Tierschutzfälle mit Wildtieren

Jenseits von „Animal Eden“

Animal Eden bedeutet frei übersetzt „Tierparadies“. Was wir in der brandenburgischen Kleinstadt Nauen, etwa 50 km von Berlin entfernt, vorgefunden haben, ist jedoch das genaue Gegenteil.

Nichts im Zoo Nauen ist paradiesisch
Nichts im Zoo Nauen ist paradiesisch. Foto: aktion tier

Die paradiesischen Worte stehen auf einem rostigen Schild, doch schon der nächste Blick in das dahinterliegende Gehege straft ihnen Lüge. Auch die Tafel, auf der „Frische Landeier“ angepriesen werden, erscheint wie ein schlechter Witz. Denn jeder, der Augen im Kopf hat, begreift sofort, dass rein gar nichts an oder in dieser als Zoo deklarierten Tierhaltung FRISCH ist.

Meine Kollegin und ich sind schockiert, als wir, einem Hinweis folgend, Ende Oktober 2020 den abseits der Stadt liegenden sogenannten Zoo betreten. Die Bezeichnung „Saustall“ wäre treffender, denn das gesamte, relativ große Areal ist eine einzige Müllhalde. Kaputte Spielgeräte, Kutschen, Reitzeug und ein zerrissenes Zirkuszelt zeugen von besseren Zeiten. Jetzt dominieren Gerümpel, Unrat und Abfall das Bild. Im Kofferraum eines alten Autos lagern verdorbene Lebensmittel. Wir befürchten, dass diese noch verfüttert werden sollen.

Der Kernbereich der Tierhaltung besteht aus sehr alten, martialisch wirkenden, teilweise doppelt mit Stahlgitter versehenen Gehegen. Diese wirken angesichts der darin gefangen gehaltenen Gänse, Enten, Hühner, Affen und Waschbären völlig deplatziert. In zwei an den Komplex angrenzenden Freiläufen fristen außerdem kleinwüchsige Hausschweine, Ponys, Esel und Ziegen ihr alles andere als artgerechtes Leben.

Der 80jährige „Zoodirektor“ Bernhard W. zog im Jahr 2000 nach Nauen und betrieb zuerst eine Filmtierschule. Leere Käfige, die heute noch überall herumstehen, legen nahe, dass früher weitaus mehr Tiere gehalten und für Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen vermietet wurden. Gemäß den Aussagen einer Zeugin soll der gebrechlich wirkende Tierhalter öfter gesundheitlich angeschlagen sein und zum Teil für mehrere Wochen im Krankenhaus liegen. Dann werden die Tiere angeblich mehr schlecht als recht von ein paar ehrenamtlichen Helfern am Leben gehalten. Nach unserer Einschätzung leidet Herr W., der sich und seinen Zoo in den höchsten Tönen lobt, an einer Wahrnehmungsstörung und dem Messie-Syndrom. Im Gespräch scheint er tatsächlich davon überzeugt, dass es seinen Schützlingen wunderbar geht, dabei ist er ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage, eine verantwortungsvolle, artgerechte Tierhaltung zu gewährleisten. Und das nicht erst seit gestern.

Der gesamte Zoo zeigt die fehlende Sachkunde in Verbindung mit offensichtlicher Lieblosigkeit des Bernhard W.

Dem Mann scheinen weder die Gesundheit noch das Wohlbefinden seiner Tiere am Herzen zu liegen. Man muss sich nur 5 Minuten vor das erste Gehege mit unterschiedlichem Ziergeflügel stellen und die kleine weiße Zwergente beobachten, die verzweifelt an einer blauen Plastikwanne mit schwarzem Wasser auf und ab läuft. Sie würde, ihren natürlichen Instinkten folgend, so gerne baden, aber die Wände sind zu hoch. Ihr Gefieder ist struppig und grau. Frustriert führt sie Putzund Schwimmbewegungen auf dem Trockenen aus. Herr W. verursacht dieser Ente durch Unkenntnis oder einfach Bequemlichkeit Schmerzen und Leiden. Er hätte die Badewanne ganz einfach in den Boden eingraben können, so dass sie für den kleinen Vogel nutzbar ist.

Unter der Unfähigkeit und dem Desinteresse des Mannes haben alle Tiere zu leiden. In keiner der vergammelten Hütten, Kästen und Boxen, die als Behausungen dienen sollen, liegt Stroh oder eine kuschelige Decke. Die Hühner, Enten und Gänse müssen ihre Eier auf den blanken Boden oder in dreckige Transportboxen legen, und es gibt keine sauberen, trocken-warme Ställe, in welche sich die Tiere bei Bedarf zurückziehen können. Verdreckte Trinkgefäße enthalten brackiges Wasser, in dem sich zum Teil schon Schwimmkäfer angesiedelt haben. In rostigen Wannen steht faulig riechendes, rabenschwarzes Badewasser. Da die Gehege größtenteils nicht überdacht sind, weichen die Böden beim kleinsten Regenschauer sofort auf und mischen sich mit den Exkrementen zu einem stinkenden Schlamm, in welchem die Tiere knöcheltief waten. Dementsprechend schmutzig und ungepflegt sind die bedauernswerten Geschöpfe. Durch die gravierende Unsauberkeit besteht ein hohes Gesundheitsrisiko für die Tiere. Krankheitserreger können sich in einem derart unhygienischen Milieu im Nu vermehren und verbreiten.

Außerdem ist Plastik in diesem Zoo allgegenwärtig. Trink- und Futtergefäße, Behausungen, Spielzeug, Beschäftigungselemente, Deko-Elemente – alles besteht aus Kunststoff, welcher gerade von gelangweilten Tieren zerbissen und abgeschluckt werden kann. Da verwundert es nicht, dass Bernhard W. auch die Plastik-Wickelnetze an dem Heu-Rundballen belässt, der im Ponygehege liegt. Wo doch jeder weiß, dass die Ponys, Ziegen und Esel die filigranen Plastikfäden, aus denen die Netze bestehen, nicht vom Heu trennen können und daher mitfressen.

Auch die Ernährung der Zootiere ist alles andere als artgerecht.

Gefüttert wurde zumindest am Kontrolltag einseitig mit teilweise schädlichen, verfaulten oder verdreckten Nahrungsmitteln. Wir fanden fast in jedem Gehege Brezeln, Brötchen und süße Hefestückchen. Derartige Backwaren quellen im Magen auf, enthalten viel Salz und Zucker und sind grundsätzlich für Tiere ungesund. Wahrscheinlich wird außer dem Heu für die Esel, Ziegen und Ponys nichts zugekauft, sondern ausschließlich auf Futterspenden zurückgegriffen.

Des Weiteren erscheint auch die Belegung der Gehege wahllos und ohne Sachverstand. So sind häufig zu viele Tiere auf engem Raum zusammengesperrt, was zu Bewegungsmangel, Aggression und Verhaltensstörungen führt. Auch die Mischung der Tiergruppen zeugt von Inkompetenz. So sind beispielsweise in einem Käfig am Eingang 2 Brautenten, 3 Mandarinenten, 2 weiße Zwergenten, 1 Goldfasan, 1 Zwerghahn und 2 Kapuziner-Tauben eingesperrt. Sämtliche Tiere sind männlichen Geschlechts, was nicht artgerecht ist, da Vögel normalerweise gemischtgeschlechtlich zusammenleben. Die Einzelhaltung des Fasans und des Hahnes ist besonders schlimm, da die beiden nicht einmal einen Artgenossen haben.

Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass Bernhard W. den Zoo Nauen seit vielen Jahren in dieser massiv tierschutzwidrigen Form betreibt.

Schlimm, dass eine derartige Tierhaltung, die im Internet beworben und durch lokale Medien auch noch angepriesen wird, überhaupt in Deutschland existiert. Dass dies unter den Augen des Veterinäramtes geschieht, welches Herr W. auch noch die für das Betreiben eines Zoos erforderliche Genehmigung nach §11 Tierschutzgesetz erteilt hat, ist jedoch unbegreiflich.

Wir haben sowohl beim Veterinäramt als auch bei der Unteren Naturschutzbehörde, ohne deren Genehmigung kein Zoo Wildtiere halten darf, Anzeige erstattet und die Behörden nachdrücklich aufgefordert, umgehend dafür zu sorgen, dass das lange Leiden der Tiere endlich ein Ende hat. Etwas anderes als eine konsequente und endgültige Fortnahme aller Tiere nach § 16a TierSchG kommt aus unserer Sicht nicht in Frage. Unsere Zeugin hatte schon in der Vergangenheit dem Veterinäramt eine ganze Reihe von Personen genannt, die Tiere aus Nauen aufnehmen würden, und wir bieten ergänzend an, die beiden Affen, die Waschbären und den Rabenvogel in unserer Partnerstation für Wildtiere in Sachsenhagen (Niedersachsen) aufzunehmen.

Am 17. Dezember hat uns das Veterinäramt mitgeteilt, dass man nun aktiv werden möchte, und am 15. Januar 2021 ist es endlich so weit.

Die beiden Tierärzte aus der aktion tier-Wildtierstation Sachsenhagen, Dr. Florian Brandes und Karolin Schütte, sind mit ihrer Ausrüstung angereist, und wir treffen die Vertreter des Veterinäramtes vor Ort. Eine ganze Reihe von Tieren wurde bereits von verschiedenen Einrichtungen abgeholt, der Rest soll auch noch verladen werden, so dass an diesem Tag tatsächlich der gesamte Tierbestand dem Halter amtlich fortgenommen wird.

Dr. Brandes und und Frau Schütte fangen professionell und zügig die beiden Grünen Meerkatzen und die beiden Waschbären in ihren Gehegen ein. Vor allem der weibliche Alte macht einen desolaten Eindruck. Eines ihrer Augen ist trüb, sie blutet am Schwanz und scheint krank zu sein.

Nachdem die vier Tiere in Transportboxen verstaut und mit Futter versorgt wurden, geht es in die Station nach Sachsenhagen, in eine bessere, behütete Zukunft. Der Tierhalter soll ein Tierhalte- und Tierbetreuungsverbot erhalten, so dass der Zoo Nauen der Vergangenheit angehört – hoffentlich für immer.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.