Haushühner | Tierschutzfälle mit Nutztieren

Einsames Huhn aus schlechter Haltung gerettet

Die Geschichte von Huhn "Charlotte", das einsam in einem Hinterhof in Berlin-Charlottenburg lebte und von aktion tier e.V. in eine artgerechte Haltung gebracht wurde.

Gehege im Hinterhof
Das Huhn in seinem Gehege im Hinterhof. Foto: © aktion tier e.V./Bauer

Das hübsche braune Haushuhn lebte in einem verdreckten Gehege in einem Hinterhof im Berliner Bezirk Charlottenburg. Mutterseelenallein fristete der Vogel hier sein Dasein. Ein aktion tier- Mitglied hatte uns Ende Februar von dem bedauernswerten Huhn berichtet und auch wir waren fassungslos über diese verwahrloste Tierhaltung.

Charlotte, so haben wir das Huhn getauft, scharrte zwischen Müll, vergammelten Essensresten und verdreckten Plastikschalen herum und kam gleich neugierig auf uns zu. Man merkte deutlich, dass sie einsam war und sich über jeden Kontakt freut. Hühner sind schließlich Gruppentiere und dürfen nie einzeln gehalten werden. Nachdem wir mit den Besitzern, einem Rentnerehepaar, gesprochen hatten, konnten wir das Huhn schließlich mitnehmen. Charlotte ist sehr zutraulich und ließ sich bereitwillig einfangen. Die offensichtlich mit der Versorgung des Vogels überforderten, gebrechlichen Rentner waren fast erleichtert, dass wir uns nun um Charlotte kümmern. Mario Assmann nahm das Huhn noch am gleichen Tag mit in unser Tierschutzcentrum nach Meissen, wo bereits eine kleine Hühnerschar lebt. Charlotte, die sich sehr gut in Meissen eingelebt hat, wird von unserem Hahn eifersüchtig bewacht. Er will jeden vertreiben, der sich seinem Lieblingshuhn nähert. Uns macht nicht nur die langjährige schlechte Haltung, sondern auch die Tatsache betroffen, dass Charlotte wahrscheinlich schon als Küken die Schnabelspitze amputiert wurde. Das Kürzen der Schnäbel mit einem Laser oder einer heißen Drahtschlinge ist in der Massentierhaltung leider eine gängige Praxis, obwohl die teilweise Amputation von Körperteilen gemäß §6 Tierschutzgesetz nur in Einzelfälle mit Ausnahmegenehmigung erlaubt sein soll. Die Realität sieht jedoch völlig anders aus.

Durch das routinemäßige Schnabelkürzen bei Legehennen soll Federpicken und Kannibalismus – also gestörte, unnatürliche Verhaltensweisen – verhindert werden. Die Amputation der Schnabelspitze wird in allen Haltungsformen, mit Ausnahme der Biohaltung, praktiziert. Es ist wirklich grauenhaft, dass in der tierquälerischen Massentierhaltung immer die Tiere an die Haltung angepasst werden und nicht umgekehrt. Ihnen werden unter anderem Schnäbel, Hörner und Schwänze abgeschnitten und die Ohren mit Plastikmarken perforiert. Die ohne Betäubung durchgeführte Amputation der empfindlichen und als primäres Tastorgan äußerst wichtigen Schnabelspitze ist aus unserer Sicht Tierquälerei und nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Ab 2016 soll das Schnabelkürzen bei Legehennen zumindest in Niedersachsen verboten sein. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer kündigte außerdem an, sich auch auf Bundesebene für ein Verbot dieser Tortur einzusetzen. Unsere Charlotte muss mit ihrem kupierten Schnabel leben. Probleme beim Fressen hat sie zum Glück nicht. Dieses Huhn erinnert uns immer daran, welches nicht wieder gut zu machende Unrecht wir Menschen den schutzlosen Tieren antun.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.