Insekten, Spinnentiere und Schnecken

Die spinnen doch! – Eichen-, Schwamm- und Pinienprozession

Beeindruckend und faszinierend ist es schon, wenn man die Raupen der Eichen-, Schwamm- oder Pinienprozessions-Spinner in geschlossener Reihe kommen sieht. Die Raupen der Schmetterlingsarten ketten sich gezielt aneinander, um für ihre Fressfeinde (Wanzen, Schlupfwespen, Raupenfliegen, Vögel) auszusehen wie eine Schlange und dadurch abschreckend und bedrohlich zu wirken.

Es gibt viele Arten der Prozessions-Spinner. Foto: claude05alleva / Lizenz: CC0 1.0 Universell (CC0 1.0)

Dieses in der Biologie genannte „Mimikry-Verhalten“ (in diesem Fall eine sogenannte „Schutzmimikry“) ist eine lebensrettende Einrichtung der Natur, doch die Schäden, die die haarigen Raupen an Bäumen verursachen, sind groß. In Siedlungsbereichen und Erholungseinrichtungen werden die Raupen der Prozessions-Spinner aus gesundheitlich-hygienischen Gründen bekämpft.

Prozessions-Spinner (Thaumetopoeinae) bilden eine Unterfamilie der Zahnspinner (Notodontidae), die zur Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera) gehören. Ungefähr 100 Arten sind bekannt, die in Afrika, Vorderasien, Indien, Australien, in Südeuropa und bei uns in Deutschland leben. In Südeuropa ist der Pinien-Prozessionsspinner weit verbreitet, und wer in den Monaten Februar bis Mai beispielsweise in Spanien ist, der wird sie antreffen, die Raupenketten, die sich eben von Pinien ernähren und in den Bäumen ihre Ne s ter haben. In Deutschland sind es vor allem die Eichen-Prozessionsspinner und Schwamm- Spinner (die so heißen, weil die Nester wie Schwämme aussehen), die ihre Fraßspuren in den Bäumen hinterlassen. Speziell der Eichen- Prozessionsspinner ist von der Iberischen Halbinsel über Süd- und Mitteleuropa östlich bis in den Süden Russlands und nach Vorderasien verbreitet.

Im Jahr 2018 scheint die Verbreitung der verschiedenen Spinner- Raupen besonders hoch, wohl begünstigt durch recht warme Temperaturen und einen milden Winter. In Deutschland wurde im Mai dieses Jahres mit besorgtem Blick vor allem auf den Baumbestand der Eichen in den Wäldern geschaut, vornehmlich im fränkischen und bayerischen Raum, aber auch in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Es sind die Eichen reichen Wälder wie Eichen-Hainbuchenwälder und Kiefernwälder mit Eichenbewuchs, die von den Raupen besiedelt werden, besonders gerne an trockenen und lichten Orten, aber auch in Eichen-Ulmen-Auen. Auch an Straßenrändern, Parks und in urbanen Bereichen kommen die Spinner- Raupen gelegentlich vor.

In Deutschland kommen regelmäßig Flugzeuge, die mit Insektengift bestückt sind, an verschiedenen Zielgebieten zum Einsatz, da sonst Kahlschläge in den Wäldern drohen. Die Baumbestände werden aus der Luft besprüht, die Raupen fressen dann die besprühten, für sie giftigen Blätter der Eichen und sterben (durch das im Gift enthaltene Bakterium wird bei den Raupen die Fraßtätigkeit eingestellt). Zur Bekämpfung wird meist „Bacillus thuringiensis“ (Bt) verwendet, ein Bakterium, das vor allem im Boden, aber auch an Pflanzen und in Insektenkadavern gefunden werden kann. Enthalten ist dies in dem oft genutzten Pestizid „Dipel ES“. Die von dem Bakterium produzierten Bt-Toxine sind für den Menschen ungiftig und sind ein im ökologischen Landbau ein zertifiziertes Mittel. Bei häufigem Sprüheinsatz ist allerdings zu befürchten, dass der Wald als Ökosystem Schaden nehmen könnte, da schließlich auch andere Tiere in Kontakt mit dem eingesetzten Gift kommen. Als Alternative können Nester des Eichenprozessions- Spinners auch abgesaugt werden, was aber aufwändiger ist. In Spanien bspw. werden Nester oftmals aus den Bäumen geholt und anschließend verbrannt.

Hohe Umweltrisiken durch Insektizide

„Der Bruterfolg von Singvögeln kann durch die Mittel erheblich beeinträchtigt werden, wenn Insekten sterben, von denen die Vögel sich und ihren Nachwuchs ernähren. Für Fledermausarten sind solche Auswirkungen ebenfalls möglich. Das Umweltbundesamt stimmt daher einer Zulassung von Insektiziden zur Anwendung im Wald mit Luftfahrzeugen daher nur zu, wenn die Zulassung diese mit Anwendungsbestimmungen belegt, um den Naturhaushalt vor unvertretbaren Auswirkungen zu schützen. Wegen der hohen Umweltrisiken ist eine Behandlung nur dann verhältnismäßig, falls ein flächiges Absterben des Baumbestandes droht und durch die Behandlung das Absterben wahrscheinlich abgewendet werden kann.“ (Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/ themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/ im-hubschrauber-gegen-eichenprozessionsspinner- co)

Hundebesitzer aufgepasst!

Aber nicht nur für die Bäume sind die Raupen eine Gefahr. Die feinen Brennhaare der Raupe, die das Eiweißgift Thaumetopoein enthalten, können eine sogenannte Raupen-Dermatitis auslösen. Beim Menschen führt der bloße Kontakt mit den Haaren zu starken Hautreizungen und Allergien, Asthma etc., weswegen die Raupen auch oft „Nesselraupen“ genannt werden.

Für den Menschen gefährlich sind die Haare des dritten Larvenstadiums (Mai, Juni) des Eichen-Prozessionsspinners. Sie halten sich auch an den Kleidern und Schuhen und lösen bei Berührungen stets neue toxische Reaktionen aus. Die (fast unsichtbaren) Brennhaare dringen leicht in die Haut und Schleimhaut ein und setzen sich dort mit ihren Häkchen fest. Wenn ein Hund mit der Schnauze Kontakt aufnehmen sollte, treten unter Umständen schwerste Vergiftungen in der Schnauze auf, die bis zum Tod führen können. Wer also im Süden in den Frühlingsmonaten mit Hund unterwegs ist, sollte Regionen mit vielen Pinien meiden. Hier werden auch viele Baumbestände besprüht, um die Population einzudämmen. In Deutschland sind zum Teil ganze Wälder gesperrt worden, um Spaziergänger vor den Haaren der Eichenprozessions-Spinner zu schützen.

Die Bezeichnung „Mimikry“ ist abgeleitet von englisch mimicry (= „Nachahmung“), was wiederum abgeleitet ist von to mimic: „nachahmen, mimen“ und entlehnt aus altgriechisch μίμος mímos Nachahmer, Imitator, Schauspieler.

Bei günstiger Witterung werden die schnell brüchigen Haare der Raupen durch Luftströmungen über weite Strecken getragen. Und in den Nestern selbst bleiben nach der Häutung der Raupen die alten Häute nebst Haaren lange drinnen liegen. Alte und verlassene Gespinstnester, ob am Baum haftend oder am Boden liegend, bleiben daher eine anhaltende Gefahrenquelle, die über mehrere Jahre in der Umgebung umherfliegen können. Wer also ein verlassenes Nest findet – bitte nicht anfassen, und lassen Sie Ihren Hund nicht dran schnüffeln!

Alexandra Pfitzmann

Redaktion "mensch & tier"