewöhnung von Kleinvögeln ist notwendig, denn man muss bedenken, dass auch sie später ihr Futter selbst finden müssen. Damit sich der Vogel nicht auf den Menschen prägt, hat jeder Kontakt, außer zu den Fütterungszeiten, zu unterbleiben. Ist der Vogel voll befiedert, stellt man ihn mit dem Käfig an einen freien, katzensicheren Platz. Nach einigen Tagen öffnet man die Tür, füttert aber noch weiter. Mit etwas Glück wird diese Auswilderung klappen.