Säugetiere

Zwischen Natur- und Herdenschutz – Isegrim ist zurück

Unter dem Namen Isegrim ist der Wolf vor allem aus Märchen und Sagen bekannt. Meist ist seine Rolle keine gute, und selten geht das Märchen gut für ihn aus. Der schlechte Ruf liegt wohl vor allem darin begründet, dass der Wolf zumindest in Mitteleuropa keine natürlichen Feinde hat.

Foto: iStock-hkuchera

Er steht an der Spitze der Nahrungskette. Nicht nur Rotkäppchen musste sich vor dem Wolf in Acht nehmen: Ein ausgewachsener Wolf frisst täglich etwa 3-4 Kilogramm Fleisch, vor allem Landwirte sahen und sehen das mit Besorgnis. Denn da durch die Zersiedelung nicht nur seine ursprünglichen Lebensräume immer weiter eingeschränkt wurden, sondern damit auch das natürliche Nahrungsangebot zunehmend minimiert wurde, fielen vermehrt auch Rinder, Schafe, Ziegen und andere domestizierte Tiere Wolfsangriffen zum Opfer.

Wölfe wurden daher auch in den Gebieten des heutigen Deutschlands erbarmungslos gejagt, bis sie vor etwa 150 Jahren so gut wie ausgerottet waren. Erst nach dem zweiten Weltkrieg zogen einzelne Tiere aus Polen wieder über die Grenzen der damaligen DDR, wo sie jedoch als Schädlinge betrachtet und konsequent abgeschossen wurden. Erst seit der Wiedervereinigung 1990 sind Wölfe bundesweit geschützt, sowohl durch das Bundesnaturschutzgesetz als auch (wie in allen anderen EULändern) durch die sogenannte FloraFauna-Habitat-Richtlinie. Zusätzlich verbietet das Washingtoner Artenschutzabkommen den internationalen Handel mit Wölfen oder Körperteilen wie Fellen. Nur in Ausnahmefällen dürfen Wölfe im Rahmen des Wolfsmanagements getötet werden, etwa wenn einzelne Tiere wiederholt Herden angreifen. Dies führte dazu, dass Wölfe in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten wieder einen festen Platz gefunden haben.

Ende der 1990er-Jahre siedelten sich erstmals Wölfe auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Lausitz an. Seitdem verbreiteten sich die Wolfsrudel zunächst in Ostdeutschland, später in fast allen Bundesländern. Heute leben nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz 128 Rudel, 35 Paare und ca. 10 sesshafte Einzelwölfe in Deutschland. Begegnungen mit Wölfen sind sehr selten, doch hin und wieder sorgen ebensolche auch für Schlagzeilen. So zuletzt im Frühling dieses Jahres, als ein Wolf zur Geisterstunde durch die Kölner Innenstadt streifte, gefilmt von mehreren Videokameras und aufmerksamen Anwohnern.

Naturschützer freuen sich über die höheren Wolfspopulationen, Schäfern und Landwirten ist die Vermehrung ein Dorn im Auge.

Denn Wölfe haben nach offiziellen Angaben seit 2000 bis 2019 mehr als 10.000 Weidetiere getötet oder verletzt, größtenteils Schafe. Obwohl das Töten eines Wolfes als Straftat gilt und mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet wird, werden Wölfe immer wieder Opfer von Wilderei bzw. illegaler Jagd. 2020 und 2021 wurden jeweils etwa 10 illegale Tötungen bestätigt, doch die Dunkelziffer liegt nach Schätzung von Experten weitaus höher. So lag die Zahl der Wölfe, die Opfer von Verkehrsunfällen wurden, zuletzt bei rund 100 Tieren pro Jahr. Doch wieviele von ihnen bereits vor dem Zusammenstoß mit einem Auto getötet wurden, ist ungewiss.

Tierschützer setzen sich daher seit vielen Jahren dafür ein, das verloren gegangene Wissen im Umgang mit dem Wolf wieder herzustellen.

Hierzu sind sie auch auf Unterstützung durch die Politik angewiesen. Denn einerseits ist die Wiederansiedelung des Wolfes ein Meilenstein auf dem Gebiet des Naturschutzes; andererseits wird der Herdenschutz für Landwirte zu einem wichtigen Thema. Ein ausgebildeter Hütehund kostet bis zu 5.000 Euro, zudem ist der Einsatz von Hütehunden nicht überall möglich. Die Förderung von Schutzmaßnahmen wird daher viel dazu beitragen, dass der Wolf an seinen angestammten Platz in der natürlichen Umgebung wieder akzeptiert wird. Eine mögliche Angst vor dem Wolf ist darüber hinaus völlig unbegründet. Seit der Wiederansiedelung von Wölfen in Deutschland hat es weder einen tödlichen Angriff noch überhaupt eine aggressive Annäherung an Menschen gegeben. Zu den Hauptgründen von Wolfsangriffen in anderen Ländern zählt die Tollwut, doch diese gilt in Deutschland und weiten Teilen Europas als ausgerottet. Wölfe sind sehr scheu. Einem wilden Wolf zu begegnen, also ihn in der Ferne für ein paar Sekunden zu sehen, ist daher ein Höhepunkt für jeden Tierfilmer und Wildnisfreund.

Jan Peifer