Herkunftsangabe soll nicht nur die Wertigkeit von Produkten erhöhen, sondern dem Kunden und Konsumenten Orientierungshilfe bieten. Doch die „g.g.A.“ ist nicht das einzige EU-Herkunftssiegel: „Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“ und „garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.)“ sind weitere Kategorien, nach denen ein Produkt registriert werden kann. Während die „garantierte traditionelle Spezialität“ über die Herkunft nichts aussagt, sind für den Verbraucher die anderen beiden Siegel von entscheidender Bedeutung: Wenn ein Lebensmittel mit dem Label „geschützte Ursprungsbezeichnung“ ausgezeichnet wird, muss der Rohstoff (z. B. Fleisch oder Milch) aus dem jeweiligen Gebiet kommen, ebenso muss dort die gesamte Verarbeitung und Produktion stattfinden. Die „g.U.“ ist im deutschsprachigen Raum jedoch bisher nicht weit verbreitet, Produkte mit dem Siegel „g.g.A.“ hingegen finden sich in jedem Supermarkt. Für viele Kunden wird damit ein Kaufanreiz geschaffen. Dabei muss etwa ein „Südtiroler Speck g.g.A.“ gar nicht aus Norditalien stammen, denn das Siegel schreibt lediglich vor: Eine Produktionsstufe muss in der angegebenen Region erfolgen. Ob das die Herkunft der Rohstoffe, die Verarbeitung oder Herstellung ist, bleibt jedoch dem Produzenten überlassen. Im Fall des Südtiroler Specks bezieht sie sich auf die Räucherung und den Reifegrad.
Ein aktueller Bericht des ehemaligen Präsidenten der Verbraucherzentrale Südtirol zeigt, was das für die Produktion bedeutet: Im Jahr 2012 sind demnach in Südtirol 8.576.395 Speckschwarten produziert worden, was einem Gesamtgewicht von ca. 38.000 t entspricht. Das Fleisch für diese Menge Speck aber stammte zu drei Vierteln aus Deutschland, anders gesagt: Nur jedes vierte Schwein, was 2012 zu „Südtiroler Speck g.g.A.“ verarbeitet wurde, hat überhaupt in Italien gelebt. Hauptgrund für dieses Verhältnis ist der Rückgang der Schweinezucht in der nördlichsten italienischen Provinz. Wurden im Jahr 2000 in Südtirol noch ca. 15.000 Schweine gezüchtet, waren es 2011 nur noch 5.475. Um die gesamte Produktion des Specks jedoch mit Schweinen aus Italien zu decken, müssten etwa zweieinhalb Millionen Tiere vor Ort gezüchtet werden. Da die Produktion in Deutschland aber günstiger ist und neben wirtschaftlichen auch ökologische Gründe eine Massenzucht in Südtirol ausschließen, dürften sich Produzenten über die Schlupflöcher in den Regelungen der geschützten geografischen Herkunftsangabe freuen – denn diese erlauben es ihnen, deutsches Fleisch als Südtiroler Spezialität zu verkaufen. Verbraucherschützer warnen allerdings nicht nur vor einer möglichen Täuschung von leichtgläubigen Konsumenten, sondern weisen in diesem Fall vor allem auch auf die Schattenseiten der modernen Fleischproduktion hin. Denn die intensive Massentierhaltung hat zwar den Fleischpreis kontinuierlich sinken lassen, sie birgt aber auch etliche Risiken.
Neben den oft alles andere als artgerechten Haltungsbedingungen in riesigen Mastställen, unter denen die Tiere ihr ganzes kurzes Leben lang leiden müssen, gehen auch Gefahren für den Verbraucher aus: Sehr große Tierbestände etwa kommen oft ohne den Einsatz von Antibiotika nicht mehr aus. Obwohl strengere Richtlinien für den Umgang mit Medikamenten in der Tiermast längst angekündigt wurden, ist der Verbrauch von Antibiotika in der Agrarproduktion bereits doppelt so hoch wie in der Humanmedizin. Immer wieder zeigen Studien unabhängiger Institute, dass im Handel befindliches Fleisch zu einem Großteil mit Rückständen von Antibiotika belastet ist. Diese können beim Menschen Resistenzen entstehen lassen, die im Ernstfall eine Behandlung erschweren oder unmöglich machen können, gar erste Todesfälle sind bereits bekannt geworden.
Auch das strengere Herkunftssiegel „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“ kann den Verbraucher nicht vor Risiken bewahren, die mit der Massentierhaltung grundsätzlich einhergehen. Im Fall des „Südtiroler Speck g.g.A.“ aber hätte der Konsument mit einer Kaufentscheidung auch die Wahl für oder gegen die Unterstützung deutscher Massentierhaltung und Export derselben treffen können – hätte er der Siegelverordnung hinter die Kulissen geschaut. Der Unterschied zwischen den Siegeln ist wie andernorts klein, aber fein – letztlich liegt die Entscheidung für oder gegen ein Produkt auch hier ausschließlich beim (besser oder schlechter informierten) Kunden und damit dem Erfolg der Aufklärungsarbeit, die zu leisten unser Ziel ist.