Tierschutzfälle mit Exoten

Das Ende einer Affenliebe

Michael Kretschmer aus Eichwalde bei Berlin ist den Tränen nahe. Nach 15 Jahren muss er sein Rhesusaffenweibchen Nicki abgeben – das Geld reicht einfach nicht mehr.

Rhesusaffe wie Nicki sind Gruppentiere, die sich nur in der Gemeinschaft mit Artgenossen wohl fühlen. Foto: aktion tier e.V.

Michael Kretschmer aus Eichwalde bei Berlin ist den Tränen nahe. Nach 15 Jahren muss er sein Rhesusaffenweibchen Nicki abgeben – das Geld reicht einfach nicht mehr. Es ist Anfang Januar, bitterkalt, der Schnee liegt meterhoch. Nicki sitzt in ihrem Gehege neben dem Einfamilienhaus in Eichwalde. Im Innenraum steht ein Fernseher zur Unterhaltung des einsamen Affenweibchens. Herr Kretschmer erzählt, dass Nicki den Kinderkanal liebt und vor allem Tiersendungen sehr interessiert verfolgt. Eine Dauerlösung ist das jedoch nicht. Rhesusaffen sind Gruppentiere, die sich nur in der Gemeinschaft mit Artgenossen wohl fühlen. Herr Kretschmer weiß das, aber die Anschaffung eines Partnertieres kommt nicht in Frage. Er ist längst nicht mehr in der Lage, Nickis Haltung zu finanzieren. Allein die Beheizung des Innengeheges mit einem Ölradiator verursacht enorme Kosten. Hinzu kommen täglich große Mengen an frischem Obst und Gemüse. Im Krankheitsfall wird es richtig teuer, denn der Tierarzt muss ins Haus kommen und den Affen für die Untersuchung meistens betäuben.

Die kostenintensive Affenhaltung wurde zum Problem

Nicki ist der letzte von ursprünglich drei Rhesusaffen. Zuerst übernahm Herr Kretschmer den Affenmann Bimbo von einem Bekannten. Um eine artgerechte Gruppenhaltung zu realisieren baute Herr Kretschmer ein Gehege und kaufte 1996 das Rhesusaffenweibchen Nita und deren 4-jährige Tochter Nicki aus dem Tierpark Klingenthal dazu. Damals ging es Herrn Kretschmer finanziell noch gut. Doch das Leben hat dem 54-Jährigen übel mitgespielt. Vor Jahren gab er den Beruf auf, um seine kranke Mutter bis zu ihrem Tod zu Hause zu pflegen. Später nahm Herr Kretschmer noch seinen Vater zu sich, der vor einigen Monaten ebenfalls starb. Die kostenintensive Affenhaltung wurde für den erwerbslosen Mann ein wachsendes Problem. Inzwischen sind Bimbo und Nita gestorben. Seit zwei Jahren sitzt Nicki nun schon allein in ihrem Gehege.

Herr Kretschmer hat sich schließlich schweren Herzens entschlossen, den Affen abzugeben und bereits seit mehreren Monaten verschiedene Tierschutzvereine um Hilfe gebeten. Doch ohne Erfolg. Nun hilft aktion tier. Geplant ist, Nicki einzufangen und zuerst einmal in die aktion tier-Wildtier- und Artenschutzstation nach Sachsenhagen zu bringen.

Nicki ist kein Haustier, kein Schmusetier, sondern nach wie vor ein in seinem Verhalten unberechenbares Wildtier. Scheu und misstrauisch beobachtet sie an diesem kalten Januarmorgen die Ankunft von Dr. Brandes, dem Leiter der Artenschutzstation in Sachsenhagen und dessen Mitarbeiter. Dr. Brandes will versuchen, Nicki mit einem Kescher einzufangen, um ihr eine Narkose zu ersparen. Schließlich ist sie mit ihren 19 Jahren nicht mehr die Jüngste. Wütend beißt der Affe in den Kescher, sobald die Tierschützer sein Gehege betreten, doch Dr. Brandes reagiert blitzschnell und hat Nicki innerhalb weniger Sekunden eingefangen. In der Transportbox macht sich der Affe erst einmal über das bereitgestellt Obst her. Das Frühstück ist ausgefallen, da nicht klar war, ob Dr. Brandes eine Narkose setzen muss und jetzt hat Nicki Hunger. Herr Kretschmer ist zwar traurig, seine Nicki nicht mehr bei sich zu haben, freut sich jedoch gleichzeitig, dass aktion tier und die Artenschutzstation Sachsenhagen so schnelle und unbürokratische Hilfe geleistet haben. Es bleibt allerdings das Gefühl, versagt zu haben.

Herr Kretschmer ist kein Einzelfall. aktion tier hat nicht umsonst im Rahmen seiner Kampagne „Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer – artgerecht ist nur die Freiheit“ im vergangenen Jahr immer wieder auf die Probleme hingewiesen, die mit der Haltung exotischer Wildtiere einhergehen. Allzu oft werden Exoten beim Tierschutz abgegeben, oder, im schlimmsten Fall, ausgesetzt. Allein in 2009 wurden in deutschen Tierheimen doppelt so viele Exoten abgegeben wie im Vorjahr. Viele Halter überschauen bei der Anschaffung nicht, welche Kosten und eventuelle Probleme auf sie zu kommen. Ein Rhesusaffe kann beispielsweise bis zu 30 Jahre alt werden und verursacht monatliche Kosten von mindestens 100 Euro. Herr Kretschmer ist nun von seiner „Affenliebe“ kuriert und verpflichtet sich aktion tier gegenüber schriftlich, nie wieder ein exotisches Wildtier zu halten.

Video: aktion tier übernimmt Rhesusaffen aus Eichwalde bei Berlin

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.