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Können Tiere trauern?

Dass Tiere über eine ausgeprägte Gefühlswelt verfügen sollen, sorgt bei vielen Menschen immer wieder für angeregte Diskussionen. Spott erntete der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der eine rege Gefühlswelt bei seinem eigenen Hund feststellte. Auch der englische Wissenschaftler Charles Darwin und der deutsche Zoologe Alfred Brehm widmeten sich intensiv diesem Thema, das erst auf den zweiten Blick komplex wird.

Foto: Diezemann

Viele Hundebesitzer werden Lorenz aber in jedem Fall zustimmen, wenn man daran denkt, wie sehr ein Hund sich freuen kann, wenn es etwa raus zum Spaziergang geht oder der Bezugsmensch nach längerer Abwesenheit wieder zurückkommt. Auch Traurigkeit stellt man fest, wenn man an die Hunde denkt, die im Tierheim landen. Tagelang stehen viele Hunde am Gitter, verweigern Futter und warten sehnsüchtig auf die Rückkehr auf Frauchen oder Herrchen. Darwin verfasste das umfangreiche Buch „Ausdruck von Gefühlen bei Mensch und Tier“ und sah in Emotionen unerlässliche Aspekte des Überlebensmechanismus, und Brehm wollte stets auch die Psyche eines Tieres begreifen. Die Forschungen gehen weiter und immer wieder werden Verhaltensweisen bei Tieren beobachtet, die darauf schließen lassen, dass sie durchaus über Emotionalität verfügen und in jedem Fall auch Trauer zeigen können. 

In der Wildnis lassen sich zahlreiche emotionale Gefühlsregungen der Tiere beobachten. So leben Elefanten beispielsweise in einem sehr engen sozialen Verband. Aufgrund der langen Strecken, die Elefanten bei ihren Wanderungen zurücklegen, kann es passieren, dass in Ermangelung von Wasser Tiere geschwächt zusammenbrechen. Andere Herdenmitglieder versuchen sogleich, ihrem Herdenmitglied auf die Beine zu helfen. Verstirbt ein Tier, so wurde beobachtet, dass Mitglieder der Herde immer wieder zu der Stelle zurückkehren, an der das Tier verstorben ist. Das tote Tier wurde mit den Rüsseln intensiv beschnüffelt oder mit dem Fuß angestoßen. Man könnte daher den Elefanten eine Fähigkeit zu Trauerarbeit zuschreiben. Auch tragen Elefantenmütter zuweilen verstorbene Jungtiere tagelang mit sich herum und verzögern auf diese Weise den gesamten Wanderungsprozess der Herde. Ähnliches geschieht bei Delfinen. Stirbt bei Delfinmüttern das Junge, wurden diese oft tagelang mit dem toten Baby auf dem Rücken umher schwimmend gesehen. Delfine in Gefangenschaft hingegen reagieren oft mit einem Hungerstreik, wenn einer der Gefährten stirbt. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigt sich auch bei Pferden, sowohl bei wild lebenden als auch bei domestizierten. Auch sie stupsen schwach auf dem Boden liegende, vielleicht erkrankte Tiere an, als wollten sie helfen. Bei Papageien drückt sich die Trauer um einen verlorenen Lebenspartner oftmals durch Futterverweigerung oder Federrupfen aus. Der einsame Vogelpartner wirkt teilnahmslos und sitzt meist nur, statt fliegen zu wollen. Einige allein gelassene Papageien sterben auch vor Kummer.

Mitglieder von Elefantenherden kehren immer wieder an jenen Ort zurück, an dem ein Herdenmitglied verstorben sind. Foto: © Cynthia Corogin Foto: Cynthia Corogin

Die Verhaltensforscher sind sich in einem Punkt durchweg einig: Tiere verfügen über eine ganze Reihe von Emotionen. Streitpunkte bilden sich aber dann, wenn es gilt, die Qualität dieser animalischen Emotionen zu definieren. Wir betrachten die Tiere schließlich mit menschlichem Verstand und neigen oft dazu, unsere eigenen Gefühle in die Tiere hinein zu interpretieren. Wenn ein Tier um einen verstorbenen Gefährten „trauert“, hat er Kummer, weil er nun allein ist, oder kann ein Tier sogar über das Gefühl „Mitleid“ verfügen? Diese Fähigkeit ist eher unwahrscheinlich, setzt Mitleid schließlich die Fähigkeit voraus, sich in andere Lebewesen hineinversetzen zu können. Hierzu sind möglicherweise Menschenaffen fähig, aber anderen Tierarten kann man dies schwer zutrauen.

Die Trauerarbeit, die von den meisten Tieren geleistet wird, ist meist eine körperlich ausgedrückte Stresssituation. Denn schließlich geht der Tod eines Gefährten oder gar eines Familienmitgliedes mit dem Verlust von Sicherheit einher. Ein Stück Vertrauen bricht weg und löst kurzfristig eine Form der Panik aus. Diese erlebte Panik löst auch oft fatale Konsequenzen aus: So kann es passieren, dass beim Verlust eines Elefantenmitgliedes eine Herde auseinanderbricht, eine Wildgans kann oftmals ihre Position im Schwarm ohne den Partner bei den Artgenossen nicht halten. Und Hunde landen leider nur zu oft beim Verlust von Frauchen oder Herrchen im Tierheim und erleben eine ihnen vollkommen fremde Umgebung mit Menschen, die ihnen nicht vertraut sind. Dies alles löst Stress und Verwirrung aus, was sich bei Tieren nun einmal in der Körpersprache zeigt oder zeitweise durch Wimmern, was bei Hunden meist eher Angst ausdrückt als ein von uns interpretiertes Weinen.

So interpretiert auch der amerikanische Neurowissenschaftler António Damásio (*1942), der vor allem durch seine Bewusstseinsforschung des Menschen bekannt wurde, und ganz klar zwischen Emotionen und Gefühlen unterscheidet. Damásio, der zu den bedeutendsten Neurowissenschaftlern der Welt gehört, beschreibt Gefühle als das bewusste Wahrnehmen von emotionalen Körperzuständen, während er Emotionen als physikalische Reaktionen oder Signale deutet, die durch äußere Reize hervorgerufen werden. Tieren traut er kein Gefühlsleben zu, da sie nicht zu einer Selbstreflektion fähig seien so wie der Mensch. Diese Eigenschaft ist für den Forscher unbedingt mit dem Erleben einer Gefühlswelt zu verknüpfen. Was aber, wenn einige Tierarten doch zur Selbstreflektion fähig sind? Betrachten wir die Forschung rund um das Verhalten von Schimpansen, so ist festzustellen, dass in vielen Versuchsreihen der Verhaltensforschung Affen stark auf das Betrachten ihres Spiegelbildes reagierten. Eine Art Selbstwahrnehmung findet an dieser Stelle durchaus statt. Auch die bereits angesprochene Verhaltensweise von Elefanten, die gemeinsam an einem Ort verweilen, an dem ein Herdenmitglied verstorben ist, könnte bedeuten, dass eine Art „interne Kommunikation“ über das Geschehene stattfindet. Schließlich „sprechen“ Elefanten in tiefen Tonfrequenzen, die für uns Menschen nicht hörbar sind. Eine solche Art der Kommunikation kann durchaus als Reflektion der Situation und der selbst erlebten Emotion betrachtet werden. Man kann daher zumindest annehmen, dass diejenigen Tiere, die in festen sozialen Strukturen leben, durchaus über eine Gefühlswelt verfügen könnten.

Haustierbesitzer sollten sich in jedem Fall gewiss sein: Wird ein Tier übernommen, dessen Besitzer etwa verstorben ist, so ist für dieses Tier der Alltag neu und die Umgebung meist fremd. Auch wenn etwa eine Katze ihren Spielkameraden verliert, erlebt sie erst einmal Stress, da das vertraute Miteinander fehlt. Man muss diesen Tieren ihre Zeit lassen und sie vorsichtig versuchen abzulenken und Vertrauen zu gewinnen. Erstaunlicherweise reagieren Katzen, die ohnehin eher zu den Einzelgängern gehören, zuweilen „erleichtert“, wenn die Zweitkatze nicht mehr da ist. Schließlich hat sie dann die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Zweibeiners. Ob dies widerum mit dem Gefühl des Egoismus zu interpretieren ist, bleibt wohl vorerst ungeklärt...

Alexandra Pfitzmann

Redaktion "mensch & tier"