Haushunde

„Hunde-Mythen aufgeklärt“ – Da stehen ihm die Haare zu Berge

In bestimmten Situationen kann man regelmäßig beobachten, dass ein Hund sein Fell im Nacken, den Rücken entlang oder am Rutenansatz aufstellt. Umgangssprachlich sprechen wir hier häufig von „Bürste ziehen“ oder „Kamm aufstellen“. Nicht selten wird dem Hund, der eine Bürste zieht, eine bewusste Handlung unterstellt. Doch ist dem so? Ist das Bürste ziehen etwas, was der Hund steuern kann?

Foto: © AdobeStock/Lucas

Sie gehen mit Ihrem Hund spazieren, und plötzlich kommt Ihnen ein anderer Hund entgegen. Ihr Hund bleibt stehen, seine Körperhaltung wird angespannt, und Sie bemerken, wie sich sein Nackenfell oder eventuell auch das Fell am Rutenansatz aufstellt. Es vergeht nicht viel Zeit, bis auch der Ihnen entgegenkommende Hundehalter das aufgestellte Fell sieht und Ihnen „Na, Sie haben da aber einen Angeber!“ zuruft. Denn in vielen Köpfen ist immer noch fest verankert, dass der Hund bewusst eine Bürste zieht, um auf sein Gegenüber größer und beeindruckender zu wirken.

Was oft als "Bürste ziehen" bezeichnet wird, ist eigentlich eine Piloerektion, bei der sich durch die Kontraktionen der kleinen Haarbalgmuskeln die Haare aufstellen. Dieser Reflex wird durch das Nervensystem ausgelöst und ist vergleichbar mit einer Gänsehaut bei uns Menschen. Das Nervensystem reagiert auf Stress, Angst oder Bedrohung, indem es den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Die aufgestellten Haare sind lediglich ein Nebenprodukt dieser Reaktion. Der Hund hat also keine bewusste Kontrolle über diesen Prozess, sondern zeigt eine unbewusste Reaktion auf bestimmte Reize.

Grundsätzlich können alle Hunde eine Piloerektion bekommen.

Je nach Fellbeschaffenheit ist diese für uns gut, schlecht oder auch gar nicht sichtbar. Bei Hunden mit dichtem und sehr langem Fell ist es durchaus möglich, dass sich das Fell gar nicht aufstellt, obwohl im zentralen Nervensystem der gleiche Ablauf stattfindet wie bei seinen kurzfelligen Artgenossen mit sichtbaren Reaktionen. Auch wenn das Bürste ziehen häufig in Konfliktsituationen mit anderen Hunden zu sehen ist, gibt es bisher keine belegbaren Erkenntnisse dazu, dass dieses Verhalten auch zur Kommunikation genutzt wird.

Moderne Studien belegen, dass viele Verhaltensweisen von Hunden, die früher als absichtsvoll interpretiert wurden, tatsächlich durch unbewusste, instinktive Prozesse gesteuert werden. Das bedeutet in unserem Fall, dass Hunde nicht die kognitive Absicht haben, durch die Piloerektion größer zu erscheinen, sondern dass dies eine automatisierte Antwort auf bestimmte emotionale Zustände ist.

Dennoch sollten wir als Hundehalter die Reaktion unseres Hundes wahrnehmen und schauen, was unseren Hund in eine erhöhte Erregung gebracht hat. Denn auch wenn das aufgestellte Fell keine bewusste Reaktion darstellt, so zeigt es uns doch deutlich den emotionalen Zustand unseres Hundes in bestimmten Situationen.

Ann Kari Sieme