aktion tier Kampagne

Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer! – Artgerecht ist nur die Freiheit!

In Deutschland nimmt die private Wildtierhaltung kontinuierlich zu. Statt Hund, Katze oder Kaninchen schaffen sich immer mehr Menschen Pythons, Bartagamen oder Chamäleons an.

28. Februar 2010
Mitarbeiter von aktion tier e.V. mit menschlichen Reptilien beim Kampagnenstart in Berlin. Foto: © aktion tier e.V.

Vielen Menschen, sogar den Haltern selbst, ist oftmals nicht bewusst, welche Probleme mit dem Handel und der Haltung von exotischen Wildtieren verbunden sind. aktion tier e.V. und animal public e.V. haben eine bundesweite Aufklärungskampagne ins Leben gerufen.

Tierquälerei durch Fang, Transport und Vermarktung

Jedes Jahr werden Millionen von exotischen Wildtieren nach Deutschland importiert. Ein Großteil davon sind immer noch Wildfänge. Die Tiere wurden nicht in Gefangenschaft nachgezüchtet, sondern mit brutalen Methoden wie Fallen, Leimruten, Netzen oder sogar Gift aus ihrem natürlichen Lebensraum herausgerissen. In den Ursprungsländern werden die Exoten zunächst zwischengelagert, bis eine für den Export lohnende Stückzahl zusammengekommen ist. Eingepackt in kleine Dosen oder Beutel werden sie dann nach Deutschland versandt, häufig per Flugzeug. Studien belegen, je preisgünstiger die Tierart, desto nachlässiger, platzsparender und damit für die Tiere gefahrvoller erfolgt der Transport. Der Schock der Gefangennahme, Verletzungen durch grausame Fangmethoden und die katastrophalen Transportbedingungen führen dazu, dass viele Tiere Deutschland nicht lebend erreichen. Je nach Art liegt die Mortalitätsrate bei bis zu 50 Prozent. Das heißt, jedes zweite Tier stirbt! Es verwundert nicht, dass diejenigen Exoten, die beim Großhändler ankommen, häufig verletzt oder krank sind. Viele überleben danach noch nicht einmal ein Jahr in Gefangenschaft!

Trotzdem blüht das weitgehend unkontrollierte Geschäft mit exotischen Tieren, denn die Nachfrage ist riesig und bei einigen Arten will die Nachzucht in Gefangenschaft einfach nicht gelingen oder ist kostenintensiver als der verlustreiche Import von Wildfängen. Der Handel mit den besonders empfindlich auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagierenden Wildtieren erfolgt häufig über Kleinanzeigen, im Internet und bei sogenannten Exotenbörsen. In kleinen Plastikboxen, in denen sonst Essen am Imbiss verkauft wird, werden die Tiere zu diesen Börsen transportiert und dort wie Wühltischware feilgeboten. Um sie herum eine ungewohnte Geräusch- und Geruchskulisse, grelles Licht, Menschenmassen, keine Möglich keit zum Verstecken oder zur Flucht. In Deutschland werden mittlerweile jedes Jahr Hunderte von Exotenbörsen veranstaltet. Manche Händler reisen mit ihren Tieren von Börse zu Börse, bis die „Ware“ entweder verkauft oder tot ist. Zwar gibt es hierzulande seit dem 1. Juni 2006 die so genannten „Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“, doch sind diese aus Sicht des Tierschutzes vollkommen unzureichend und zudem nicht rechtsverbindlich.

Kein Internethandel mit Tieren!

aktion tier Aufklärungskampagne | September 2015

Im Internet werden nicht nur massenhaft Hunden, Katzen und Kaninchen, sondern auch fast jedes exotische Wildtier zum Kauf angeboten. Der Handel mit exotischen Wildtieren ist äußerst lohnend, zumal die Nachfrage nach immer ungewöhnlicheren Haustieren wächst. Die "Lagerhaltung" der Tiere vor Ort ist häufig katastrophal und den Transport sollen weniger als 20% der Tiere überleben. Außerdem werden viele Exoten im Ursprungsland auf teilweise brutale Weise in der Natur gefangen (Wildfänge), was verheerende Folgen für den dortigen Tierbestand und die lokalen Ökosysteme hat...

Ausrottung seltener Arten

Niemand kann genau sagen, wie viele Tier- und Pflanzenarten auf der Welt existieren. Neuere Schätzungen gehen von etwas über 8 Millionen aus. Nur etwa 2 Millionen Arten (davon etwa ¼ Pflanzen- und ¾ Tierarten) sind uns überhaupt bekannt und erfasst. Schuld am rasanten Artensterben ist der Mensch. Unter anderem durch die Zerstörung von Lebensräumen, durch Überfischung und Überjagung sowie durch die Umweltverschmutzung haben wir es geschafft, dass weltweit bis zu 150 wildlebende Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich von der Erde verschwinden – nicht etwa jährlich, sondern jeden Tag! Gemäß wissenschaftlichen Erkenntnissen begann das Artensterben bereits in grauer Vorzeit, als die Steinzeitmenschen zu jagen lernten. Während damals jedoch „nur“ wenige Arten pro Jahr ausstarben, sind es heute bis zu 30.000. Besonders gravierend ist das Artensterben auf Madagaskar, in der Karibik, in den Küstenwäldern Brasiliens und den Anden. Auch die Organ-Utans sind betroffen. Sie kommen nur auf Borneo und Sumatra vor und gehören zu den am stärksten bedrohten Primaten. Heute sollen in freier Wildbahn nur noch etwa 47.000 Exemplare dieser „Waldmenschen“ leben. Wenn die Zerstörung ihrer Lebensräume vor allem durch die Anlage von Palmöl- Plantagen nicht gestoppt wird, werden diese einzigartigen Geschöpfe in etwa 20 Jahren ausgerottet sein. (Zahlen: Stand März 2014)

Doch gerade die seltenen Tierarten, die unter dem Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens stehen und eigentlich nicht gehandelt werden dürfen, sind bei Sammlern besonders begehrt und erzielen auf dem Schwarzmarkt horrende Preise. Durch skrupellose Sammelleidenschaft blüht der illegale Handel mit gefährdeten Wildtierarten und trägt zu deren Ausrottung bei!

Eine artgerechte Haltung ist nicht möglich

Wildtiere haben sich nicht wie Hunde oder Katzen über Jahrtausende an ein Leben in der Nähe des Menschen gewöhnt. Sie sind unabhängig vom Menschen und ausschließlich an ihren natürlichen, teilweise viele Quadratkilometer großen Lebensraum und den dort herrschenden Bedingungen angepasst – sei es extreme Hitze oder Kälte, Trockenheit oder hohe Luftfeuchtigkeit, starke Klimaschwankungen übers Jahr oder gar an einem einzigen Tag, dichter Regenwald oder sandige Wüste. Wildtiere sind im Laufe ihrer Evolution zu hoch spezialisierten Jägern oder Meistern der Tarnung geworden. Solche Tiere kann man in den künstlichen und eng begrenzten Ersatzlebensräumen, die ihnen Käfige, Terrarien oder Aquarien bieten, niemals wirklich artgerecht halten.

Es ist schon reichlich Fachwissen notwendig, um Wildtiere in Gefangenschaft überhaupt am Leben zu erhalten. Der Exotenboom der letzten Jahre hat leider dazu geführt, dass viele Menschen sich spontan ein exotisches Wildtier angeschafft haben, ohne über diese nötige Fachkenntnis zu verfügen. So sind es häufig Haltungsfehler wie falsche Klimabedingungen, Fütterung oder Vergesellschaftung, die Reptilien, Amphibien, Fischen und anderen Wildtieren das Leben kosten. Einer aktuellen Studie zu Folge liegt der Anteil der Reptilien, die durch Haltungsfehler sterben, bei über 50 Prozent.

Gefahr für die Bevölkerung

Schätzungen zufolge werden in Deutschland derzeit etwa 100.000 Gift- und 200.000 Würgeschlangen gehalten. Hinzu kommen unzählige giftige Skorpione und Spinnen. Nach Angaben verschiedener Giftnotzentralen nimmt die Zahl der Unfälle mit exotischen Gifttieren in alarmierender Weise zu. Neben Klapperschlangenbissen melden Giftambulanzen immer häufiger Verletzungen durch Skorpionen, Vogelspinnen und giftige Aquarienfische. Die Dunkelziffer ist enorm, da Stiche von Aquarienfischen oder Bisse von Vogelspinnen nicht meldepflichtig sind und die Halter häufig nicht zum Arzt gehen. Trotzdem gibt es immer noch in 10 der insgesamt 16 Bundesländer keine Regelungen zur privaten Haltung gefährlicher Wildtiere. Exotische Wildtiere können Menschen durch Gift, Verhalten oder Körperkraft erheblich verletzen!

Gefahr der Krankheitsübertragung

Exoten können Träger von Krankheiten sein, die teilweise auf domestizierte Tiere oder auch auf den Menschen übertragbar sind (Zoonosen). Der internationale Wildtierhandel fördert deren schnelle und unkontrollierte Verbreitung. Um dies zu verhindern, hat die EU bereits den Import einiger Wildtiere, wie beispielsweise Wildvögel und afrikanische Nagetiere, verboten oder streng reglementiert. Neben verschiedenen Viren, Pilzen und Parasiten darf vor allem die Infektionsgefahr mit Salmonellen nicht unterschätzt werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis zu 75 Prozent der hierzulande gehaltenen Reptilien mit unterschiedlichen Salmonellenarten infiziert sind. Ohne selbst Symptome zu zeigen, scheiden die Tiere dennoch permanent die Erreger über den Kot aus. Besonders gefährdet sind kleine Kinder, schwangere Frauen und alte Menschen. In England und den USA kam es bereits zu Todesfällen. So starben mehrere Kinder, nachdem sie sich bei den zu Hause gehaltenen Reptilien mit Salmonellen infiziert hatten. Das Robert-Koch-Institut rät daher, in Haushalten mit Kindern unter fünf Jahren generell keine Reptilien zu halten. Der unprofessionelle Umgang mit exotischen Wildtieren stellt immer ein potentielles Gesundheitsrisiko dar!

Die massenhafte Jagd auf eine bestimmte Tierart stört früher oder später auch immer das ökologische Gleichgewicht...

aktion tier Kampagne | "Froschschenkel: Gaumenkitzel mit Risiken und Nebenwirkungen"

Als in den 1950er bis 1980er Jahren in Indien und Bangladesch die intensive Froschjagd zu einem starken Bestandsrückgang führte, vermehrten sich die Insekten rasant. Unter anderem die Malaria übertragende Anopheles-Mücken, wodurch die Zahl der Erkrankungen rapide anstieg.

Unüberlegt angeschafft und dann ausgesetzt

Spontan gekaufte exotische Wildtiere werden ihren Haltern meist schnell lästig, wenn sie etwa zu groß oder zu teuer werden. Häufig werden diese Tiere einfach durch Aussetzen „entsorgt“. Zoos und Botanische Gärten sind beliebte Orte, um ungeliebte Tiere los zu werden. Geeignete Auffangstationen und Tierheime sind selten und aufgrund der großen Anzahl der „Fundtiere“ heillos überfüllt. Werden nicht mehr gewollte Exoten gar in der freien Natur ausgesetzt, haben viele keine Überlebenschance, da sie unser Klima nicht vertragen und keine geeignete Nahrung finden.

Nur sehr anpassungsfähige fremdländische Wildtiere wie Ochsenfrösche, Schmuckschildkröten und Streifenhörnchen können die hiesigen Winter überstehen und sich mitunter sogar vermehren, wodurch unser ökologisches Gleichgewicht gefährdet wird und heimische Tierarten verdrängt werden können. Die Ausbreitung dieser tierischen Neubürger (Neozoen) gilt mittlerweile nach der Zerstörung von Lebensräumen als zweitwichtigste Ursache des weltweiten Artensterbens. In Deutschland sind bislang 163 Vogel- und 22 Säugetier-Neozoenarten bekannt. Das Aussetzen von exotischen Wildtieren insgesamt und speziell in die Natur ist verboten und verantwortungslos: Es gefährdet unsere heimische Fauna und das Leben des Tieres selbst!

Das können Sie tun

Aus Sicht des Tier- und Artenschutzes gibt es nur eine Lösung für diese Probleme: Die Haltung von exotischen Wildtieren in Privathand muss gesetzlich verboten werden. Dafür treten aktion tier – menschen für tiere e.V. und sein Kooperationspartner animal public e.V. ein! Sie können uns dabei helfen:

  • Schaffen Sie sich kein exotisches Wildtier an!
  • Klären Sie Ihre Freunde und Bekannte über die Problematik der Wildtierhaltung auf und bitten Sie diese, sich ebenfalls kein Wildtier anzuschaffen!
  • Besuchen Sie keine Exotenbörsen; durch Ihren Eintritt unterstützen Sie den rücksichtslosen Tierhandel!
  • Zeigen Sie Besitzer gefährlicher oder giftiger Wildtiere vorsorglich an damit überprüft werden kann, ob die Haltung eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt!
  • Bitten Sie die Lehrer Ihrer Kinder in der Schule über die Problematik der Exotenhaltung zu sprechen!

Kampagnenstart am Berliner Alexanderplatz

Am 19. Februar 2010 haben wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner animal public e.V. die große Aufklärungskampagne „Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer- Artgerecht ist nur die Freiheit" auf dem Berliner Alexanderplatz gestartet. Unsere Open-Air-Aktion mit Bodypainting, Infostand und Unterschriftensammeln war ein voller Erfolg. Bei herrlichem Sonnenschein und nicht mehr ganz so frostigen 3 Grad plus haben die drei als Reptilien angemalten Frauen dennoch ziemlich gefröstelt. Das Sofa mit den täuschend echt angemalten Models und Stacheldraht darum herum war ein absoluter Hingucker. Die Passanten haben verstanden, worum es geht: um das Tierleid in unseren Wohnzimmern.

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