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Raus aus dem Käfig! – Für eine artgerechte Tierhaltung

Meine Oma hatte einen Wellensittich, der „Charly“ hieß. Immer, wenn ich bei meinen Großeltern zu Besuch war, besuchte ich auch Charly. Der grün gelb gefiederte Vogel lebte in einem Käfig mit weißen Gitterstäben, dunkelbrauner Plastikwanne und zwei Holzstäben zum darauf sitzen. Etwa L 46 x B 36 x H 51 cm nannte Charly sein Eigen. Einen lebendigen Vogelfreund hatte er zwar nicht, aber meine Oma hatte ihrem Charly einen aus Plastik besorgt, daumengroß mit gelbem Latz. Den nannte die Oma „Susi“. „Susi ist da, damit Charly nicht so einsam ist!“, hatte sie mir erklärt. Ist ja auch logisch. Wer will schon einsam in einem Käfig sitzen?

Meerschweinchen in einem viel zu kleinen Käfig
Ich bin vielleicht kein Star... Möchte aber trotzdem hier rausgeholt werden! - Meerschweinchen in einem viel zu kleinen Käfig. Foto: © aktion tier Tierheim Zossen

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Oma und ich vor dem Vogelkäfig im Wohnzimmer standen, durch die Gitterstäbe schauten, und uns daran erfreuten, wie liebevoll Charly an seiner Plastik-Susi knabberte. Susi war vermutlich nicht mal BPA-frei (Bisphenol A ist ein Grundbaustein des Kunststoffs Polycarbonat und kann das Hormonsystem stören), aber egal, es war so wahnsinnig niedlich wie er zwitscherte und mit ihr kuschelte und sich seines Lebens freute. Das dachten Oma und ich übrigens auch noch, als Charly schließlich starb. Dass er so ein schönes Leben hatte in seinem Käfig mit seiner Plastik-Susi.

Charlys Dasein war im Alter von acht Jahren beendet. Total „normal“, denn Wellensittiche in Gefangenschaft werden nun einmal nur halb so alt wie ihre wilden Artgenossen. Charlys Leben hatte auch sonst mit dem Leben seiner wilden Verwandten nicht viel gemein. Statt im großen Schwarm hauste Charly bei Oma in einem winzigen Käfig. Da stellte der immerhin regelmäßige „Aus-Flug“ im Wohnzimmer schon mal ein Highlight für das Vögelchen dar, auch wenn er dabei regelmäßig mit seinen Füßen in der bodenlangen Spitzengardine hängenblieb. Eine lebende Partnerin, mit der sich die Käfig-Einöde besser hätte ertragen lassen, blieb Charly zeitlebens versagt. Dafür versuchte er acht traurige Jahre lang verzweifelt, Plastik-Susi zur Kommunikation mit ihm zu bewegen.

Charly war übrigens Omas letztes Haustier. Sie, liebe Leser/innen, mögen jetzt aufatmen, aber für mich als Zehnjährige war das ein harter Schicksalsschlag. Doch das Leben ging überraschenderweise auch ohne Wellensittich für mich weiter. Und heute, 23 Jahre später, bin ich froh darüber, dass meine liebe Oma ihrer Fürsorge nach Charlys Ableben auf den Opa und die Enkelkinder konzentriert hat. Denn von einem artgerechten Leben konnte ein Vogel in ihrer Obhut maximal träumen.

Warum wusste es Oma nicht besser?

Ich habe Oma bei der Recherche zu diesem Artikel gefragt, warum sie offenbar nie darüber nachgedacht hat, ob Charly in seinem kleinen Käfig auch wirklich glücklich ist. „Das hab ich wohl!“, antwortete sie mir und kramte ein altes, abgegriffen wirkendes Buch aus den 80er Jahren hervor. Es handelte von Haustieren und wie man sie richtig hält. Und wenn man diesem Buch glaubt, hat Oma bei der Vogelhaltung in der Tat alles richtig gemacht: Käfig sauber gehalten, Plastikfreundin für Charly gekauft, regelmäßiger Freiflug in die Gardine ermöglicht. Eigentlich top. Damals jedenfalls. Heute wissen wir dank Forschung und der endlosen Wissensquelle Internet allerdings, dass das sicherlich nicht ausreicht, um einen Wellensittich glücklich zu machen. Wer glaubt, ein Vogel sei mit einem Plastikkameraden hinter ein paar Gitterstäben und einem Stündchen Freiflug am Tag artgerecht gehalten, der will es wohl nicht besser wissen.

Wider allen Wissens ist die Käfighaltung von Kleintieren auch heute, mehr als 20 Jahre nach Charlys Ableben, nicht nur legal, sondern für viele Tierbesitzer auch noch normal. Nicht nur Wellensittiche leiden still unter nicht artgerechter Haltung, auch Hauskaninchen, Hausmeerschweinchen, Hamster und sonstige Kleintiere fristen ein schnödes und unnatürliches Dasein in so mancher Zimmerecke.

Wild lebende Wellensittiche
Wellensittiche können 100 Kilometer am Stück fliegen und haben in einem Käfig nichts zu suchen. Foto: jodie777, AdobeStock

Wellensittiche sind natürlicherweise nur in Australien verbreitet. Dort leben sie meist in größeren Schwärmen zusammen, denn Wellensittiche sind sehr soziale Tiere. Sie bauen keine Nester, sondern bevorzugen Baumhöhlen. Ihre Ernährung besteht fast ausschließlich aus Samen und Körnern. Wilde Wellensittiche haben eine grün-gelbe Färbung, alle anderen Farben sind erst durch Zucht entstanden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Vögel per Schiff nach England und somit nach Europa gebracht, um als Haustiere den Menschen zu erfreuen.

Raus aus dem Kopf – raus aus dem Käfig!

Für viele Menschen gehört ein Käfig einfach von jeher zur Grundausstattung von Kleintieren dazu. Bestärkt wird diese althergebrachte Denkweise durch die in der Zoohandlung massenhaft angebotenen Kleintierkäfige, die oft mehr kosten als das Zwergkaninchen oder der Hamster selbst. Schon das allein ist ja irgendwie paradox… Da kostet die Plastikwanne mit Gitterstäben dran mehr als das Lebewesen, das darin wohnen soll. Dabei sollte der fürsorgliche Tierkäufer doch eigentlich schon bei dem Wort „Käfig“ aufhorchen. Kann es richtig sein, einen Käfig für sein tierisches Familienmitglied zu kaufen? Ein „Käfig“ impliziert Enge und einen abgesperrten Raum, in dem etwas verbleiben soll. Oder, wie der Duden es beschreibt, einen „Raum für gefangen gehaltene größere Tiere, dessen Wände aus Gitterstäben, Drahtgitter o. Ä. bestehen“. In einen Käfig sperrt man also etwas hinein, das nicht heraus soll. Das klingt nicht gerade nach einem guten Start in eine artgerechte Tierhaltung… Denn schon auf Grund der geringen Maße dürfte ein typischer Gitterkäfig aus der Zoohandlung schwerlich unterschiedliche Strukturelemente und Freiraum für ein Kaninchen, Meerschweinchen oder Wellensittich bieten können. Solche Käfige passen allenfalls zu den Bedürfnissen des Tierhalters.

An die Bedürfnisse des Besitzers angepasst…

Neben der Tatsache, dass Kleintierkäfige leider immer noch ganz selbstverständlich im Fachhandel erhältlich sind, wird seitens der potenziellen Tierbesitzer zu selten danach gefragt, was das Haustier eigentlich braucht, um seine natürlichen Bedürfnisse ausleben zu können. Und ob man diese in den eigenen vier Wänden überhaupt erfüllen kann. Vielmehr wird das Haustier wie selbstverständlich den eigenen Befindlichkeiten angepasst. „Für einen größeren Käfig ist kein Platz im Kinderzimmer!“, heißt es dann, und es wird in der Konsequenz nicht etwa auf die Tieranschaffung verzichtet, sondern ein Käfig angeschafft, der zwar nicht zum Kaninchen, dafür aber in die vorgesehene Zimmerecke passt.

Leider gibt es, wenn auch vielfach von aktion tier e.V. gefordert, für Haustiere wie Kaninchen, Hamster und Co. keine Haltungsverordnungen. Einzig für Haushunde existiert die bundesweit geltende „Tierschutz-Hundeverordnung“, in der festgeschrieben ist, welche Bedürfnisse des Tieres wie zu erfüllen sind. aktion tier e.V. setzt sich schon lange dafür ein, dass auch für andere Tierarten solche Verordnungen erlassen werden, denn verbindliche Regeln würden nicht nur eine Orientierung für den Tierhalter darstellen, sondern den Veterinärämtern zudem die Kontrolle und Ahnung schlechter Tierhaltungen erleichtern.

aktion tier vermittelt kein Tier in Käfighaltung

In unseren Tierschutzeinrichtungen werden wir mit dieser wenig tierfreundlichen Denkweise immer wieder konfrontiert. Nämlich wenn Interessenten zu uns kommen, um ein Tier aufzunehmen. Im Gegensatz zum profitorientierten Zoofachmarkt oder Ebay-Inserenten, dem der Verbleib des Tieres nach Bezahlung in der Regel herzlich egal ist, führen unsere Kolleginnen und Kollegen mit jedem Interessenten ausführliche Gespräche. Das ist zwar sehr zeitintensiv, stellt aber sicher, dass die grundlegenden Bedürfnisse des Tieres im neuen Zuhause erfüllt werden. Wer beispielweise nur ein Kaninchen halten möchte, wird in einem aktion tier Tierheim keines bekommen. Denn Kaninchen sind sehr sozial und müssen immer mindestens zu zweit gehalten werden. Auch in reine Käfighaltung wird bei aktion tier e.V. kein Kaninchen vermittelt.

Nehmen Sie es beim Wort: schöner wohnen in Freigehege, Buddelarium oder Voliere

Das bedeutet aber nicht, dass für Kaninchen oder Meerschweinchen nur eine Außenhaltung in Frage kommt, wie sie beispielhaft auf dem aktion tier Lottihof oder im aktion tier Tierheim Zossen umgesetzt wird. Mit etwas Mühe können engagierte Kaninchenhalter die nötigen Voraussetzungen auch in der Wohnung schaffen. Zahlreiche Beispiele für artgerechte Innengehege findet man im Internet. Wer nach einem „Kaninchenkäfig“ sucht, wird schwerlich einen finden, der 4 m² groß ist und damit dem empfohlenen Mindestmaß z.B. für zwei Hauskaninchen entspricht. Wer aber nach Gehegeoder Gestaltungselementen schaut, dem werden tierfreundliche Möglichkeiten geboten. Und auch wenn eine Vogelvoliere genau genommen natürlich auch nur ein geräumiger Käfig ist, so hilft schon die bloße Bezeichnung, um im Kopf eine andere Denkrichtung einzuschlagen. Eine Denkrichtung, die Kleintiere und Vögel raus holt aus dem Käfig. Die im wahrsten Sinne des Wortes Raum schafft für eine Haltungsform jenseits der Gitterstäbe.

Sandy Both